Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 352/2007
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9C_352/2007

Urteil vom 6. November 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

1.  K.________, 1973,
vertreten durch Rechtsanwalt S.________,
2. S.________, Rechtsanwalt,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid der
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau
vom 14. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1973 geborene K.________ meldete sich im Januar 2004 bei der
Invalidenversicherung und ersuchte um eine Rente. Die IV-Stelle des Kantons
Thurgau klärte die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab. Mit
Verfügung vom 9. März 2006 lehnte sie das Leistungsbegehren mangels
anspruchsbegründender Invalidität ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 22. November 2006 fest. Mit Verfügung vom 23. November 2006 verneinte die
IV-Stelle den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das
Einspracheverfahren.

B.
K.________ liess durch Rechtsanwalt S.________ bei der
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau Beschwerde erheben und
beantragen, der Einspracheentscheid vom 22. November 2006 und die Verfügung
vom 23. November 2006 seien aufzuheben und ihr ab 1. Januar 2001 eine ganze
Invalidenrente zuzusprechen und die unentgeltliche Verbeiständung für das
Einspracheverfahren zu gewähren.
Nach Vernehmlassung der IV-Stelle, Bewilligung der unentgeltlichen
Verbeiständung für das kantonale Verfahren und nach Durchführung eines
zweiten Schriftenwechsels hiess die Rekurskommission die Beschwerde teilweise
gut. Sie wies die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheides vom
22. November 2006 zur Ergänzung der Akten und anschliessender Neuverfügung im
Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Dispositiv-Ziffer 1) und sprach
K.________ resp. ihrem Rechtsvertreter eine Parteientschädigung von Fr. 750.-
und eine Entschädigung zu Lasten des Staates von Fr. 600.- zu
(Dispositiv-Ziffer 2; Entscheid vom 14. Mai 2007).

C.
Rechtsanwalt S.________ führt im Namen und im Auftrag von K.________ sowie in
eigenem Namen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Rechtsbegehren, der Entscheid vom 14. Mai 2007 sei insofern aufzuheben, als
die unentgeltliche Verbeiständung für das Einspracheverfahren verweigert und
für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren nicht eine Parteientschädigung
für volles Obsiegen in der Höhe der belegten Aufwendungen samt Auslagen von
Fr. 2245.45 zugesprochen werde; im Weitern sei die unentgeltliche
Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht zu bewilligen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es um einen Vor- oder
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (zur Publikation in der Amtlichen
Sammlung bestimmtes Urteil 9C_15/2007 vom 25. Juli 2007 E. 4.2). Die
Beschwerde ist somit zulässig, wenn er - alternativ - einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Der zweite Tatbestand spielt
hier keine Rolle. Ein Urteil des Bundesgerichts über den Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege für das Einspracheverfahren sowie die Höhe der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren und damit zusammenhängend der
Entschädigung für die unentgeltliche Verbeiständung führte nicht sofort zu
einem Endentscheid in der Sache.

2.
2.1 Ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachender
Nachteil ist rechtlicher Natur und auch mit einem für die Beschwerde führende
Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar (Urteile
4A_85/2007 vom 11. Juni 2007 E. 3.1 und 4A_92/2007 vom 8. Juni 2007 E. 2 mit
Hinweis auf die im Zusammenhang anwendbare Rechtsprechung zu Art. 87 Abs. 2
aOG gemäss BGE 126 I 97 E. 1b S. 100). Die Rückweisung der Sache an die
Verwaltung zu ergänzender oder weiterer Abklärung und neuer Entscheidung
bewirkt in der Regel keinen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht
wieder gutzumachenden Nachteil (erwähntes Urteil 9C_15/2007 vom 25. Juli 2007
E. 5.2.1 und 5.2.2 sowie Urteil I 126/07 vom 6. August 2007 E. 1.2).
Die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen in einem
Rückweisungsentscheid stellt ebenfalls einen Vor- oder Zwischenentscheid im
Sinne von Art. 93 BGG dar. Auch insofern ist der nicht wieder gutzumachende
Nachteil zu verneinen, da über die Verteilung der Gerichts- und Parteikosten
nicht befunden werden kann, ohne vorfrageweise die Begründetheit der
Rückweisung zu prüfen, was unzulässig ist (BGE 122 I 39 E. 1a/aa S. 41 mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 131 III 404 E. 3.3 S. 407).

2.2 Im Lichte dieser Grundsätze ist die Beschwerde unzulässig, soweit die
Höhe der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren beanstandet und
gerügt wird, der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid hätte kostenmässig als
vollständiges und nicht nur teilweises Obsiegen behandelt werden müssen. Von
dieser Frage wiederum hängt die Höhe einer allfälligen Entschädigung für die
unentgeltliche Verbeiständung ab. Auf die diesbezüglichen Rügen in der
Beschwerde kann daher ebenfalls nicht eingetreten werden. Daran ändert
nichts, dass das Honorar für die unentgeltliche Verbeiständung dem
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin persönlich zusteht (BGE 110 V 360 E. 2
S. 363; vgl. auch BGE 122 I 322 E. 3b S. 325). Schliesslich ist ein im Sinne
von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachender Nachteil auch in
Bezug auf die verweigerte unentgeltliche Verbeiständung für das
Einspracheverfahren zu verneinen. Dieses Verfahren ist bereits abgeschlossen
und der Rechtsvertreter hat seine Arbeit bereits getan.
Es droht somit nicht die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin durch die
Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung ihre Rechte nicht wahrnehmen
kann, sondern es geht nur noch um die nachträglich zu beantwortende Frage,
von wem der Rechtsanwalt honoriert wird. Das im Rückweisungsurteil
Entschiedene wird mit Bezug auf die verweigerte unentgeltliche Rechtspflege
für das Einspracheverfahren sowie die Höhe der Parteientschädigung und damit
zusammenhängend des Honorars für die unentgeltliche Verbeiständung im
vorinstanzlichen Verfahren durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar
sein (Art. 93 Abs. 3 BGG). Gelangt der Streit nicht mehr vor das kantonale
Gericht, beispielsweise wenn die IV-Stelle auf Grund der Ergebnisse der
weiteren Abklärungen voll zu Gunsten der Versicherten entscheidet, kann gegen
deren Verfügung oder Einspracheentscheid direkt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben und können
die betreffenden Punkte gerügt werden (vgl. BGE 122 I 39 E. 1a/bb S. 42 f.
mit Hinweis).

2.3 Die Beschwerde ist somit unzulässig und darauf ist nicht einzutreten.

3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Verbeiständung für das
letztinstanzliche Verfahren kann entsprochen werden. Die Voraussetzungen nach
Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG sind gegeben. Insbesondere ist mit Blick auf die
seit 1. Januar 2007 unter der Herrschaft des BGG insofern geänderte
Rechtslage, als Rückweisungsentscheide kantonaler Versicherungsgerichte nicht
mehr selbständig anfechtbar sind (vgl. zur früheren Rechtsprechung statt
vieler BGE 113 V 159), auch das Erfordernis der Nichtaussichtslosigkeit des
Prozesses als erfüllt zu betrachten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt
S.________ für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 6. November 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler