Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 525/2007
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9C_525/2007

Urteil vom 15. Januar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borell, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

R.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecherin Beatrice
Gurzeler, Hodlerstrasse 16, 3011 Bern.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
8. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2003 sprach die IV-Stelle Bern R.________ bei
einem Invaliditätsgrad von 55 % eine halbe Invalidenrente zuzüglich
Kinderrenten ab 1. Februar 2003 zu, welche Leistungen sich im Jahr des
Rentenbeginns auf monatlich Fr. 971.- zuzüglich zwei Kinderrenten von je Fr.
388.-, d.h. insgesamt Fr. 1'747.- beliefen. Der Berechnung des Rentenbetrags
legte sie ein massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr.
63'300.- zugrunde, welches sich unter anderem daraus ergab, dass dem
Ehegatten von R.________ vom 1. August 1998 bis 31. Januar 2001 eine ganze
bzw. halbe Invalidenrente ausbezahlt worden war.
Mit Verfügungen vom 25. Oktober 2006 reduzierte die IV-Stelle Bern die Rente
des Ehegatten von R.________ wiedererwägungsweise auf eine halbe
Härtefallrente ab 1. August 1998 und eine Viertelsrente ab 1. Januar 2001;
gleichzeitig forderte sie zu viel bezogene Leistungen im Umfang von Fr.
47'449.- zurück. Auf Einsprache hin hob die IV-Stelle am 8. Dezember 2006 die
den Ehegatten betreffenden Verfügungen vom 25. Oktober 2006 wegen Verletzung
des rechtlichen Gehörs wiedererwägungsweise auf und erliess einen inhaltlich
identischen Vorbescheid.
Mit zwei Verfügungen vom 25. Oktober 2006 reduzierte sodann die IV-Stelle den
Betrag der monatlichen Rente von R.________ mit Wirkung ab 1. Februar 2003
auf Fr. 946.- und die zwei bzw. ab 1. Oktober 2004 drei Kinderrenten auf je
Fr. 378.- (insgesamt Fr. 1'702.- bzw. Fr. 2'080.-) und mit Wirkung ab 1.
Januar 2005 auf Fr. 963.- zuzüglich drei Kinderrenten von je Fr. 386.-
(insgesamt Fr. 2'121.-) und machte verrechnungsweise eine Rückforderung von
Fr. 2'297.- geltend. Zur Begründung führte sie aus, mit der rückwirkenden
Anpassung der Rente des Ehegatten hätten die Berechnungsgrundlagen für die
Rente von R.________ geändert.

B.
R.________ liess gegen die sie betreffenden Verfügungen vom 25. Oktober 2006
Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, die Herabsetzung der Rente
inklusive Verrechnung der Rückerstattungsforderung sei aufzuheben. Im
Verlaufe des Verfahrens stellte die IV-Stelle ein Gesuch um Sistierung des
Verfahrens mit der Begründung, dem IV-Grad des Ehemannes komme eine
ausschlaggebende Rolle für die Berechnung der Rente von R.________ zu; dieses
wies der Instruktionsrichter am 15. Februar 2007 ab. Das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 8. Juni 2007 insoweit
gut, als es die beiden Verfügungen vom 25. Oktober 2006 aufhob und die Sache
zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurückwies.

C.
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie das
rechtliche Gehör der Versicherten nicht verletzt habe, indem sie kein
Vorbescheidverfahren durchgeführt habe.

R. ________ lässt Abweisung der Beschwerde beantragen, während das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung schliesst.

Erwägungen:

1.
1.1 Im Dispositiv des angefochtenen Entscheids hat die Vorinstanz die
Beschwerde insoweit gutgeheissen, als sie die beiden Verfügungen vom 25.
Oktober 2006 aufhob und die Sache zum weiteren Vorgehen im Sinne der
Erwägungen an die IV-Stelle zurückwies. Formell handelt es sich dabei um
einen Rückweisungsentscheid und damit um einen Zwischenentscheid, der nur
unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG selbstständig beim
Bundesgericht angefochten werden kann (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.; 133 IV
121 E. 1.3 S. 125).

1.2 Es ist indessen fraglich, ob tatsächlich ein blosser Zwischenentscheid
vorliegt:
1.2.1 Das kantonale Gericht hat die Beschwerde mit zwei selbstständigen
Begründungen gutgeheissen. Zum einen erwog es, Grundlage der angefochtenen
Verfügungen bildeten die gegenüber dem Ehegatten der Beschwerdegegnerin
erlassenen Verfügungen vom 25. Oktober 2006; allein der Umstand, dass diese
nicht in Rechtskraft erwachsen und nun sogar wiedererwägungsweise aufgehoben
worden seien, müsse zur Aufhebung der die (heutige) Beschwerdegegnerin
betreffenden Verfügungen führen. Zum andern erkannte es, dass vor Erlass der
angefochtenen Verfügungen ein Vorbescheidverfahren (Art. 57a IVG) hätte
durchgeführt werden müssen; soweit sich aus Art. 73bis Abs. 1 IVV und
Rz. 3013.5 des Kreisschreibens über das Verfahren in der
Invalidenversicherung (KSVI) etwas anderes ergebe, sei dies gesetzwidrig.
Demgemäss seien die Verfügungen vom 25. Oktober 2006 aufzuheben, damit die
Verwaltung nach Klärung der Grundlagen der Leistungsherabsetzung und
Gewährung des rechtlichen Gehörs im Rahmen eines formellen
Vorbescheidverfahrens neu verfüge.

1.2.2 Die erste dieser Begründungen wird von der Beschwerdeführerin mit Recht
nicht in Frage gestellt: Die Herabsetzung der Rente der Versicherten hat ihre
Grundlage einzig in der Herabsetzung der Rente des Ehegatten; sie verliert
ihre Grundlage, wenn die den Ehemann betreffende Herabsetzungsverfügung
aufgehoben wird. Zwar hat die Verwaltung nach der (aus formellen Gründen
erfolgten) Aufhebung der den Ehegatten betreffenden Verfügungen einen neuen
gleichlautenden Vorbescheid erlassen, der indessen offenbar noch nicht zu
einem rechtskräftigen Entscheid geführt hat. Es wäre denkbar gewesen, das
kantonale Verfahren zu sistieren, bis Klarheit über die Rente des Ehegatten
besteht. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf eine Sistierung verzichtet,
wogegen nichts einzuwenden ist und auch von der Beschwerdeführerin nichts
vorgebracht wird. Unter diesen Umständen war die Aufhebung der angefochtenen
Verfügungen durch die Vorinstanz richtig. Wenn sich im Verfahren gegen den
Ehemann ergibt, dass dessen Rente nicht (rückwirkend) herabgesetzt wird,
entfällt jede Veranlassung, über eine Herabsetzung der Rente der
Beschwerdegegnerin neu zu verfügen, ungeachtet der allenfalls
missverständlichen Formulierung in E. 6 des angefochtenen Entscheids; der
kantonale Entscheid erweist sich in diesem Fall als Endentscheid. Wird
hingegen die Herabsetzung der Rente des Ehegatten rechtskräftig, kann die
Verwaltung neu über die Herabsetzung der Rente der Beschwerdegegnerin
verfügen.

1.2.3 Der angefochtene Entscheid hat demnach nicht zur Folge, dass die
Verwaltung in jedem Fall neu verfügen muss; ob eine neue Verfügung zu ergehen
hat, hängt von Umständen ab, die noch nicht feststehen. Wenn jedoch die
IV-Stelle neu verfügt, hat sie gemäss den vorinstanzlichen Anweisungen zuerst
ein Vorbescheidverfahren durchzuführen. Soweit unter diesen Umständen der
angefochtene Entscheid als Zwischenentscheid zu betrachten ist, hat diese aus
der Sicht der Beschwerdeführerin rechtswidrige Anweisung für die Verwaltung
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge, weshalb die Beschwerde
zulässig ist (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.).

2.
Zu prüfen ist demnach, ob vor der streitigen Herabsetzungsverfügung ein
Vorbescheidverfahren durchzuführen ist.

2.1 Gemäss Art. 57a Abs. 1 IVG teilt die IV-Stelle der versicherten Person
den vorgesehenen Endentscheid über ein Leistungsbegehren oder den Entzug oder
die Herabsetzung einer bisher gewährten Leistung mittels Vorbescheid mit
(Satz 1). Die versicherte Person hat Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne
von Art. 42 ATSG (Satz 2). Gegenstand des Vorbescheids sind nach Art. 73bis
Abs. 1 IVV Fragen, die in den Aufgabenbereich gemäss Art. 57 Abs. 1 lit. a-d
IVG der IV-Stellen fallen. Nicht erfasst vom Gegenstand des
Vorbescheidverfahrens sind e contrario Fragen, die in den Aufgabenbereich
gemäss Art. 57 Abs. 1 lit. e und f IVG fallen, insbesondere die Verfügungen
über die Leistungen der Invalidenversicherung (lit. e). Vorinstanz,
Beschwerdeführerin und BSV gehen übereinstimmend davon aus, dass aufgrund von
Art. 73bis Abs. 1 IVV vor der hier streitigen Verfügung kein
Vorbescheidverfahren durchgeführt werden muss. Die Vorinstanz hält jedoch
diese Verordnungsregelung für gesetzwidrig und daher nicht anwendbar, während
die Beschwerdeführerin und das BSV die Gesetzeskonformität bejahen.

2.2 Die Vorinstanz beruft sich für ihren Standpunkt, wonach Art. 73bis
Abs. 1 IVV gesetzwidrig sei, auf das grammatikalische Auslegungselement. Der
in Art. 57a Abs. 1 IVG enthaltene Ausdruck "Herabsetzung einer bisher
gewährten Leistung" umfasse auch den hier vorliegenden Fall einer rein
betragsmässigen Reduktion der Rente bei unverändertem Invaliditätsgrad. Weder
die historische noch die teleologische Auslegung führten zu einem anderen
Ergebnis. Des Weitern wird ihrer Auffassung nach durch einen Verzicht auf das
Vorbescheidverfahren auch der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt.
Nach der Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin, der sich das BSV
anschliesst, gilt das Vorbescheidverfahren nur für diejenigen Aufgaben, die
in die Zuständigkeit der IV-Stellen fallen, nicht aber für die zum
Zuständigkeitsbereich der Ausgleichskassen gehörende Berechnung der Renten.
Begründet wird dieser Standpunkt vor allem mit einer historischen Auslegung:
Der Gesetzgeber habe mit dem auf den 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Art.
57a IVG das Vorbescheidverfahren wieder einführen wollen, wie es vor dem
Inkrafttreten des ATSG in der Invalidenversicherung bestanden habe. Dieses
Verfahren sei durchgeführt worden, bevor die Ausgleichskasse die Geldleistung
berechnet habe. Für die in den Zuständigkeitsbereich der Ausgleichskassen
fallenden Fragen habe daher kein Vorbescheidverfahren durchgeführt werden
müssen. Der Gesetzgeber habe mit dem neuen Art. 57a IVG ebenfalls wieder eine
Differenzierung nach der Zuständigkeit der IV-Stelle bzw. der Ausgleichskasse
beabsichtigt, was dem Zweck dieser Regelung entspreche, das IV-Verfahren zu
straffen und beschleunigen. Im Übrigen sprächen auch
Praktikabilitätsüberlegungen für diese Lösung.

2.3
2.3.1 Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Zusprechung von Invalidenrenten
sind nach dem Gesetz zwischen den IV-Stellen und den Ausgleichskassen
aufgeteilt: Die IV-Stellen klären die versicherungsmässigen Voraussetzungen
ab, bemessen die Invalidität und verfügen über die Leistungen der
Invalidenversicherung (Art. 57 Abs. 1 lit. a, d und e IVG). Die
Ausgleichskassen wirken bei der Abklärung der versicherungsmässigen
Voraussetzungen mit und berechnen die Renten (Art. 60 Abs. 1 lit. a und b
IVG). Zu prüfen ist, in welchem ablaufmässigen und zeitlichen Verhältnis die
Aufgaben von IV-Stellen und Ausgleichskassen stehen und wo das
Vorbescheidverfahren zu lokalisieren ist.

2.3.2 Nach Art. 61 IVG regelt der Bundesrat die Zusammenarbeit zwischen den
IV-Stellen und den Organen der AHV. Aus der Regelung in der Verordnung ergibt
sich folgender Ablauf: Nach Eingang der Anmeldung (Art. 40 IVV) prüft die
IV-Stelle die versicherungsmässigen Voraussetzungen und klärt den
Gesundheitszustand und die erwerblichen Verhältnisse ab (Art. 69 IVV). Danach
erlässt sie den Vorbescheid, den sie unter anderem der versicherten Person
und der Ausgleichskasse zustellt (Art. 73bis Abs. 2 lit. a und c IVV), worauf
die Parteien Einwände vorbringen können (Art. 73ter IVV). Nach Abschluss der
Abklärungen beschliesst die IV-Stelle über das Leistungsbegehren, wobei sie
sich in der Begründung mit den Einwänden zum Vorbescheid auseinanderzusetzen
hat (Art. 74 IVV). Die Verfügung wird unter anderem auch der Ausgleichskasse
zugestellt (vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. a IVV). Gemäss dieser Regelung ergeht
der Vorbescheid, bevor die Zustellung an die Ausgleichskasse erfolgt; er kann
deshalb nur diejenigen Aspekte erfassen, welche von der IV-Stelle entschieden
werden. Würde man der Auffassung der Vorinstanz folgen, wäre nicht nur
Art. 73bis Abs. 1 IVV, sondern die ganze in der Verordnung getroffene
Regelung des Vorbescheidverfahrens gesetzwidrig. Es ist zu prüfen, ob dies
zutrifft.

2.4 Nach Art. 57a Abs. 1 Satz 1 IVG teilt die IV-Stelle der versicherten
Person den vorgesehenen Endentscheid unter anderem über die Herabsetzung
einer bisher gewährten Leistung mittels Vorbescheid mit. Der Wortlaut des
Gesetzes unterscheidet nicht danach, aus welchem Grund (beispielsweise wegen
Reduktion des Invaliditätsgrades, anderer Berechnung etc.) die Leistung
herabgesetzt wird. Die Beschwerdeführerin ist jedoch der Auffassung, die
Bestimmung beziehe sich nur auf die von der IV-Stelle getroffenen Entscheide
und nicht auf diejenigen der Ausgleichskasse. Der deutsche (vgl. E. 2.1
hiervor) und der italienische Wortlaut des Gesetzes ("L'ufficio AI comunica
all'assicurato, per mezzo di un preavviso, la decisione prevista in merito
[...] alla soppressione o riduzione della prestazione già assegnata.")
zwingen nicht zu dieser Auslegung, schliessen sie allerdings auch nicht aus.
Demgegenüber sind nach dem französischen Wortlaut nur diejenigen Entscheide
gemeint, welche von der IV-Stelle getroffen werden ("Au moyen d'un préavis,
l'office AI communique à l'assuré toute décision finale qu'il entend prendre
[...] au sujet de la suppression ou de la réduction d'une prestation déjà
allouée."). Angesichts dieses Unterschiedes in den drei sprachlichen
Fassungen verbietet sich eine Auslegung unter Berufung auf den angeblich
klaren Wortlaut und es ist aufgrund anderer Auslegungselemente nach dem
wahren Sinn der Norm zu suchen.

2.5 Für die Auffassung der Beschwerdeführerin spricht die Systematik des
Gesetzes. Dieses regelt in separaten Abschnitten die IV-Stellen (Art. 54-59a
IVG) und die Ausgleichskassen (Art. 60-61 IVG). Die den Vorbescheid regelnde
Bestimmung des Art. 57a IVG steht im Abschnitt über die IV-Stellen und gilt
systematisch für diese.

2.6 Bestätigt wird dieses systematische Auslegungselement durch das
historische:
2.6.1 Bis zur Normierung in Art. 57a IVG (gültig ab 1. Juli 2006) war das
Vorbescheidverfahren, welches bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) Anwendung fand,
nicht formellgesetzlich geregelt. Gemäss aArt. 73bis Abs. 1 IVV (eingefügt
mit Änderung vom 21. Januar 1987 [AS 1987 456], in der Fassung vom 15. Juni
1992 [AS 1992 1251], in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002 [AS 2002 3721])
hatte die IV-Stelle, bevor sie über die Ablehnung eines Leistungsbegehrens
oder über den Entzug oder die Herabsetzung einer bisherigen Leistung
beschloss, dem Versicherten oder seinem Vertreter Gelegenheit zu geben, sich
mündlich oder schriftlich zur geplanten Erledigung zu äussern und die Akten
seines Falles einzusehen. Das Vorbescheidverfahren bezog sich somit nur auf
diejenigen Entscheide, die durch die IV-Stelle ergingen, nicht auf
diejenigen, die durch die Ausgleichskassen gefällt wurden.

2.6.2 Im Rahmen der am 1. Juli 2006 in Kraft getretenen 4. IV-Revision wurde
die Bestimmung des Art. 57a IVG ins Gesetz eingefügt. In der Botschaft vom
4. Mai 2005 legte der Bundesrat einleitend dar, dass das IV-Verfahren
gestrafft werden solle, unter anderem indem das Einsprache- durch das
Vorbescheidverfahren ersetzt und damit der Zustand vor der Einführung des
ATSG wiederhergestellt werde (BBl 2005 3079 ff., 3080). Zur Bestimmung des
Art. 57a IVG führte er aus, vor der Einführung des Einspracheverfahrens im
Bereich der Invalidenversicherung sei der versicherten Person der
voraussichtliche Entscheid der IV-Stelle formlos mitgeteilt worden
(Vorbescheid). Die betroffene Person habe dadurch die Gelegenheit erhalten,
sich zum Entscheid oder zu den aufgeführten Beweggründen zu äussern, falls
sie damit nicht einverstanden war. Mit dem Einspracheverfahren sei den
betroffenen Versicherten das rechtliche Gehör nicht mehr vor, sondern nach
Erlass der Verfügung gewährt worden. Die hohe Zahl der im Jahr 2003
eingegangenen Einsprachen zeige aber, dass die Akzeptanz der IV-Entscheide
durch die Aufhebung des Vorbescheidverfahrens nicht verbessert worden sei.
Dies könne viel eher dadurch erreicht werden, dass die Betroffenen vor Erlass
einer Verfügung in die Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts und die
im Einzelfall adäquaten Massnahmen einbezogen würden. Dieses Vorgehen
erlaube, im persönlichen Gespräch mit den betroffenen Versicherten
Unklarheiten zu beseitigen, gemeinsam verschiedene Eingliederungsmassnahmen
zu evaluieren und gegebenenfalls die Beweggründe für einen voraussichtlich
ablehnenden oder anders lautenden Entscheid der IV-Stelle zu erläutern.
Dieses Vorgehen biete besser Gewähr, dass einerseits der Sachverhalt richtig
erhoben und andererseits der gestützt darauf getroffene negative Entscheid
von der versicherten Person akzeptiert werde (BBl 2005 3084 f.).
2.6.3 In der Bundesversammlung betrachteten Befürworter wie Gegner der
Vorlage das Vorbescheidverfahren einhellig als Rückkehr zum früheren
Verfahren (Amtl. Bull. N 2005 1368 [Voten Berichterstatterin Humbel Näf und
Berichterstatter Triponez], 1369 ff. [Voten Robbiani, Wehrli, Huguenin,
Leutenegger Oberholzer, Schenker, Egerszegi-Obrist, Humbel Näf], Amtl. Bull.
S 2005 1011 [Berichterstatter Kuprecht], 1013 f. [Voten Fetz,
Forster-Vannini]). Im Ständerat führte der Berichterstatter Kuprecht in der
Detailberatung aus (Amtl. Bull. S 2005 1015):
"Das effektive Vorbescheidverfahren lässt sich deshalb wie folgt skizzieren:
Nach der Abklärung der Situation entscheidet sich die IV-Stelle für einen
Sachentscheid. Sie teilt dies der versicherten Person in der Form eines
Vorbescheides mit. Der versicherten Person wird, beispielsweise in den meist
strittigen Rentenfällen, eröffnet, wie die IV-Stelle das Invalideneinkommen
bewertet und auf welchen Invaliditätsgrad sie kommt. Zudem enthält der
Vorbescheid weitere wichtige Inhalte wie beispielsweise den Beginn der Rente.

Die versicherte Person kann nun in einem formlosen, einfachen und kostenlosen
Verfahren Einwendungen geltend machen. Da das Vorbescheidverfahren nicht
verrechtlicht ist, kann auch schneller und formloser reagiert werden. Die
Einwendungen können auch mündlich vorgebracht werden. Die IV-Stelle nimmt
aber so oder so kurz schriftlich Stellung.

Parallel dazu kann die IV-Stelle bei den weiteren beteiligten
Versicherungsträgern durch die sogenannte Mitteilung die koordinierte
Auszahlung der Rentenleistung einleiten. Die Ausgleichskasse kann die
Rentenberechnung sowie die Verrechnung mit allfälligen Leistungen des
Arbeitgebers, der Arbeitslosenversicherung, der Krankentaggeldversicherung,
des Sozialamtes oder weiterer beteiligter Stellen vorbereiten. In der
Realität sind derart komplexe Verrechnungssituationen heute nicht die
Ausnahme, sondern der Regelfall. Zudem kann parallel dazu die
Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule informiert werden.

Sobald die Einwendungen im Vorbescheidverfahren bereinigt und auch alle
Fragen um die Berechnung und Verrechnung der IV-Renten erledigt sind, kann
die IV-Stelle die eigentliche Verfügung erlassen. "
Diese (sich mit der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung
deckenden) Ausführungen in den parlamentarischen Beratungen entsprechen der
Regelung, welche der Bundesrat in der Verordnung getroffen hat. Es kann somit
davon ausgegangen werden, dass die Verordnungsbestimmung mit dem Willen des
historischen Gesetzgebers übereinstimmt.

2.7 Die Regelung in der Verordnung entspricht sodann auch dem Sinn und Zweck
des Vorbescheidverfahrens: Dieses soll eine unkomplizierte Diskussion des
Sachverhalts ermöglichen und dadurch die Akzeptanz des Entscheids bei den
Versicherten verbessern (BBl 2005 3084 f., vgl. dazu E. 2.6.2; Hans-Jakob
Mosimann, Vorbescheidverfahren statt Einspracheverfahren in der IV, SZS 2006
S. 277 ff.). Umstrittene Tatfragen stellen sich in Rentenfällen hauptsächlich
hinsichtlich der gesundheitlichen und medizinischen sowie der erwerblichen
Aspekte, bei denen die Feststellung und Würdigung des massgeblichen
Sachverhalts oft schwierig und umstritten ist. Demgegenüber handelt es sich
bei der Rentenberechnung um eine weitgehend arithmetische Aufgabe; soweit
sich dabei Fragen stellen, handelt es sich zumeist um solche rechtlicher
Natur. Dementsprechend wird die Rentenberechnung auch höchst selten
angefochten. Auch im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin nicht etwa
die Berechnung als solche, sondern die grundsätzliche Zulässigkeit der
rückwirkenden Rentenreduktion in Frage gestellt, welche einerseits vom
Ausgang des den Ehemann betreffenden Verfahrens abhängt, andrerseits eine
reine Rechtsfrage ist. Es drängt sich von der Sache her nicht auf, für die in
der Regel rein technischen und rechtlichen Fragen der Rentenberechnung ein
Vorbescheidverfahren einzuführen, welches auf die Bereinigung umstrittener
und komplexer Sachverhalte zugeschnitten ist.

2.8 Die Vorinstanz erwog, der Wegfall des Vorbescheidverfahrens dürfe nicht
zur Konsequenz haben, dass das rechtliche Gehör erstmals im
Beschwerdeverfahren vor dem kantonalen Gericht gewährt werde.

2.8.1 Nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 42 Satz 1 ATSG haben die Parteien
Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie müssen nicht angehört werden vor
Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind (Art. 42 Satz 2 ATSG).
Diese Ausnahme kommt vorliegend nicht zum Tragen (Art. 69 Abs. 1 IVG). Wie
die Vorinstanz richtig festgestellt hat, muss daher auch vor Erlass der hier
streitigen Verfügung das rechtliche Gehör gewährt werden.

2.8.2 Dass das rechtliche Gehör gewährt werden muss, heisst jedoch nicht,
dass ein Vorbescheidverfahren durchzuführen ist. Dieses dient zwar auch der
Ausübung des rechtlichen Gehörs, geht aber über den verfassungsrechtlichen
Mindestanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) hinaus, indem es Gelegenheit gibt, sich
nicht nur zur Sache, sondern auch zum vorgesehenen Endentscheid zu äussern;
der verfassungsrechtliche Mindestanspruch gibt keinen Anspruch darauf, zur
vorgesehenen Erledigung Stellung zu nehmen (BGE 125 V 401 E. 3e S. 405 zu
aArt. 73bis IVV; vgl. auch BGE 129 II 497 E. 2.2 S. 504 f.). Die
Rechtsprechung hat denn auch differenziert zwischen der Pflicht zur
Durchführung des Vorbescheidverfahrens und derjenigen zur Gewährung des
rechtlichen Gehörs; das rechtliche Gehör ist auch dann zu gewähren, wenn kein
Vorbescheidverfahren durchgeführt werden muss (Urteil P 38/02 vom 4. Mai
2004, E. 4.2, betreffend Ergänzungsleistungen).

2.8.3 Wenn kein Vorbescheidverfahren durchgeführt werden muss, sind für die
Gewährleistung des rechtlichen Gehörs angemessene Formen zu suchen, welche
sowohl die verfassungsmässigen Gehörsansprüche der Betroffenen als auch das
ebenfalls verfassungsmässige Anliegen nach Erledigung innert angemessener
Frist und dasjenige nach Verwaltungsökonomie erfüllen. In diesem Sinne ist
die in der IVV und im KSVI geregelte Vorgehensweise für die Festsetzung der
Rente grundsätzlich nicht zu beanstanden: Das Vorbescheidverfahren erlaubt,
die häufig umstrittenen Fragen im Zusammenhang mit der Festlegung des
Invaliditätsgrades vor Erlass der Verfügung zu diskutieren. Die in aller
Regel nicht umstrittene Rentenberechnung kann nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens und ohne zusätzliche vorgängige Gehörsgewährung
erfolgen. Ein anderes Vorgehen drängt sich höchstens ausnahmsweise auf, wenn
aus besonderen Gründen zu erwarten ist, dass die Rentenberechnung als solche
umstritten sein könnte. Geht es hingegen um die Herabsetzung einer einmal
zugesprochenen Rente, so dürfte sich in jedem Fall eine vorherige Anhörung
aufdrängen, selbst wenn die Herabsetzung auf eine blosse Berechnungsänderung
zurückzuführen ist. Denn wie gerade der vorliegende Fall zeigt, können auch
hier die sachverhaltlichen Grundlagen der Neuberechnung umstritten sein und
liesse sich ein Beschwerdeverfahren vermeiden, wenn diese Grundlagen vor
Erlass der Verfügung abgeklärt werden.

2.9
2.9.1 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vor dem Erlass einer Verfügung,
durch welche eine Invalidenrente wegen Neuberechnung des massgebenden
durchschnittlichen Jahreseinkommens rückwirkend herabgesetzt wird, der
versicherten Person zwar das rechtliche Gehör zu gewähren ist, jedoch kein
Vorbescheidverfahren durchgeführt werden muss. In diesem Sinne ist die
Regelung des Vorbescheidverfahrens in Art. 73bis Abs. 1 IVV gesetzmässig und
die Beschwerde insoweit begründet.

2.9.2 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Verwaltung vor Erlass der
streitigen Verfügungen das rechtliche Gehör nicht gewährt hat, obwohl sie
dies - in angemessener Form - hätte tun sollen (E. 2.8.3). Dem in der
Beschwerde gestellten Antrag, es sei festzustellen, dass die IV-Stelle das
rechtliche Gehör der Versicherten nicht verletzte, indem sie kein
Vorbescheidverfahren durchgeführt hatte, kann daher nicht stattgegeben
werden. Da die Verfügungen ohnehin aus einem anderen Grund mit Recht
aufgehoben worden sind (E. 1.2.2), hat dies auf das Ergebnis keinen Einfluss.
Es erübrigt sich daher auch zu prüfen, ob eine Heilung des Verfahrensmangels
im Beschwerdeverfahren möglich wäre, was unter der früheren Rechtslage bei
Unterlassung des Vorbescheidverfahrens nur sehr zurückhaltend angenommen
wurde (BGE 116 V 182 E. 3c S. 187; ZAK 1990 S. 520 E. 3; SVR 1996 IV Nr. 98
S. 297 E. 2d, I 341/95; Urteile I 584/01 vom 24. Juli 2002, E. 2, und I
223/96 vom 26. August 1996, E. 2b; Heilung zugelassen in ZAK 1989 S. 462 E.
3c und Urteil I 62/94 vom 17. August 1994, E. 4d), bei einer Gehörsverletzung
wie der hier zur Diskussion stehenden jedoch grundsätzlich denkbar wäre.
Sodann ist festzuhalten, dass die Verwaltung, wenn sie aufgrund des Ausgangs
des den Ehemann der Versicherten betreffenden Verfahrens neu verfügt, in der
konkreten Situation nicht zwingend noch einmal vorgängig die Versicherte wird
anhören müssen, nachdem sich diese bisher bereits vor zwei Gerichtsinstanzen
zur Sache äussern konnte. In diesem Sinne ist der vorinstanzliche Entscheid
zu präzisieren. So oder so ist aber die Beschwerde auch insofern unbegründet,
als darin die Aufhebung der beiden Verfügungen beanstandet wird. Das
Dispositiv des angefochtenen Entscheids ist daher nicht zu ändern, auch
kostenmässig nicht, da es bei der von der Versicherten im vorinstanzlichen
Verfahren angestrebten Aufhebung der Verfügungen bleibt.

3.
Da dieser Prozessausgang dispositivmässig ein Unterliegen der
Beschwerdeführerin darstellt, trägt diese die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens (Art. 65 Abs. 4 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG). Des Weitern hat
sie der Beschwerdegegnerin eine dem betriebenen Aufwand angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle Bern auferlegt.

3.
Die IV-Stelle Bern hat die Beschwerdegegnerin mit Fr. 200.- für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Januar 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann