Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 402/2007
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9C_402/2007

Urteil vom 18. Juli 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung, Rechtsdienst,
Bundesplatz 15, 6003 Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

W.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Beistand L.________,

Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
16. Mai 2007.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 5. Dezember 2005 verneinte die Concordia Schweizerische
Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Concordia) ab 25. Juli 2005
eine Akutspitalbedürftigkeit der W.________ (geb. 1987), die sich seit 2.
September 2004 in stationärer Behandlung in der Klinik X.________ befand. Die
Versicherte sei als chronisch-kranke Psychiatrie-Patientin zu beurteilen und
ab 25. Juli 2005 sei ausschliesslich die Vergütung einer Pflegetaxe von
Fr. 79.- pro Tag geschuldet. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom
22. Februar 2006 fest.

Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 16. Mai 2007 gut und verpflichtete die Concordia,
der Versicherten für ihren Aufenthalt in der Klinik X.________ vom 25. Juli
2005 bis 28. April 2006 den Spitaltarif auszurichten.

Die Concordia führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien die Verfügung
und der Einspracheentscheid zu bestätigen. Ferner sei der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff.
BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007
N 24 zu Art. 97).

1.2 Sachverhaltsfeststellungen sind Feststellungen aufgrund eines
Beweisverfahrens, namentlich auch Feststellungen über innere oder psychische
Tatsachen, wie z.B. was jemand wusste oder nicht wusste (Seiler/von
Werdt/Güngerich, a.a.O., N 12 zu Art. 97; BGE 124 III 182 E. 3 S. 184).
Rechtsfrage sind demgegenüber das richtige Verständnis von Rechtsbegriffen
und die Subsumption des Sachverhalts unter die Rechtsnormen (Seiler/von
Werdt/Güngerich, a.a.O., N 13 zu Art. 97).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über
die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 24
ff. KVG) bei stationärer Spitalbehandlung zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt
für die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Akutspital- und Pflegebedürftigkeit
im Sinne von Art. 49 und 50 KVG (BGE 126 V 323, 124 V 362; RKUV 2000 Nr. KV
139 S. 365 E. 2b). Zu wiederholen ist, dass die Leistungspflicht für
stationäre Behandung zunächst voraussetzt, dass sich die versicherte Person
in einem Spital (d.h. einer Anstalt oder deren Abteilung) aufhält, das der
stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung
von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dient (Art. 39 Abs. 1 KVG).
Des Weiteren muss eine Krankheit vorliegen, welche eine Akutbehandlung oder
medizinische Rehabilitation unter Spitalbedingungen erforderlich macht.
Spitalbedürftigkeit in diesem Sinne ist einerseits dann gegeben, wenn die
notwendigen diagnostischen und therapeutischen Massnahmen nur in einem Spital
zweckmässig durchgeführt werden können, anderseits auch dann, wenn die
Möglichkeiten ambulanter Behandlung erschöpft sind und nur noch im Rahmen
eines Spitalaufenthaltes Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht. Dabei
kann eine Leistungspflicht für den Spitalaufenthalt auch dann bestehen, wenn
der Krankheitszustand der versicherten Person einen solchen nicht unbedingt
erforderlich macht, die medizinische Behandlung jedoch wegen besonderer
persönlicher Lebensumstände nicht anders als im Spital durchgeführt werden
kann (BGE 126 V 326 E. 2b mit Hinweisen; Urteile K. vom 26. August 2004, K
53/04, und B. vom 27. November 2006, K 68/06).

3.
Streitig ist die Spitalbedürftigkeit der Beschwerdegegnerin in der Zeit vom
25. Juli 2005 bis zum Klinikaustritt am 28. April 2006.

3.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung der Stellungnahmen des
Vertrauensarztes Dr. med. B.________, des Oberarztes der Klinik X.________,
Dr. med. U.________, und des Heimleiters des Wohnheims M.________
festgestellt, dass die Versicherte nicht zur Pflege, sondern zur Akut- und
Subakutbehandlung und zur Rehabilitation in der Klinik X.________ weilte und
nach Erreichen eines befriedigenden Behandlungserfolges entlassen wurde. Der
in der Klinik X.________ erzielte Behandlungserfolg werde durch die
Ausführungen des Heimleiters des Wohnheims M.________ im Schreiben vom 12.
April 2006 deutlich. Die Versicherte habe ein Jahr vorher im Wohnheim nicht
aufgenommen werden können. Ein Jahr später seien die Veränderungen auf gute
Weise anlässlich der Schnupperwoche spür- und erlebbar geworden. Damit sei
die Behandlungsfähigkeit und entsprechend die Behandlungsbedürftigkeit in
einem Akutspital dieser noch jungen Versicherten hinlänglich dargetan. Das
Ziel der Akuthospitalisation, die Verbesserung des psychischen
Zustandsbildes, sei entgegen der Beurteilung des Vertrauenspsychiaters der
Krankenkasse erreicht worden. Schliesslich sei der Aufenthalt in der Klinik
X.________ auch in Bezug auf diagnostische Abklärungen notwendig gewesen.

3.2 Die Tatsachenfeststellung des kantonalen Gerichts, wonach die Versicherte
in der Klinik X.________ in einer Weise behandelt worden ist, die in einem
geschlossenen Heim nicht möglich gewesen wäre, was der erzielte
Behandlungserfolg zeige, ist entgegen der Auffassung der Concordia nicht
offensichtlich unrichtig. Vielmehr erfolgte die Feststellung der Tatsachen in
differenzierter und nachvollziehbarer Würdigung der verschiedenen ärztlichen
Stellungnahmen und des Heimleiters des Wohnheims.

3.3 Gestützt auf die verbindlichen Tatsachenfeststellungen hat das kantonale
Gericht die Rechtsprechung zur Spitalbedürftigkeit korrekt angewendet. Damit
liegt kein Rechtsfehler vor (Art. 95 lit. a BGG). Der Entscheid des
kantonalen Gerichts ist damit rechtens.

4.
Da sogleich in der Hauptsache entschieden wird, ist das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

5.
Die unterliegende Concordia trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Concordia auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 18. Juli 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: