Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 349/2007
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9C_349/2007

Urteil vom 2. November 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

W. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen vom 2. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
W. ________, geboren 1951, ist als Landwirt selbstständig erwerbstätig und
freiwillig bei der Vorsorgestiftung der schweizerischen Landwirtschaft
berufsvorsorgeversichert. Im Jahre 2004 leistete er für den Einkauf von
Versicherungsjahren eine Einmaleinlage von Fr. 50'000.-. Mit
Nachtragsverfügung vom 15. Juni 2006 setzte die Ausgleichskasse des Kantons
St. Gallen die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge des Jahres 2004 auf der
Grundlage des von der Steuerverwaltung gemeldeten Einkommens aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 117'599.- fest, wobei sie für die
Einmaleinlage keinen Abzug zuliess. Die von W.________ mit dem Antrag auf
Abzug der halben Einkaufssumme (Fr. 25'000.-) erhobene Einsprache wies die
Ausgleichskasse am 10. November 2006 ab.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die hiegegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 2. Mai 2007 ab.

C.
W.________ führt Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und das AHV-beitragspflichtige Einkommen sei um Fr. 25'000.- zu
reduzieren.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
beantragen Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegeneheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen
(Art. 107 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

2.
Der Beschwerdeführer hat im Jahre 2004 unbestrittenermassen eine Einlage von
Fr. 50'000.- in die 2. Säule getätigt. Streitig ist, ob die Hälfte dieser
Einlage AHV-rechtlich abzugsfähig ist.

3.
Die Beitragsveranlagung entspricht der von der Steuerverwaltung getätigten
Steuermeldung.

3.1 Grundsätzlich besteht eine Bindung der AHV-Behörden an die Steuermeldung
(Art. 23 Abs. 4 AHVV). Diese entfällt jedoch, wenn im Steuerverfahren kein
Anlass für die Erhebung eines Rechtsmittels bestand (BGE 110 V 369 E. 3b S.
373; ZAK 1992 S. 36 E. 5a). In dieser Konstellation ist nach der
Rechtsprechung eine selbstständige Prüfung der den angefochtenen
Beitragsverfügungen zu Grunde liegenden Steuerfaktoren möglich (ZAK 1992 S.
36 E. 5a).

3.2 Im Steuerverfahren wurde der gesamte Einkauf unter Ziff. 16.3 der
Steuererklärung zum Abzug vom gesamten Einkommen des Ehepaares zugelassen
(Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG und analoge kant. Vorschriften). Der
Beschwerdeführer hatte deshalb keinen Anlass, die Steuerveranlagung
anzufechten, weshalb keine Bindung an die Steuermeldung besteht.

4.
4.1 Nach Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG werden die persönlichen Einlagen in
Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, soweit sie dem üblichen
Arbeitgeberanteil entsprechen, vom beitragspflichtigen rohen Einkommen
abgezogen. Für die Ausscheidung und das Ausmass der nach Art. 9 Abs. 2 lit.
a-e AHVG zulässigen Abzüge sind die Vorschriften über die direkte
Bundessteuer massgebend (Art. 18 Abs. 1 AHVV). Kraft dieses Verweises gilt
auch für den Abzug in der AHV grundsätzlich Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG, wonach
die gemäss Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und
Beiträge an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von den Einkünften
abgezogen werden. Der in Art. 18 Abs. 1 AHVV enthaltene Verweis auf das
Steuerrecht steht jedoch unter dem Vorbehalt anderslautender Vorschriften im
AHVG. Ein solcher der bundessteuerrechtlichen Ordnung derogierender Umstand
ist unter dem Gesichtspunkt des Normzweckes sowie der angestrebten
Gleichbehandlung Unselbstständig- und Selbstständigerwerbender darin zu
erblicken, dass gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG ein Abzug vom rohen
Einkommen lediglich in der Höhe des "üblichen Arbeitgeberanteils" zulässig
ist (BGE 129 V 293 E. 3.2.2.4 S. 299), was gemäss der gesetzeskonformen (BGE
132 V 209 E. 5 und 6 S. 213 f.) Rz. 1104 der Wegleitung über die Beiträge der
Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO (WSN)
in analoger Anwendung von Art. 66 Abs. 1 BVG einen Abzug nur zur Hälfte
gestattet. Entgegen der früheren Fassung der WSN können unter die
abzugsfähigen Einlagen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG auch die
Einlagen zum Einkauf fehlender Versicherungsjahre fallen (BGE 129 V 293;
Urteil H 109/01 vom 22. Mai 2003).

4.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, der Abzug sei nur zulässig, wenn der
Einkauf zwingend vorgeschrieben sei, entsprechend der aufgrund von BGE 129 V
293 geänderten bzw. neu aufgenommenen Rz. 1103 und 1104.1 WSN. Im zur
Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil 9C_136/2007 vom 11.
Oktober 2007 hat das Bundesgericht jedoch festgehalten, dass bei
Selbstständigerwerbenden vom rohen Einkommen nicht nur die aufgrund einer
reglementarischen oder statutarischen Verpflichtung geleisteten, sondern auch
die freiwillig erbrachten, von den Statuten oder vom Reglement der
Vorsorgeeinrichtung bloss ermöglichten Einlagen in die berufliche Vorsorge,
gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG abgezogen werden können (E. 2.4 des
genannten Urteils).

4.3 Aufgrund der in E. 4.2 dargestellten Rechtsprechung ist die Zulässigkeit
des hier strittigen Abzuges zu bejahen. Die Beschwerde ist begründet. Vom
gemeldeten (steuerrechtlichen) Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
ist somit die Hälfte der Einkaufssumme (Fr. 25'000.-) abzuziehen.

5.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdegegnerin auferlegt
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 2. Mai 2007 und der Einspracheentscheid der
Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen vom 10. November 2006 werden
aufgehoben. Die Sache wird an die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen, damit sie die Beiträge für das Jahr 2004 im Sinne der
Erwägungen neu festsetze.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 2. November 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Maillard