Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 417/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_417/2007

Urteil vom 30. April 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Parteien
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4002 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Nicolai Fullin,
Spalenberg 20, 4001 Basel.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
23. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
S.________ (geboren 1954) war seit 1972 ohne Berufsabschluss im Pflegebereich
tätig. Zuletzt arbeitete sie mit einem Pensum von 80 % als Pflegehilfe für den
Verein X.________, welcher das Arbeitsverhältnis auf den 30. April 2004
auflöste. Am 11. Oktober 2004 meldete sich S.________ bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach verschiedenen Abklärungen,
insbesondere nach Einholung eines Gutachtens des Dr. med. F.________, FMH
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 20. März 2006 lehnte die IV-Stelle
Basel-Stadt nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 22.
November 2006 die Ausrichtung einer Invalidenrente ab. Zur Begründung führte
sie an, es bestehe weder ein rentenbegründender Invaliditätsgrad noch sei die
gesetzliche Wartefrist erfüllt.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt mit Entscheid vom 23. Mai 2007 gut und wies die Sache zum Erlass
einer neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück.

C.
Die IV-Stelle Basel-Stadt führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides
sei die Verfügung vom 22. November 2006 zu bestätigen.

S.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht - hier Art. 29 IVG - von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch
an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art.
97).

2.
2.1 Nach Art. 28 Abs. 1 IVG besteht bei einem Invaliditätsgrad von mindestens
70 % Anspruch auf eine ganze Rente. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens
60 % beträgt der Rentenanspruch 3/4, von mindestens 50 % 1/2 und bei einem
solchen von mindestens 40 % 1/4 einer ganzen Rente.

2.2 Der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG entsteht laut Art. 29 Abs. 1 IVG
frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte mindestens zu 40 % bleibend
erwerbsunfähig (Art. 7 ATSG) geworden ist (lit. a) oder während eines Jahres
ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig
(Art. 6 ATSG) gewesen war (lit. b).

3.
Das kantonale Gericht hat in medizinischer Hinsicht entscheidend auf das
Gutachten des Dr. med. F.________ vom 20. März 2006 abgestellt und
festgehalten, in medizinisch-theoretischer Hinsicht und in Bezug auf die
Arbeitsunfähigkeit könne vollumfänglich auf dieses Gutachten abgestellt werden.
In diesem Gutachten stellt Dr. med. F.________ als Diagnose eine depressive
Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 34.1) und einen Äthylabusus, zur Zeit
abstinent (ICD-10 F 10.20). Seit September 2003 könne höchstens von einer
dauerhaften Arbeitsunfähigkeit von 30 % ausgegangen werden. Angesichts dieser
Einschätzung der zumutbaren Restarbeitsfähigkeit, von welcher auch das
kantonale Gericht ausgegangen ist, wendet die Beschwerdeführerin zu Recht ein,
dass bis zum massgebenden Zeitpunkt der Verfügung ein Rentenanspruch gar nie
entstanden sein konnte. Das kantonale Gericht hat die Voraussetzung für den
Rentenanspruch nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ausser Acht gelassen, wonach ein
Rentenanspruch erst entsteht, wenn die versicherte Person während eines Jahres
ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig
gewesen war. Eine solch durchschnittliche Mindestarbeitsunfähigkeit während der
einjährigen Wartezeit ist aufgrund des schlüssigen Gutachtens des Dr. med.
F.________ vom 20. März 2003 nicht ausgewiesen. Die Beschwerdegegnerin hat
damit keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. Der anderslautende
vorinstanzliche Entscheid verletzt Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG und damit
Bundesrecht. Was hiegegen die Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung
vorbringen lässt, ist unbegründet. Soweit sie neue Tatsachen und Beweismittel
einreichen lässt, sind diese nach Art. 99 Abs. 1 BGG unzulässig. Sowohl im
Vorbescheid wie auch in der Verfügung hat die Beschwerde führende IV-Stelle
festgehalten, die fachmedizinischen Abklärungen hätten ergeben, dass eine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, in angestammter als auch in alternativer
Tätigkeit, von höchstens 30 % medizinisch ausgewiesen und die gesetzliche
Wartefrist nicht erfüllt sei, da die erforderlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt seien. Daran ändert nichts, dass die IV-Stelle die Ablehnung des
Rentengesuchs zur Hauptsache mit dem von ihr vorgenommenen Einkommensvergleich
begründet hat.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin als unterliegende
Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Kosten des
vorinstanzlichen Verfahrens sind neu ebenfalls der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (Art. 67 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 23. Mai 2007 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.- für das vorinstanzliche Verfahren wird der
Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. April 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Lustenberger Nussbaumer