Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 347/2007
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9C_347/2007

Urteil vom 6. März 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

T. ________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Massimo Aliotta, Obergasse 20, 8400 Winterthur,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1962 geborene T.________ arbeitete seit 1996 als Gipser. Nach einem
Arbeitsunfall vom 23. Februar 2001 leidet er an anhaltenden Rückenschmerzen
(chronisches lumbovertebrales, intermittierend lumbospondylogenes Syndrom).
Am 21. Februar 2002 meldete sich T.________ zum Leistungsbezug bei der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die
medizinischen und erwerblichen Verhältnisse ab und sprach dem Versicherten
eine auf den Zeitraum Februar 2002 bis April 2003 befristete ganze
Invalidenrente zu (durch Einspracheentscheid vom 12. Mai 2005 bestätigte
Verfügung vom 7. Januar 2005). Auf Beschwerde hin hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diesen Verwaltungsakt auf und
wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit sie dem Versicherten das
rechtliche Gehör gewähre (Entscheid vom 21. September 2005). In einem neuen
Einspracheentscheid vom 6. Juli 2006 (ohne vorgängige Verfügung) verneinte
die IV-Stelle den Rentenanspruch über Ende April 2003 hinaus wiederum.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 30. April 2007).

C.
T.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, die IV-Stelle sei, nach Aufhebung des
vorinstanzlichen und des Einspracheentscheids, zu verpflichten, ihm mit
Wirkung ab Mai 2003 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventuell sei die
IV-Stelle anzuweisen, ein verwaltungsunabhängiges medizinisches Gutachten
einzuholen. Der Beschwerdeführer ersucht ausserdem um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Bei der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
(Art. 82 ff. BGG) legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen,
wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl.
auch Art. 97 Abs. 1 BGG; ohne Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG und
Art. 105 Abs. 3 BGG), wozu auch die unvollständige (gerichtliche)
Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (Urteile 9C_40/2007 vom 31. Juli
2007, E. 1, und 9C_360/2007 vom 30. August 2007, E. 3; Ulrich Meyer, N 25, 36
und 58-61 zu Art. 105, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler
Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008) und die Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes als einer wesentlichen Verfahrensvorschrift gehört
(Urteile 8C_364/2007 vom 19. November 2007, E. 3.3; I 839/06 vom 17. August
2007, E. 3, und I 86/07 vom 29. März 2007, E. 3).

2.
Streitig und zu prüfen ist als Voraussetzung des Rentenanspruchs (Art. 28
IVG) der Invaliditätsgrad, insbesondere - im Rahmen der gesetzlichen
Kognition - die Frage, ob und in welchem Ausmass der Beschwerdeführer
arbeitsunfähig ist. Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung des
Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Insbesondere hat die Vorinstanz richtig festgehalten,
dass bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften oder befristeten
Invalidenrente die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen analog
anzuwenden sind (Art. 17 ATSG; BGE 131 V 164 E. 2.2 S. 165).

3.
3.1 Das kantonale Gericht führt im angefochtenen Entscheid aus, die von der
Verwaltung beigezogenen medizinischen Berichte (Gutachten der Rheumaklinik am
Spital Z.________ vom 20. Februar 2003 und vom 27. Mai 2004, psychiatrisches
Gutachten des Instituts I.________ vom 14. Oktober 2004) erwiesen sich als
zuverlässige Entscheidungsgrundlagen. Umstritten sei insbesondere die
Auffassung der rheumatologischen Sachverständigen, der Beschwerdeführer sei
wegen verminderter Belastbarkeit der Wirbelsäule in der angestammten schweren
Arbeit als Gipser nicht mehr arbeitsfähig, es könne ihm indes eine leichte
bis mittelschwere Arbeit, die nicht mit in vornübergeneigter Position
auszuführenden Verrichtungen oder mit dem Heben von Gewichten von mehr als 20
Kilogramm verbunden sei, zu einem vollen Pensum zugemutet werden. Wenn in
einem Bericht der Klinik B.________ vom 31. März 2004 davon die Rede sei, "in
leichter körperlicher Tätigkeit mit abwechselnder sitzender und stehender
Haltung" bestehe "sicherlich eine 50%ige Arbeitsfähigkeit", so besage dies,
dass diese Ärzte einen Mindestwert benennen, hingegen keine abschliessende
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit abgeben wollten. Bei den Konsultationen in
der Klinik B.________ hätten denn auch therapieorientierte Abklärungen und
nicht solche zur Arbeitsfähigkeit im Vordergrund gestanden. Eine eigentliche
Diskrepanz der medizinischen Beurteilungen bestehe daher nicht. Allerdings
stehe der Umstand, dass die Ärzte der Rheumaklinik am Spital Z.________ das
Heben von Gewichten von immerhin an die 20 Kilogramm als zumutbar
bezeichneten, im Gegensatz zur Empfehlung lediglich leichter,
wechselbelastender Arbeiten durch die Klinik B.________ und auch durch die
Rheumaklinik am Spital Z.________ selber. Ungeachtet dessen könne davon
ausgegangen werden, dass im Arbeitsmarkt auch Stellen zu finden seien, die
dem körperlich weniger anspruchsvollen Zumutbarkeitsprofil gemäss der Klinik
B.________ entsprächen. Aufgrund einer Gesamtwürdigung des medizinischen
Dossiers dürfe davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer spätestens
im Zeitpunkt der ersten rheumatologischen Begutachtung vom 31. Januar 2003
mindestens für leichte, wechselbelastende Tätigkeiten wieder vollständig
arbeitsfähig gewesen sei. Weiter müsse angenommen werden, dass sich bis zum
Erlass des Einspracheentscheids vom 6. Juli 2006 daran nichts geändert habe.

3.2
3.2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Verneinung einer
eigentlichen Diskrepanz der ärztlichen Stellungnahmen zur Arbeitsunfähigkeit
sei aktenwidrig. In der Tat führten die untersuchenden Ärzte der Klinik
B.________ auf Nachfrage der IV-Stelle hin aus, die im Bericht vom 31. März
2004 enthaltene Wendung, in leidensangepasster Tätigkeit bestehe "sicherlich"
eine Arbeitsfähigkeit von 50 Prozent, sei so zu verstehen, dass man sich nach
der Untersuchung vom 16. März 2004 auf eine entsprechende
Restarbeitsfähigkeit "festgelegt" habe (Schreiben vom 13. Januar 2006). Auch
wenn darin eine abschliessende Arbeitsfähigkeitsbeurteilung erblickt werden
sollte, durfte das kantonale Gericht - mit Blick auf die
Behandlungsorientierung der orthopädischen Untersuchung in der Klinik
B.________ sowie auf die unterschiedliche Begründungsdichte der in Frage
stehenden ärztlichen Stellungnahmen - auf die Feststellungen des Spitals
Z.________ (Gutachten vom 20. Februar 2003 und 27. Mai 2004) abstellen. Eine
diesbezügliche offensichtliche Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellung ist
nicht erkennbar.

3.2.2 Sofern es im Weiteren zutreffen sollte, dass die Expertise vom
20. Februar 2003 einen Widerspruch in sich birgt, indem bei der Umschreibung
der noch zumutbaren Tätigkeiten (namentlich der Festlegung der Hebe- bzw.
Traglimite) nicht auf die Ergebnisse eines gescheiterten Arbeitsversuchs
Rücksicht genommen worden ist - wobei allerdings auch invaliditätsfremde
Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben dürften -, so stellte dies allein
die grundsätzliche Anrechenbarkeit eines (unter Umständen nicht auch in
mittelschweren Tätigkeiten erzielbaren) Invalideneinkommens nicht in Frage.
Ebensowenig zu beanstanden ist, dass das kantonale Gericht Unsicherheiten bei
der Bezeichnung des Zumutbarkeitsprofils Rechnung trug, indem es ausführte,
im Arbeitsmarkt seien auch Stellen vorhanden, die einem restriktiveren
Anforderungsprofil, wie von den Ärzten der Klinik B.________ formuliert,
entsprächen. Die Feststellung einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in
leidensangepassten Tätigkeiten gewinnt dadurch vielmehr noch an
Verlässlichkeit. Der beschwerdeführerische Vorwurf an die Vorinstanz, diese
äussere sich unzulässigerweise zu Fragestellungen, die einzig durch Mediziner
zu beantworten sei, lässt ausser Acht, dass die Nachvollziehbarkeit der
gutachtlichen Überlegungen zu den zentralen Voraussetzungen der
Beweiswertigkeit gehört. Das kantonale Gericht hat an der beanstandeten
Stelle lediglich die Herleitung der massgebenden Schlussfolgerungen zur
Arbeitsfähigkeit nachvollziehend auf deren Substantiiertheit hin gewürdigt.

3.2.3 Auch hinsichtlich der Entwicklung des Gesundheitszustandes bis zum
Erlass des Einspracheentscheids vom 6. Juli 2006 ist keine offensichtliche
Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen auszumachen. Die Bezugnahme
auf den Bericht des Allgemeinmediziners Dr. M.________ vom
25. November/9. Dezember 2005, wonach sich der Gesundheitszustand in den
zurückliegenden zwei Jahren nicht verändert habe, ist entgegen der Auffassung
des Beschwerdeführers nicht schon deswegen unzulässig, weil nicht auch auf
die abweichende Meinung des Hausarztes bezüglich der Arbeitsfähigkeit
abgestellt wird. Die Einschätzung des Krankheitsverlaufs einerseits und die
leistungsbezogene Folgenabschätzung anderseits sind nicht voneinander
abhängig. Schliesslich bestehen keine Anhaltspunkte zur Annahme, die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung bezüglich des Krankheitsverlaufs im
gesamten massgebenden Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens
mache eine neue Begutachtung notwendig.

4.
4.1 Bezüglich der erwerblichen Umsetzung der funktionellen Folgen des
Gesundheitsschadens ging das kantonale Gericht von einem hypothetischen
Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) im Jahr 2003 von
Fr. 70'837.65 aus. Anhand von Tabellenlöhnen der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung ermittelte es sodann ein
Invalideneinkommen von Fr. 57'745.10. Selbst wenn davon noch 25 Prozent
abgezogen würden (Invalideneinkommen: Fr. 43'308.85), ergebe sich ein nicht
rentenbegründender Invaliditätsgrad von 39 Prozent.

4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das - aufgrund des letzten vor
Eintritt des Gesundheitsschadens effektiv erzielten Gehalts zu bemessende -
Valideneinkommen müsse um gewisse weitere Lohnbestandteile
(Ferienentschädigung, "Tageszulage") ergänzt werden. Zudem sei ihm - in
Abweichung von den Festlegungen von Verwaltung und Vorinstanz, welche eine
Kürzung des Tabellenlohns ablehnten bzw. die Frage offen liessen - bei der
Bemessung des Invalideneinkommens ein Abzug (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481;
126 V 75) in Höhe von 25 Prozent zu gewähren. Da weder das Alter des 1962
geborenen Beschwerdeführers noch dessen Ausländerstatus
(Niederlassungsbewilligung) in diesem Zusammenhang erheblich ins Gewicht
fallen und die leidensbedingten Einschränkungen weitgehend schon bei der
Festlegung der Arbeitsfähigkeit berücksichtigt wurden, kommt indes der
höchstmögliche Abzug von 25 Prozent nicht in Betracht. Selbst wenn der
Berechnung des Invaliditätsgrades - wie vom Beschwerdeführer in der
vorinstanzlichen Beschwerdeschrift verlangt - ein Valideneinkommen von
Fr. 76'995.65 zugrunde gelegt und vom statistisch ermittelten
Invalideneinkommen ein Abzug von 15 Prozent gemacht würde (was zu einem
Invalideneinkommen von Fr. 49'083.- führte), ergäbe dies immer noch einen
nicht rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 36 Prozent.

5.
Nach dem Gesagten ist im Rahmen der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis
(oben E. 1) nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht angenommen hat,
die für die Ermittlung der Invalidität massgebenden tatsächlichen Parameter
hätten sich mit Wirkung ab Mai 2003 in leistungsrevisionsrechtlich
bedeutsamer Weise verändert, so dass die Invalidenrente zu Recht nicht über
diesen Zeitpunkt hinaus ausgerichtet worden sei (vgl. oben E. 2).

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a und Art. 66 BGG).
Die unentgeltliche Rechtspflege kann nicht gewährt werden. Nach der
Rechtsprechung besteht auch bei Bedürftigkeit kein Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, soweit eine Rechtsschutzversicherung, ein
Verband oder eine Gewerkschaft für die Gerichts- und Anwaltskosten
tatsächlich aufkommt, wobei die entsprechenden Leistungen zugesichert sein
müssen (vgl. RKUV 2001 Nr. U 415 S. 92 E. 3a [U 297/00]; vgl. auch Urteil
U 66/04 vom 14. Oktober 2004, E. 8.3). Dies gilt auch dann, wenn die
Kostenübernahme seitens der Gewerkschaft als nur subsidiär bezeichnet wird.
Der Beschwerdeführer kann nicht als bedürftig im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG
gelten, andernfalls das durch den Mitgliederbeitrag versicherte
Prozesskostenrisiko auf den Staat überwälzt würde (Verfügung vom 16. November
2007 im Verfahren 9C_578/2007).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. März 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub