Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 502/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_502/2007

Urteil vom 22. April 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Attinger.

Parteien
Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule, Zürich, Paulstrasse 9, 8400
Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

T.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Zanettin,
Advokaturbüro Ch. Möhr, Bahnhofstrasse 8, 9000 St. Gallen.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 31. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1944 geborene T.________ arbeitete vom 16. Oktober 2000 bis 31. März 2004
als Deckenmonteur/Equipenchef bei der Firma X.________ AG. Aufgrund dieses
Arbeitsverhältnisses war er bei der Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule,
Zürich (nachfolgend Winterthur-Columna) berufsvorsorgerechtlich versichert.
Nachdem er wegen einer chronischen Periarthropathie der linken Schulter und
einer beidseitigen chronischen ulnaren und radialen Epicondylalgie seine
angestammte Erwerbstätigkeit seit 5. Juni 2003 nicht mehr hatte ausüben können,
sprach ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen unter Zugrundelegung eines
Invaliditätsgrades von 70 % ab 1. Juni 2004 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu (Verfügung vom 27. August 2004).
Die Winterthur-Columna bejahte ebenfalls einen Anspruch auf eine volle
vorsorgerechtliche Invalidenrente ab 5. Juni 2005 (Ablauf der 24-monatigen
Wartefrist). Deren Berechnung wollte sie aufgrund ihres vom 1. April bis 31.
Dezember 2003 gültig gewesenen Vorsorgeplans vornehmen, wonach die Höhe der
vollen jährlichen Invalidenrente 7,2 % des im Pensionsalter voraussichtlich
vorhandenen Alterskapitals entspricht (Ziff. 2.2.1 Abs. 1). Demgegenüber
stellte sich T.________ auf den Standpunkt, es sei der seit 1. Januar 2004
geltende Vorsorgeplan heranzuziehen, welcher in seiner revidierten Ziff. 2.2.1
Abs. 1 nunmehr vorsieht, dass die Höhe der vollen jährlichen Invalidenrente 40
% des versicherten Lohnes beträgt.

B.
Nachdem keine Einigung zustande gekommen war, reichte T.________ am 3. März
2006 beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die
Winterthur-Columna Klage ein auf Zusprechung einer jährlichen Invalidenrente in
der Höhe von Fr. 22'704.- (d.h. nach dem ab 1. Januar 2004 geltenden
Vorsorgeplan), zuzüglich eines Zinses von 5 % ab Klageeinreichung.
Das Sozialversicherungsgericht hiess die Klage mit Entscheid vom 31. Mai 2007
vollumfänglich gut und verpflichtete die Winterthur Columna zur Ausrichtung der
beantragten Invalidenrente ab 5. Juni 2005 samt Zins von 5 % ab 3. März 2006.

C.
Die Winterthur-Columna führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Abweisung der vorinstanzlich
eingereichten Klage. Das kantonale Gericht habe zu Unrecht auf den ab 1. Januar
2004 geltenden Vorsorgeplan abgestellt. Weil bereits ab 5. September 2003 der
reglementarische Anspruch auf Befreiung von der Beitragszahlung entstanden sei
und dieser Zeitpunkt allgemein den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen
markiere, sei der damals (ab 1. April 2003) gültig gewesene Vorsorgeplan
heranzuziehen.
Während T.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 13. August 2007 erteilte der Instruktionsrichter der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Bei einer Änderung gesetzlicher Vorschriften sind grundsätzlich diejenigen
materiellen Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 215 E 3.1.1 S. 220 mit
Hinweis). Dieser allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz gilt auch im Bereich
der beruflichen Vorsorge, namentlich bei Reglements- und Statutenänderungen
(BGE 127 V 309 E. 3b S. 314 mit Hinweisen). Bei der Festsetzung von
Invalidenleistungen sind grundsätzlich die Reglementsbestimmungen massgebend,
welche im Zeitpunkt der Entstehung des Leistungsanspruchs gelten und nicht
jene, die bei Beginn der - in der Folge invalidisierenden - Arbeitsunfähigkeit
(vgl. Art. 23, Art. 26 Abs. 1 BVG) in Kraft waren (BGE 121 V 97). Eine
Abweichung hievon müsste sich aus den Übergangsbestimmungen des alten oder des
neuen Vorsorgereglementes oder aber daraus ergeben, dass nach den
Reglementsbestimmungen der Zeitpunkt der Entstehung des Leistungsanspruchs mit
dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zusammenfällt.

3.
3.1 Weder das Vorsorgereglement der Beschwerde führenden Winterthur-Columna (in
der ab 1. Juli 2002 geltenden Ausgabe) noch die beiden hier in Frage stehenden
Vorsorgepläne (gültig ab 1. April 2003 bzw. ab 1. Januar 2004, welche nach
ihrer jeweiligen Ziff. 1.7 Bestandteil des Vorsorgereglementes bilden)
enthalten übergangsrechtliche Bestimmungen, die ein Abgehen von der hievor
dargelegten Rechtsprechung zuliessen. Ebenso wenig fällt nach den
reglementarischen Bestimmungen der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf
eine Invalidenrente (oder derjenige auf die Beitragsbefreiung) mit dem Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit zusammen. Vielmehr übernimmt das Vorsorgereglement der
Beschwerdeführerin die Regelung von Art. 23 lit. a BVG, indem es in Ziff. 20.3
bestimmt, dass "der Anspruch auf Invaliditätsleistungen (...) in jedem Fall
voraus(setzt), dass die versicherte Person bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit,
deren Ursache zur Invalidität geführt hat, auf Grund dieses Vorsorgereglementes
versichert war". Ferner lehnt sich das Reglement der Winterthur-Columna
weitgehend an Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
(in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) an, wenn es in Ziff. 21.1 den
Anspruch auf die Invalidenrente und in Ziff. 23.1 denjenigen auf die
Beitragsbefreiung erst nach Ablauf einer "Wartefrist" entstehen lässt, deren
Dauer gemäss Ziff. 20.4 Abs. 1 im jeweiligen Vorsorgeplan festgelegt ist und im
Falle der Invalidenrente 24 Monate, bei der Beitragsbefreiung 3 Monate beträgt
(je Ziff. 2.2.1 Abs. 2 und Ziff. 2.2.3 der beiden hier zur Diskussion stehenden
Vorsorgepläne).

3.2 Nach den zitierten reglementarischen Bestimmungen lässt sich der von der
Winterthur-Columna eingenommene Standpunkt, wonach mit Ablauf der dreimonatigen
Wartezeit am 5. September 2003 nicht nur der Anspruch auf die Befreiung von der
Beitragszahlung, sondern gleichsam der allgemeine "Leistungsanspruch aus
Invalidität" und daher auch derjenige auf eine Invalidenrente entstanden sei,
nicht halten. Die Wartezeiten, welche bis zur Entstehung der beiden im
Vorsorgereglement gesondert geregelten Ansprüche "Invalidenrente" (Ziff. 21)
und "Beitragsbefreiung" (Ziff. 23) ablaufen müssen, sind in den erwähnten
Vorsorgeplänen klar angegeben und unterscheiden sich nach dem Gesagten deutlich
voneinander (jeweilige Ziff. 2.2.1 Abs. 2 und Ziff. 2.2.3).
Allerdings "entstand" die - hier allein streitige - Berechtigung auf eine
Invalidenrente nicht erst am 5. Juni 2005 (nach Ablauf einer 24-monatigen
Arbeitsunfähigkeit), wie aufgrund der bisher zitierten Reglementsbestimmungen
gefolgert werden könnte. Vielmehr ist Ziff. 20.4 Abs. 3 des Vorsorgereglementes
zu beachten, welcher wie folgt lautet:
"Beträgt die vereinbarte Wartefrist 24 Monate und sollten im Falle einer
Invalidität infolge Krankheit die Krankentaggeldleistungen nicht für die Dauer
von 24 Monaten erbracht werden, so werden die Invaliden- und
Invaliden-Kinderrenten ab dem Tag gewährt, ab dem die Krankentaggeldleistung
erlischt, frühestens aber ab dem Zeitpunkt des IV-Rentenanspruches."
Aufgrund dieser Reglementsbestimmung ergibt sich, dass der materiellrechtliche
Rentenanspruch - in Übereinstimmung mit Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) - am
5. Juni 2004 entstand, nachdem der Beschwerdegegner während eines Jahres ohne
wesentlichen Unterbruch arbeitsunfähig gewesen war. Mit der Ausdehnung der
Wartezeit auf 24 Monate hat die Winterthur-Columna (bloss) von der durch Art.
26 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 26 BVV 2 eingeräumten Befugnis Gebrauch
gemacht und den Beginn ihrer Rentenzahlungen bis zur Erschöpfung des
Taggeldanspruchs gegenüber der Krankenversicherung hinausgeschoben. Dass der
eigentliche reglementarische Rentenanspruch jeweils bereits nach einjähriger
Wartezeit entsteht, ist schon daraus zu schliessen, dass die angeführte Ziff.
20.4 Abs. 3 des Vorsorgereglementes unter den genannten Voraussetzungen
vorsieht, die Invalidenrenten schon vor Ablauf der 24-monatigen Wartezeit zu
"gewähren". Eine derartige vorgezogene Rentenausrichtung ist aber nur möglich,
wenn der materiellrechtliche Rentenanspruch eben bereits entstanden ist.

3.3 Ist die Rentenberechtigung als solche am 5. Juni 2004 entstanden, hat die
Vorinstanz die Berechnung dieser reglementarischen Invalidenleistung zu Recht
nach dem ab 1. Januar 2004 geltenden Vorsorgeplan vorgenommen. Gemäss dessen
Ziff. 2.2.1 Abs. 1 beträgt die Höhe der vollen jährlichen Invalidenrente 40 %
des versicherten Lohnes, welcher sich laut dem von der Winterthur-Columna
ausgestellten persönliche Ausweis (gültig ab 1. Januar 2004) auf Fr. 56'760.-
belief. Die mit angefochtenem Entscheid ab 5. Juni 2005 zugesprochene
Invalidenrente von Fr. 22'704.- pro Jahr (Fr. 56'760.- x 0,4) lässt sich ebenso
wenig beanstanden wie die Verpflichtung der Winterthur-Columna, auf den
fälligen Rentenbetreffnissen einen Verzugszins von 5 % ab Klageeinreichung vom
3. März 2006 zu entrichten (BGE 119 V 131).

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerde führenden Winterthur-Columna als
unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

5.
5.1 Gemäss Art. 68 Abs. 2 BGG wird die unterliegende Partei in der Regel
verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des
Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu
ersetzen. Laut Art. 1 und 2 Abs. 1 des Reglements über die Parteientschädigung
und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem
Bundesgericht vom 31. März 2006 (SR 173.110.210.3) umfasst die der obsiegenden
Partei zustehende Parteientschädigung die Anwaltskosten und allfällige weitere
notwendige Kosten, die durch den Rechtsstreit verursacht werden, wobei die
Anwaltskosten das Honorar und die notwendigen Auslagen des Anwaltes oder der
Anwältin umfassen.

5.2 Die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners reichte am 21. Dezember 2007
eine Zusammenstellung ihrer Bemühungen ins Recht, wonach sie für das
letztinstanzliche Verfahren insgesamt 11,2 Stunden à Fr. 250.- aufgewendet
habe, was ein Anwaltshonorar von Fr. 2800.- ergibt. Zusammen mit den
Barauslagen von Fr. 38.60 und der Mehrwertsteuer beläuft sich die Kostennote
der Anwältin auf gesamthaft Fr. 3054.35. Der vorliegende Rechtsstreit hat
indessen unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Arbeitsleistung und des
dafür benötigten Zeitaufwands keine übermässigen Anforderungen gestellt. Ebenso
wenig kann gesagt werden, dass es sich bei der Streitsache um eine überaus
schwierige Angelegenheit gehandelt hätte, die ein Abweichen vom praxisgemässen
Normalansatz rechtfertigen würde. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände
scheint eine Entschädigung von Fr. 2500.- (Honorar, Auslagenersatz und
Mehrwertsteuer) für das bundesgerichtliche Verfahren als durchaus angemessen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Winterthur-Columna Sammelstiftung
2. Säule, Zürich, auferlegt.

3.
Die Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule, Zürich, hat den
Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2500.- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. April 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer i.V. Schüpfer