Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 518/2007
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9C_518/2007

Urteil vom 1. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

F. ________, 1951, Beschwerdeführer,
vertreten durch Beratungsstelle für Ausländer, Schützengasse 7, 8001 Zürich,

gegen

IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Uri
vom 13. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1951 geborene F.________ bezieht seit 1. Mai 2000 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung. Die IV-Stelle Uri trat auf verschiedene
Rentenerhöhungsgesuche nicht ein, zuletzt mit Verfügung vom 3. Januar 2006,
bestätigt mit Einspracheentscheid vom 20. Juni 2006.

B.
F.________ liess gegen den Einspracheentscheid vom 20. Juni 2006 am 4. Juli
2006 beim Obergericht des Kantons Uri Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 5. Juli 2006 wurde er vom Gericht
aufgefordert, innert 10 Tagen einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 600.- zu
bezahlen. Diese Aufforderung war mit der Androhung verbunden, wenn der
Kostenvorschuss nicht fristgerecht geleistet werde, werde auf das
Rechtsmittel nicht eingetreten. Die Poststelle teilte dem Obergericht am
7. Juli 2006 mit, dass der Brief mit Zustellausweis noch nicht habe
zugestellt werden können und aufgrund eines Auftrages des Empfängers bis
voraussichtlich am 1. September 2006 auf der Post lagere. Der
Gerichtskostenvorschuss wurde am 29. August 2006 geleistet. Mit Beschluss vom
13. Juli 2007 schrieb das Obergericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am
Geschäftsprotokoll ab, weil der Gerichtskostenvorschuss verspätet erfolgt
sei.

C.
F.________ lässt gegen diesen Beschluss Beschwerde führen und beantragen, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Obergericht sei zu
verpflichten, auf die Beschwerde einzutreten und ein Urteil zu treffen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42
Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird
darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten,
wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann
die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht
nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2 Mit dem kantonalen Verfahrensrecht hat sich das Bundesgericht
grundsätzlich nicht zu befassen. Seine Überprüfungsbefugnis ist gemäss
Art. 95 BGG, soweit hier interessierend, auf die Verletzung von Bundesrecht,
Völkerrecht und (kantonalen) verfassungsmässigen Rechten beschränkt. Es hat
daher nur zu prüfen, ob die Anwendung des einschlägigen kantonalen
Verfahrensrechts oder - bei Fehlen solcher Vorschriften - die
Ermessensausübung durch das kantonale Gericht von einem dieser
Beschwerdegründe erfasst wird. Dabei fällt praktisch vor allem eine Prüfung
der Verletzung verfassungsmässiger Rechte und Grundsätze in Betracht (BGE
133 V 196 E. 1.1 S. 197 mit Hinweisen).

2.
2.1 Abweichend von Art. 61 lit. a ATSG ist das Beschwerdeverfahren bei
Streitigkeiten um die Bewilligung oder die Verweigerung von IV-Leistungen vor
dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach
dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200 bis
1000 Franken festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG in der seit 1. Juli 2006
geltenden Fassung).

2.2 Anders als der Kanton Waadt (vgl. BGE 133 V 402 E. 4.4 S. 408) hat der
Kanton Uri die Befugnis zur Erhebung eines Kostenvorschusses und die
verfahrensrechtlichen Folgen einer allfälligen Nichtbezahlung in einer
hinreichenden gesetzlichen Grundlage vorgesehen (BGE 132 I 157 E. 2.2 S. 159
f.), stellt doch eine kompetenzgemäss erlassene Landratsverordnung - anders
als eine Regierungsratsverordnung - eine hinreichende gesetzliche Grundlage
dar für die Erhebung von Kausalabgaben (BGE 126 I 180 E. 2b/bb S. 184 f.).
Nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung des Landrates zum Bundesgesetz über die
Invalidenversicherung vom 13. November 1991 (RB 20.2431) richtet sich das
Rechtsmittelverfahren gegen Verfügungen der IV-Stelle nach der Verordnung des
Landrates über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. März 1994 (VRPV;
RB 2.2345), soweit das Bundesrecht nichts anderes bestimmt. Nach Art. 35 in
Verbindung mit Art. 64 dieser Verordnung kann die Behörde von demjenigen, der
eine Amtshandlung beantragt oder ein Verfahren einleitet, einen angemessenen
Kostenvorschuss verlangen. Wird der verlangte Vorschuss trotz Androhung der
Folgen innert der angesetzten Frist nicht geleistet, kann die Amtshandlung
unterbleiben bzw. das Verfahren abgeschrieben werden. Überdies hat das
Bundesgericht bereits in einem früheren Urteil festgehalten, dass die
konstante Praxis der Vorinstanz, die fristgerechte Leistung des
Kostenvorschusses als Sachentscheidsvoraussetzung zu betrachten, nicht
willkürlich ist (Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Mai
1998 in Sachen A., 2P.416/1997).

3.
Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass der Kostenvorschuss am
29. August 2006 und damit nach Ablauf der am 25. August 2006 geendeten Frist
einbezahlt wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet diesen Sachverhalt mit
keinem Wort. Er legt auch nicht dar, inwiefern die dem Entscheid zu Grunde
liegende Begründung im Einzelnen oder im Ergebnis bundesrechts- oder gar
verfassungswidrig sein soll. Dass ein Grundrecht verletzt sei, wird nicht
behauptet. Inwiefern das kantonale Gericht trotz verspäteter Leistung des
Kostenvorschusses verpflichtet gewesen wäre, auf die Beschwerde einzutreten,
legt er ebenfalls nicht dar. Er beruft sich weder auf ein
Fristerstreckungsgesuch (Art. 30 VRPV) noch ein Gesuch um Wiederherstellung
der Frist (Art. 31 VRPV). Was er gegen den kantonalen Entscheid vorbringt,
erschöpft sich vielmehr in appellatorischer Kritik. Auf die Beschwerde ist
mangels rechtsgenüglicher Begründung und wegen Verletzung der Rügepflicht
(siehe E. 1.1) nicht einzutreten.

4.
4.1 Daran ändern die Behauptungen des Beschwerdeführers nichts, er habe die
Aufforderung zum Kostenvorschuss infolge des wegen Auslandabwesenheit
veranlassten Poststopps "in der dritten Dekade des Augusts" abgeholt und
festgestellt, dass kein Einzahlungsschein mitgesandt worden sei, gleichentags
das Gericht angerufen und nach einem Einzahlungsschein verlangt, welchen er
aber erst am 29. August 2006 erhalten habe.

4.2 Ob diese - im Übrigen durch keinerlei Beweismittel untermauerten - neuen
Tatsachenbehauptungen im letztinstanzlichen Verfahren überhaupt vorgebracht
werden dürfen (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG), kann offen bleiben. Mit der vagen,
unsubstantiierten Behauptung, er habe "in der dritten Dekade des Augusts" die
abgestellte Post abgehoben, braucht sich das Bundesgericht nicht näher
auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer behauptet jedenfalls selbst nicht
ausdrücklich, er habe das angebliche Fehlen des Einzahlungsscheins vor
Fristablauf (25. August 2006) der Vorinstanz mitgeteilt und sie um
Fristerstreckung nach Art. 30 Abs. 2 VRPV ersucht oder diese habe ihm eine
falsche Auskunft erteilt. Nur in diesen Fällen könnte er allenfalls etwas zu
seinen Gunsten ableiten. Abgesehen davon, legt er auch in diesem Zusammenhang
nicht dar, inwiefern das kantonale Gericht Bundesrecht oder
verfassungsmässige Rechte verletzt haben soll.

4.3 Schliesslich kann der Beschwerdeführer aus dem Zurückbehaltungsauftrag -
wie die Vorinstanz bereits richtig festgehalten hat - ohnehin nichts zu
seinen Gunsten ableiten, gilt doch bei Vorliegen eines solchen eine
eingeschriebene Sendung als am letzten Tag einer Frist von sieben Tagen ab
Eingang bei der Poststelle am Ort des Empfängers als zugestellt (BGE 123 III
492 E. 1 S. 494). Daran hat sich mit der Änderung der Rechtsgrundlagen
bezüglich der Post nichts geändert (Urteil der I. Zivilabteilung des
Bundesgerichts vom 5. November 2002 in Sachen G., 4P.188/2002).

5.
Dem Ausgang entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
zugestellt.
Luzern, 1. Oktober 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: