Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 466/2007
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


9C_466/2007
Urteil vom 25. Januar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

A. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
4. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene A.________ war seit 1988 bei der Firma X.________ als
Lagermitarbeiter tätig. Am 29. März 2004 zog er sich bei einem Treppensturz
in Serbien eine Wirbelkörperfraktur LWK1 und einen Knöchelbruch am linken
Fussgelenk zu. Unter Hinweis auf seither bestehende Rückenbeschwerden meldete
er sich am 8. März 2005 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Die IV-Stelle des Kantons Luzern tätigte berufliche und medizinische
Abklärungen, zog die Akten der Unfallversicherung, beinhaltend unter anderem
ein in deren Auftrag vom Institut C.________ am 5. Juli 2005 erstattetes
Gutachten, bei, und wies das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 13. Januar
2006 mangels rentenbegründender Invalidität ab. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 2. März 2006 fest.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Luzern hiess die von A.________ hiegegen
erhobene Beschwerde, mit der er die Zusprechung einer ganzen Rente
beantragte, mit Entscheid vom 4. Juni 2007 teilweise gut, hob den
Einspracheentscheid vom 2. März 2006 auf und verpflichtete die IV-Stelle, ihm
ab 1. März 2005 eine halbe Rente auszurichten. Zu Lasten der IV-Stelle Luzern
sprach es A.________ eine reduzierte Parteientschädigung von pauschal
Fr. 1'000.- (einschliesslich Auslagen und Mehrwertsteuer) zu
(Dispositiv-Ziffer 2).

C.
A.________ lässt hiegegen Beschwerde führen und beantragen, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und ihm sei ab 1. März 2005 eine ganze IV-Rente bei
einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % zuzusprechen. Ferner sei
Dispositiv-Ziffer 2 aufzuheben und ihm eine Parteientschädigung von
mindestens Fr. 2'500.- zuzusprechen.

Die IV-Stelle und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Beschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Im Hauptpunkt streitig und zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer ab 1. März
2005 eine höhere als eine halbe Invalidenrente der Invalidenversicherung
zusteht. Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung dieses Anspruchs
einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Als erstes ist die Frage zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass
der Beschwerdeführer noch arbeitsfähig ist.

3.1 Der Versicherte kann seinen bisherigen Beruf als Lagermitarbeiter wegen
den Rückenbeschwerden unbestrittenermassen nicht mehr ausüben. Die Vorinstanz
hat jedoch in sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere
des Gutachtens des Instituts C.________ vom 5. Juli 2005, festgestellt, dass
er in einer leichten und leidensangepassten Tätigkeit zu 75 % arbeitsfähig
ist. Was der Beschwerdeführer gegen diese Sachverhaltsfeststellung vorbringen
lässt, dringt nicht durch:
3.1.1 Dass das genannte Gutachten die von der Rechtsprechung aufgestellten
Anforderungen an eine beweistaugliche und beweiskräftige Expertise (BGE 125 V
351 E. 3a S. 352) erfüllt, wird auch vom Beschwerdeführer anerkannt. Der
Einwand, die Vorinstanz habe bei der Beweiswürdigung ausgeklammert, dass die
Expertise nicht von der IV-Stelle, sondern der Unfallversicherung in Auftrag
gegeben wurde, stösst ins Leere. Dem Gutachten kann ohne Weiteres entnommen
werden, dass der Sachverständige die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit unter
Berücksichtigung sämtlicher - also auch der unfallfremden - Beschwerden
vorgenommen hat. So hält er bei der Beantwortung der Fragen in Ziff. 5.1
ausdrücklich fest, dass bei den aktuellen Beschwerden im Bereich des Rückens
die Fraktur wahrscheinlich die alleinige Mitursache sei. In Ziff. 5.3 führt
er zudem aus, dass eine Differenzierung der Schmerzen (in vorbestehende und
unfallbedingte) nicht vorgenommen werden könne. Dass der Beschwerdeführer
aufgrund weiterer unfallfremder Beschwerden in seiner Leistungsfähigkeit
beeinträchtigt sein soll, wird von ihm im Übrigen weder geltend gemacht noch
geht solches aus den Akten hervor.

3.1.2 Die Vorinstanz hat den scheinbaren Widerspruch zwischen den Antworten
des Gutachtens in Ziff. 8.3 (75 %-ige Arbeitsfähigkeit bei einer leichten und
gut adaptierten Tätigkeit) und Ziff. 8.6 (uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit
bei einer Arbeit ohne irgendwelche rückenbelastenden Tätigkeiten) plausibel
aufgelöst und ist zu Gunsten des Beschwerdeführers von der höheren
Einschränkung ausgegangen. Inwiefern diese vorinstanzliche Würdigung
qualifiziert falsch sein soll, legt der Versicherte nicht dar.

3.1.3 Auch die weiteren Vorbringen gegen die Zumutbarkeitsbeurteilung sind
unbegründet. Es sind keine Gründe ersichtlich, die der Bejahung der
Zumutbarkeit im Einzelfall in invalidenversicherungsrechtlich erheblicher
Weise entgegen stünden, was nach der Rechtsprechung zu den
invaliditätsfremden Gründen, welche die versicherte Person an der Aufnahme
oder weiteren Ausübung einer gesundheitlich zumutbaren Erwerbstätigkeit
hindern, ohnehin nur in sehr engem Rahmen der Fall ist (BGE 132 V 393 E. 3.2
S. 398). Die aktenkundigen Dauerschmerzen sind entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers im Rahmen des Gutachtens berücksichtigt worden.

3.2 Nach dem Gesagten ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorin stanz,
wonach der Beschwerdeführer in einer leichten und leidensangepassten
Tätigkeit zu 75 % arbeitsfähig ist, weder offensichtlich unrichtig noch
beruht sie auf einer Rechtsverletzung und bleibt daher für das Bundesgericht
verbindlich (vgl. E.1).

4.
Es bleibt zu prüfen, wie sich diese leidensangepasste Arbeitsfähigkeit
erwerblich auswirkt. Das kantonale Gericht hat anhand eines in allen Teilen
überzeugenden und der Rechtsprechung entsprechenden Einkommensvergleichs
einen Invaliditätsgrad von 52 % ermittelt, womit Anspruch auf eine halbe
Rente besteht.

4.1 Das auf Fr. 81'585.- bezifferte Valideneinkommen wird vom
Beschwerdeführer nicht beanstandet.

4.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers gegen das vom kantonalen Gericht auf
Fr. 39'022.- bezifferte Invalideneinkommen sind nicht stichhaltig:
4.2.1 Da der Versicherte seit dem Unfall nicht mehr erwerbstätig war, hat die
Vorinstanz bei der Berechnung des Invalideneinkommens zu Recht auf die LSE
abgestellt (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475). Dass sie dabei auf die
standardisierten Bruttolöhne für die ganze Schweiz gemäss LSE 2004 TA 1 und
nicht auf die in der Grossregion Zentralschweiz erhobenen Werte abgestellt
hat, entspricht der Rechtsprechung, hat doch das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Beschluss des Gesamtgerichts vom 10. November 2005
die Berücksichtigung regionaler Löhne von Grossregionen gemäss TA 13 der LSE
abgelehnt, da die versicherte Person ihre Resterwerbsfähigkeit nicht bloss in
einer bestimmten Region zu verwerten vermag (in SZS 2007 S. 64 publiziertes
Urteil I 424/05 vom 22. August 2006, E.3.2.3, vgl. Urteil U 56/03 vom 7. Juni
2006), woran auch im Falle des Beschwerdeführers festzuhalten ist.

4.2.2 Der Beschwerdeführer beanstandet den von der Vorinstanz gewährten
Leidensabzug von 10 % als zu niedrig. Die Gewährung des leidensbedingten
Abzuges (vgl. dazu BGE 126 V 75) ist indessen eine typische Ermessensfrage,
deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist,
wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 132
V 393 E. 3.3 S. 399). Das trifft hier nicht zu.

4.2.3 Ob das Gericht schliesslich als Basis zu Unrecht den monatlichen
Bruttolohn aller Sektoren (Fr. 4'588.-) statt den etwas tieferen Wert des
Sektors 3, Dienstleistungen (Fr. 4'251.-), angenommen hat, braucht nicht
entschieden zu werden, da dies auf das Ergebnis keinen Einfluss hat. Es würde
sich mit Fr. 36'155.- (Fr. 4'251.- x 12, auf 41,6 Wochenstunden um- und die
Teuerung eingerechnet, Leidensabzug 10 % und davon entsprechend der
Restarbeitsfähigkeit 75 %) ein Invalideneinkommen ergeben, das im Vergleich
mit dem Valideneinkommen zwar zu einem höheren, aber immer noch nur zu einer
halben Rente berechtigenden Invaliditätsgrad von rund 56 % führen würde.

5.
Im Nebenpunkt beanstandet der Beschwerdeführer die ihm im kantonalen
Verfahren zugesprochene reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'000.- als zu
tief. Dieser Einwand ist berechtigt. Der Beschwerdeführer hat im
vorinstanzlichen Verfahren formell zwar in der Tat nur teilweise (wobei die
Vorinstanz das Ausmass nicht näher spezifizierte) obsiegt, indem ihm nur -
aber immerhin - eine halbe statt der beantragten ganzen Rente zugesprochen
wurde. Nach der in Rentenangelegenheiten ergangenen Rechtsprechung
rechtfertigt dort, wo das Quantitative einer Leistung streitig ist, eine
"Überklagung" eine Reduktion der Parteientschädigung nur, wenn das
ziffernmässig bestimmte Rechtsbegehren den Prozessaufwand beeinflusst hat
(BGE 117 V 401 E. 2c S. 407; EVGE 1967 S. 215 E. 3a). Bildet der
invalidenversicherungsrechtliche Rentenanspruch an sich den Anfechtungs- und
Streitgegenstand, rechtfertigt demgemäss der Umstand allein, dass der
Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren abweichend von dem auf eine ganze
oder höhere Teilrente gerichteten Rechtsbegehren keine ganze oder eine
geringere Teilrente als beantragt zugesprochen erhält, noch keine Reduktion
der Parteientschädigung (Urteil I 246/96 vom 24. Februar 1997, E. 5d/cc; vgl.
Urteil I 1/03 vom 15. April 2003, E. 6). Vorliegend befasste sich die
vorinstanzliche Beschwerde mit dem Rentenanspruch an sich; der Aufwand war
nicht vom beantragten Umfang der Rente beeinflusst. Die Parteientschädigung
durfte somit nicht allein mit dem Hinweis auf das bloss teilweise Obsiegen
reduziert werden.

6.
Der Beschwerdeführer ist vor Bundesgericht im Hauptpunkt (höhere Rente) nicht
durchgedrungen, hat hingegen bezüglich der Parteientschädigung für das
kantonale Verfahren obsiegt. Dieses Resultat ist als teilweises - wenn auch
geringfügiges - Obsiegen zu betrachten, weshalb dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor Bundesgericht eine (reduzierte) Parteientschädigung zusteht
(Art. 68 Abs. 2 BGG) und die Gerichtskosten den Parteien anteilsmässig
auferlegt werden (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass
Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 4. Juni 2007 aufgehoben wird. Die Sache wird an die Vorinstanz
zurückgewiesen, damit diese über die dem Beschwerdeführer zustehende
Parteientschädigung im kantonalen Verfahren im Sinne der Erwägungen neu
entscheide. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 400.-
und der Beschwerdegegnerin Fr. 100.- auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
der Y.________ AHV-Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Januar 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Maillard