Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 465/2007
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9C_465/2007
9C_473/2007

Urteil vom 20. Dezember 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

9C_465/2007
Ausgleichskasse des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdeführerin,

gegen

H.________,
K.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Schuler, Talacker 50, 8001
Zürich,

und

9C_473/2007
H.________,
K.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Schuler, Talacker 50, 8001
Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.

Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom
31. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 23. Juni 2000 fusionierte die Firma A.________ AG mit vier von ihr als
Beteiligung gehaltenen Gesellschaften zur Firma B.________ AG. Sitz der Firma
war Zug. Mitglieder des Verwaltungsrates waren G.________ als Präsident mit
Einzelzeichnungsberechtigung sowie H.________ und K.________ mit
Kollektivunterschrift zu Zweien. Die Firma B.________ AG war der
Ausgleichskasse Zug angeschlossen. Am 7. Juli 2000 meldete die Firma eine
Lohnpauschalsumme pro Jahr von Fr. 1'358'000.-. Gestützt darauf leistete sie
monatliche Akonto-Zahlungen. Gemäss Bescheinigung vom 21. März 2001 wurde im
Zeitraum Juli bis Dezember 2000 eine Lohnsumme von Fr. 926'483.15
abgerechnet.
Am 26. Februar 2002 wurde über die Firma B.________ AG der Konkurs eröffnet.
Dabei kam die Ausgleichskasse zu Verlust. Mit Verfügungen vom 23. Juli 2004
verpflichtete sie neben G.________ auch H.________ und K.________ als
ehemalige Verwaltungsräte der konkursiten Firma zur Bezahlung von
Schadenersatz von je Fr. 253'631.55 für entgangene
Sozialversicherungsbeiträge des Bundes sowie nach kantonalem Recht. Mit
Einspracheentscheid vom 27. Juli 2005 bestätigte die Ausgleichskasse die
Schadenersatzpflicht im Grundsatz, reduzierte aber den Forderungsbetrag auf
Fr. 200'108.35.

B.
Die Beschwerde von H.________ und K.________ hiess die
Sozialversicherungsrechtliche Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
mit Entscheid vom 31. Mai 2007 insoweit gut, als es den Schadenersatzbetrag
auf Fr. 120'891.20 reduzierte (Dispositiv-Ziffer 1) und eine
Parteientschädigung von Fr. 3'000.- zusprach (Dispositiv-Ziffer 3).

C.
Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 31. Mai 2007 sei
aufzuheben und H.________ sowie K.________ seien zu verpflichten,
Schadenersatz in der Höhe von Fr. 200'108.35 zu bezahlen (Verfahren
9C_465/2007).

Ebenfalls lassen H.________ und K.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und materiell beantragen, der
Entscheid vom 31. Mai 2007 sei aufzuheben und sie seien von jeglicher
Schadenersatzpflicht zu befreien (Verfahren 9C_473/2007).

Das kantonale Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerden.
H.________ und K.________ lassen sich im Verfahren 9C_465/2007 nicht
vernehmen, während die Ausgleichskasse im Verfahren 9C_473/2007 Festhalten an
der Schadenersatzpflicht beantragt.

Erwägungen:

1.
Die II. sozialrechtliche Abteilung ist zuständig zum Entscheid über die
streitige Schadenersatzpflicht nach Art. 52 AHVG, in der bis 31. Dezember
2002 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung (Art. 82 lit. a BGG sowie
Art. 35 lit. a des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006
[BGerR]). Dies gilt auch, soweit die Forderung entgangene Beiträge an die
kantonale Familienausgleichskasse nach dem Gesetz vom 16. Dezember 1982 über
die Kinderzulagen (BGS/ZG 844.4) betrifft. Gemäss Art. 34 lit. e BGerR fallen
zwar die kantonalen Sozialversicherungen (insbesondere Familien- und
Kinderzulagen) in die Zuständigkeit der I. sozialrechtlichen Abteilung. Es
ist indessen aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll, dass die II. Abteilung
auch über die Schadenersatzpflicht entscheidet, soweit sie entgangene
Sozialversicherungsbeiträge nach kantonalem Recht betrifft.

2.
Die Beschwerden richten sich gegen denselben letztinstanzlichen kantonalen
Entscheid, es liegt ihnen der nämliche Sachverhalt zu Grunde und es stellen
sich die gleichen Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich daher, die Verfahren
9C_465/2007 und 9C_473/2007 zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu
erledigen (BGE 128 V 124 E. 1 S. 126 mit Hinweisen; Urteil 9C_55+122/2007 vom
17. Oktober 2007).

3.
H.________ und K.________ beantragen die Sistierung des Verfahrens bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den ehemaligen
Verwaltungsratspräsidenten der am 26. Februar 2002 in Konkurs gefallenen und
am 6. Oktober 2005 von Amtes wegen gelöschten Firma B.________ AG. Das
kantonale Gericht hat dasselbe Begehren in der vorinstanzlichen Replik mit
Verfügung vom 17. Mai 2006 abgewiesen, was das damalige Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Urteil vom 16. August 2006 (H 98/06) bestätigte. Es
besteht aufgrund der Akten und mit Blick auf die nachstehenden materiellen
Erwägungen kein Anlass, im letztinstanzlichen Verfahren anders zu
entscheiden.

4.
Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu
enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Diesem
Erfordernis genügt die Eingabe von H.________ und K.________ nicht, soweit es
um die Schadenersatzpflicht für entgangenen Beiträge an die kantonale
Familienausgleichskasse geht. Es wird auch nicht ansatzweise dargelegt,
inwiefern der angefochtene Entscheid insoweit Bundesrecht, Völkerrecht oder
kantonale verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG). Insoweit
ist auf ihre Beschwerde daher nicht einzutreten.

5.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder auf Rüge hin
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG)
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so
weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen
an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

6.
Im angefochtenen Entscheid wird die Rechtsprechung zur subsidiären Haftung
der Organe einer juristischen Person nach Art. 52 AHVG, in der bis 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (BGE 123 V 12 E. 5b S. 15 mit
Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu betonen ist, dass
die subsidiäre Organhaftung keine Kausalhaftung darstellt, sondern immer ein
qualifiziertes Verschulden mindestens in Form von grober Fahrlässigkeit
voraussetzt (Urteil H 211/04 vom 17. März 2005 E. 2 mit Hinweisen).

7.
Das kantonale Gericht hat eine Schadenersatzpflicht von H.________ und
K.________ als ehemalige Verwaltungsräte der Konkurs gegangenen Firma
B.________ AG im Grundsatz bejaht. In masslicher Hinsicht hat es den von der
Ausgleichskasse auf Fr. 200'108.35 bezifferten Forderungsbetrag auf
Fr. 120'891.20 reduziert. Diese Summe entspricht den ausgebliebenen
Akonto-Zahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2001 von jeweils
Fr. 16'749.80 zuzüglich Kosten für Mahnungen und Betreibungen sowie
Verzugszins von Fr. 3'642.60.

8.
Die ins Recht Gefassten bestreiten grundsätzlich eine Schadenersatzpflicht.

8.1 Der Schaden sei nicht ausreichend substanziiert worden. Insbesondere sei
unklar, welche Löhne effektiv an welche Arbeitnehmer im massgeblichen
Zeitraum 2001 bezahlt worden seien. Die Lohnsummenangabe in der Bilanz per
30. November 2001, auf welche die Vorinstanz abgestellt habe, sei nicht
aussagekräftig. Daraus ergebe sich nicht, wieviel beitragspflichtiges Salär
tatsächlich geflossen sei. Die Höhe des Schadens sei nicht erstellt, der
Betrag von Fr. 200'108.35 offensichtlich unrichtig. Dass die Bilanz per 30.
November 2001 keine zuverlässige Grundlage für die Bestimmung des
massgeblichen Beitragssubstrats bilden könne, ergebe sich auch daraus, dass
im Herbst 2001 monatlich Lohnkosten von Fr. 30'000.- budgetiert gewesen
seien. Abgesehen davon anerkenne auch die Vorinstanz, dass laut Protokoll der
Sitzung vom 19. Dezember 2001 Lohnzahlungen teilweise reduziert ausgeführt
worden seien.
Die Vorbringen zur Höhe des Schadens sind, soweit sie nicht neu und daher
unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG), nicht stichhaltig. Vorab räumen die am
Recht stehenden ehemaligen Verwaltungsräte selber ein, dass eine ordentliche
Arbeitgeberkontrolle für das Geschäftsjahr 2001 nicht habe durchgeführt
werden können, weil die Unterlagen unvollständig gewesen seien. Daraus ergibt
sich jedoch nichts zu ihren Gunsten, würde doch sonst die
Schadenersatzpflicht in vielen Fällen weitgehend ihres Sinnes entleert.
Abgesehen davon tun sie nicht dar, inwiefern die Unvollständigkeit der
Unterlagen nicht in ihren Verantwortlichkeitsbereich fallen sollte.
Schliesslich betrafen die im Herbst 2001 budgetierten monatlichen Lohnkosten
von Fr. 30'000.- lediglich einen Zweigbetrieb (Store Glattbrugg) der Firma.
Daraus kann daher nicht abgeleitet werden, die auf Grund der Bilanz per
30. November 2001 festgesetzte Gesamtlohnsumme und der daraus errechnete
Schaden seien offensichtlich unrichtig.

8.2 Sodann fehle es an einem schadenersatzrechtlich relevanten Verschulden
sowie am adäquaten Kausalzusammenhang. Der Präsident des Verwaltungsrates
habe - laut vorinstanzlicher Beschwerde im Sommer 2001 - eine Bestätigung der
Bank S.________ vom 29. August 2000 im Original präsentiert. Danach sei
auftragsgemäss das Callgeld von Fr. 5,5 Mio. auf Fr. 4 Mio. reduziert worden;
der Betrag von Fr. 1,5 Mio. werde Valuta 30. August 2000 und der Zins für den
Restbetrag von Fr. 4 Mio. mit einem Zinssatz von 2,5 % und bei Auflösung des
Callgeldes das gesamte Kapital und die restlichen Zinsen dem laufenden Konto
der Firma gutgeschrieben. Auf Grund des Originalbelegs hätten sie sinngemäss
darauf vertrauen dürfen, dass jederzeit genügend Liquidität vorhanden wäre,
um allfällige offene Beitragsschulden innert gebotener Frist begleichen zu
können. Der Bankbeleg entschuldige ihr Verhalten. Sie würden exkulpiert. Im
Übrigen hätten sie sofort gehandelt, als sie den Ernst der Lage erkannt
hätten. Indessen habe der Verwaltungsratspräsident entgegen den
Vereinbarungen Zahlungen an die Firma im Januar und Februar 2002 abgezogen
und zweckentfremdet. Wegen dieser Machenschaften könne ihnen kein
massgebliches Verschulden vorgeworfen werden. Das strafrechtlich relevante
Verhalten des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten sowie die Fälschung des
Bankbeleges durch eine - noch - unbekannte Person hätten den adäquaten
Kausalzusammenhang unterbrochen.

Auch diese Vorbringen sind unbehelflich.

8.2.1 Der fragliche Bankbeleg datierte vom 29. August 2000, somit weniger als
eineinhalb Monate nachdem die Firma am 23. Juni 2000 aus der Fusion der Firma
A.________ AG mit vier von dieser als Beteiligung gehaltenen Firmen
entstanden war. Nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz war die
Liquidität der neuen Gesellschaft sehr angespannt. Gemäss dem Bericht der
Revisionsstelle vom 13. Februar 2001 war die Holdinggesellschaft am 31.
Dezember 1999 überschuldet gewesen. Schon dieser Umstand musste Zweifel an
der Echtheit des erwähnten Bankbelegs wecken. Abgesehen davon konnte ein von
Ende August 2000 datierender Bankbeleg keine Garantie dafür bilden, dass die
Firma ihrer Beitragsabrechnungs und -zahlungspflicht gegenüber der Alters-
und Hinterlassenenversicherung 2001 tatsächlich nachkommen werde. In diesem
Zusammenhang wird nicht geltend gemacht, die fraglichen Millionenbeträge
seien auch buchhalterisch erfasst und ausgewiesen worden. Anderseits steht
fest, dass die ordentliche Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2000
entgegen der gesetzlichen und statutarischen Regelung nicht innerhalb der
ersten sechs Monate 2001 stattgefunden hatte. Entsprechend erfuhren die am
Recht stehenden ehemaligen Verwaltungsräte erst im Dezember 2001 von der
desolaten finanziellen Situation der Gesellschaft. Das Vertrauen auf
genügende Liquidität für die jederzeitige Begleichung von Beitragsausständen
unter solchen Umständen als Entschuldigungsgrund zu anerkennen, würde in
vielen Fällen die Sorgfaltspflichten einer juristischen Person und deren
Organe betreffend die Abrechnung und Bezahlung der paritätischen Beiträge
ihres Sinnes entleeren.

8.2.2 Schliesslich trifft auf Grund der Akten zwar zu, dass die am Recht
stehenden ehemaligen Verwaltungsräte sofort handelten, als sie im Dezember
2001 den Ernst der Lage erkannt hatten. Die in der vorinstanzlichen
Beschwerde erwähnten (Sanierungs-)Massnahmen müssen indessen im folgenden
Sinne als verspätet resp. ungeeignet oder zumindest ungenügend bezeichnet
werden. Nach dem in E. 8.2.1 Gesagten durften sie spätestens im Sommer 2001
keinerlei Vertrauen in die Person des Verwaltungsratspräsidenten mehr haben.
Bereits damals und nicht erst Ende Jahr wäre ein energisches Eingreifen
angezeigt gewesen, zumal sie um die Bedeutung der Pflichten der Firma
gegenüber der AHV und um die diesbezügliche Verantwortung gegenüber den
Angestellten sowie die Gefahr einer Schadenersatzpflicht im
Unterlassungsfalle wissen mussten. Sie hätten daher entweder gestützt auf
einen entsprechenden Beschluss der Generalversammlung die
Einzelzeichnungsberechtigung des Verwaltungsratspräsidenten aufheben oder
sofort aus dem Verwaltungsrat ausscheiden müssen. Indem sie sich trotz des
nachhaltig erschütterten Vertrauensverhältnisses mit der Erklärung zufrieden
gaben, dass Zahlungsaufträge nur noch mit Zustimmung eines zweiten
Verwaltungsrates erfolgen dürften, kamen sie der nach den Umständen gebotenen
verstärkten AHV-rechtlichen Überwachungs- und Kontrollpflicht nicht genügend
nach. Dass und soweit im Januar und Februar 2002 tatsächlich Guthaben der
Firma vom Verwaltungsratspräsidenten abgezogen oder zweckentfremdet wurden,
stellt daher keinen Entschuldigungsgrund dar, selbst wenn jener in
strafrechtlich relevanter Weise vorgegangen sein sollte. Es besteht
demzufolge auch kein Anlass, das Verfahren bis zum Abschluss der
polizeilichen und allenfalls strafrechtlichen Ermittlungen zu sistieren (E.
3). Die bei der Frage des Verschuldens sowie des adäquaten
Kausalzusammenhangs erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist,
soweit substanziiert, offensichtlich unbegründet.
Die Beschwerde von H.________ und K.________ ist somit abzuweisen.

9.
Das kantonale Gericht hat die Reduktion des von der Ausgleichskasse
ermittelten Forderungsbetrages von Fr. 200'108.35 auf Fr. 120'891.20 wie
folgt begründet: Der Schaden gründe zum einen in den fehlenden Leistungen für
die Monate Juni bis Dezember 2001 und zum andern in der Nichtanpassung der
monatlichen Pauschalen durch die Ausgleichskasse. Gemäss dem seit 1. Januar
2001 in Kraft stehenden Art. 35 Abs. 2 AHVV sei zwar der Arbeitgeber
verpflichtet, wesentliche Änderungen der Lohnsumme schon während des
laufenden Jahres zu melden. Es sei unbestritten, dass die Konkurs gegangene
Firma es versäumt habe, die höheren Lohnzahlungen zu melden. Diese
Unterlassung könne den ins Recht gefassten ehemaligen Verwaltungsräten jedoch
nicht als qualifiziertes Verschulden angerechnet werden. Auf Grund der von
der Ausgleichskasse am 26. März 2001 visierten AHV-Lohnbescheinigung vom 1.
Juli bis 31. Dezember 2000 über eine abgerechnete Lohnsumme von
Fr. 926'483.15 oder umgerechnet auf ein ganzes Jahr von ca. Fr. 1,85 Mio.,
hätte die Kasse ohne weiteres feststellen können, dass die im Juli 2000
gemeldete provisorische Jahreslohnsumme von Fr. 1'358'004.- eindeutig zu tief
gewesen sei. Sie hätte daher ihrerseits Anpassungen vornehmen können und
müssen. In diesem Sinne treffe sie ein Selbstverschulden für die Entstehung
des Schadens im die vereinbarten Akonto-Zahlungen übersteigenden Ausmass.
Die Ausgleichskasse rügt, das kantonale Gericht habe ihr nicht Gelegenheit
gegeben, zum Vorwurf eines Selbstverschuldens Stellung zu nehmen. Damit liege
aber eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie eine
falsche Anwendung von Bundesrecht durch die Vorinstanz vor. Mit zwei im
Dezember 2000 und Mai 2001 versandten Schreiben habe sie die Firma ersucht,
eine allfällige wesentliche Änderung der Jahreslohnsumme gegenüber 2000 zu
melden. Das erste Schreiben sei unbeantwortet geblieben. Das Schreiben vom
22. Mai 2001, in welchem auf die erhebliche Abweichung der im Juli 2000
gemeldeten von der im März 2001 mitgeteilten tatsächlich abgerechneten
Lohnsumme Juli bis Dezember 2000 hingewiesen worden sei, habe die Firma
unterzeichnet zurückgesandt mit dem Vermerk «keine Anpassung im Moment; wir
werden allfällige höhere Lohnsummen selber melden». Sie habe somit alles ihr
Zumutbare unternommen, um die genauen Lohnzahlen zu eruieren und die
monatlichen Beitragsrechnungen nötigenfalls anzupassen. Im vorinstanzlichen
Verfahren sei die Frage der Anpassung der Akonto-Beiträge nicht Thema
gewesen, weshalb sie es versehentlich unterlassen habe, die erwähnten beiden
Schreiben aufzulegen.

9.1 Beabsichtigt eine gerichtliche Behörde, ihren Entscheid mit einer
Rechtsnorm zu begründen oder einem Rechtsgrund zu unterlegen, die im
bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurden, auf die sich die Parteien
nicht berufen haben und mit deren Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht
rechnen mussten, ist ihnen das rechtliche Gehör zu gewähren und die
Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 128 V 272
E. 5b/bb S. 278 mit Hinweisen).

In der vorinstanzlichen Replik wurde der Ausgleichskasse vorgeworfen, sie
habe es unterlassen, die nicht (recte: lediglich zu zweien)
zeichnungsberechtigten beide Verwaltungsräte schriftlich darauf aufmerksam zu
machen, dass Gefahr drohe und Handlungsbedarf bestehe. Die Kasse bezeichnete
in der Duplik diesen Vorhalt als unbegründet, was das kantonale
Verwaltungsgericht u.a. mit dem Hinweis darauf bestätigte, das Gesetz sehe
keine diesbezügliche Informationspflicht der Kassen vor. Darüber hinaus war
die Frage eines allfälligen Mitverschuldens der Ausgleichskasse, welches zu
einer Herabsetzung der Schadenersatzpflicht führen kann, nicht Prozessthema
vor Vorinstanz. Insbesondere hatten die ins Recht gefassten
Schadenersatzpflichtigen auch nicht sinngemäss geltend gemacht, die
Ausgleichskasse hätte entsprechend der im März 2001 gemeldeten abgerechneten
Lohnsumme Juli bis Dezember 2000 die Akonto-Beiträge erhöhen müssen. Sah die
Vorinstanz in dieser Unterlassung ein zur Herabsetzung der
Schadenersatzpflicht Anlass gebendes Mitverschulden der Verwaltung, hätte sie
den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Die in diesem
Verfahren nachgereichten Dokumente, insbesondere das von der Firma
unterschrieben retournierte Schreiben der Ausgleichskasse vom 22. Mai 2001,
sind somit zu berücksichtigen. Sie stellen vom angefochtenen Entscheid
veranlasste neue Beweismittel im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG dar.

9.2 Nach der Rechtsprechung kann ein zur Herabsetzung der
Schadenersatzpflicht führendes Mitverschulden der Ausgleichskasse nur bei
grober Pflichtverletzung, namentlich bei Missachtung elementarer Vorschriften
der Beitragsveranlagung und des Beitragsbezuges, angenommen werden (AHI 2002
S. 52 E. 3b [H 200/01] mit Hinweisen).

9.2.1 Im Schreiben vom 22. Mai 2001 betreffend die Anpassung der pauschalen
AHV-Beiträge 2001 führte die Ausgleichskasse unter Hinweis auf Art. 35 Abs. 2
AHVV aus: «Wir haben festgestellt, dass die Jahreslohnsumme 2000 im Vergleich
zur provisorischen Jahreslohnsumme 2001 um mehr als 100'000 Franken abweicht.
Damit wesentliche Lohnsummendifferenzen während des Jahres ausgeglichen
werden können, bitten wir Sie, die nachfolgend auf ihre Firma zutreffende
Situation zu kennzeichnen und uns dieses Schreiben bis 31. Mai 2001 ergänzt
zu retournieren.» Von den drei angegebenen Möglichkeiten («Anpassen der
provisorischen Jahreslohnsumme 2001 auf Fr. ...», «keine Anpassung, da die
aktuelle provisorische Lohnsumme der heutigen Jahreslohnsumme entspricht»,
«keine Anpassung im Moment; wir werden allfällig höhere monatliche Lohnsummen
selber melden») kreuzte die Firma die dritte Variante an.

9.2.2 Es steht fest, dass die im März 2001 bescheinigte abgerechnete
Lohnsumme Juli bis Dezember 2000 von Fr. 926'483.15 - unter Berücksichtigung
eines anteilsmässigen 13. Monatsgehalts - umgerechnet auf ein Jahr mehr als
35 % der im Juli 2000 gemeldeten voraussichtlichen Jahreslohnsumme von
Fr. 1'358'004.- ausmachte. Wenn die Ausgleichskasse davon absah, die gemessen
an der Lohnsumme für das zweite Halbjahr 2000 zu tiefen Akonto-Zahlungen
entsprechend nach oben anzupassen, stellt dies keine grobe Pflichtverletzung
dar, welche eine Herabsetzung der Schadenersatzpflicht wegen Mitverschuldens
rechtfertigte. Die gegenteilige Auffassung vertrüge sich nicht mit Art. 35
Abs. 2 AHVV, wie die Ausgleichskasse zu Recht vorbringt. Danach haben die
Arbeitgeber wesentliche Änderungen der Lohnsumme während des laufenden Jahres
zu melden. Diese Vorschrift war der Firma bekannt. Die Ausgleichskasse
zitierte sie ausdrücklich im Schreiben vom 22. Mai 2001. Gleichzeitig wies
sie darauf hin, dass die (abgerechnete) Jahreslohnsumme 2000 im Vergleich zur
(Grundlage der Akonto-Zahlungen bildenden) provisorischen Jahreslohnsumme
2001 um mehr als 100'000 Franken abweiche. Aufgrund der Antwort («keine
Anpassung im Moment; wir werden allfällig höhere monatliche Lohnsummen selber
melden») durfte die Verwaltung ohne weiteres davon ausgehen, dass die
aktuellen Lohnzahlungen keine Anpassung der Akonto-Beiträge erforderten.

Der Ausgleichskasse kann somit kein Mitverschulden angelastet werden, welches
eine Herabsetzung der Schadenminderungspflicht in masslicher Hinsicht
rechtfertigte. Die Forderungssumme beträgt somit Fr. 200'108.35 gemäss
Einspracheentscheid vom 27. Juli 2005. Die Beschwerde der Ausgleichskasse ist
somit begründet.

10.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Schadenersatzpflichtigen
die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 9C_465/2007 und 9C_473/2007 werden vereinigt.

2.
Das Sistierungsbegehren wird abgewiesen.

3.
Die Beschwerde von H.________ und K.________ wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

4.
Die Beschwerde der Ausgleichskasse Zug wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 1
des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, vom 31. Mai 2007 wird dahingehend
abgeändert, dass die Höhe des Schadenersatzes auf Fr. 200'108.35 festgesetzt
wird, Dispositiv-Ziffer 3 wird aufgehoben.

5.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 7'000.- werden H.________ und K.________
zu gleichen Teilen auferlegt.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 20. Dezember 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler