Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 342/2007
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9C_342/2007

Urteil vom 28. September 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Attinger.

P. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch das Centro Consulenze,
Direzione Centrale, Belpstrasse 11, 3007 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
30. April 2007.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 31. August 2006 verneinte die IV-Stelle Bern einen Anspruch
des 1950 geborenen P.________ auf eine Invalidenrente mangels eines
leistungsbegründenden Invaliditätsgrades.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 30. April 2007 ab.

P. ________ führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Zusprechung
einer Invalidenrente.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).

Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der
Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid
in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen
Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige
Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich einer allfälligen
rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die Rechtsprechung über
den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen
Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit
Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V 135
E. 2a und b S. 136) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass der seit
1994 im Gipsergeschäft A.________ als Gipser-Vorarbeiter tätige
Beschwerdeführer seinen bisherigen Beruf wegen eines Rückenleidens
(chronisches Lumbo- und Zervikovertebralsyndrom bei degenerativen
Veränderungen der Wirbelsäule) nur mehr in hälftigem Umfange auszuüben vermag
(wobei ihm der Arbeitgeber körperlich leichte Gipserarbeiten zuweist).
Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob der Versicherte mit der
Halbtagstätigkeit an seinem angestammten Arbeitsplatz bestmöglich
eingegliedert ist oder die ihm verbliebene Leistungsfähigkeit bei Verrichtung
einer leidensangepassten Tätigkeit mit höherem Arbeitspensum erwerblich
besser ausschöpfen könnte.

3.2 Der Hausarzt des Beschwerdeführers, Dr. K.________, antwortete in seinem
Bericht vom 9. November 2005 auf die Frage, "welche andern, dem Leiden
angepassten Tätigkeiten (...) in welchem Ausmass noch zumutbar" seien,
dahingehend, dass er dies "als Mediziner schlicht nicht beantworten" könne;
"eine Arbeitsplatzanalyse könnte hier weiterhelfen". Die vom behandelnden
Allgemeinpraktiker damit angeregte ergänzende Abklärung (durch medizinische
Fachpersonen bzw. solche der beruflichen Eingliederung) unter Einschluss
einer eigentlichen Analyse der Arbeitsplatzsituationen in möglichen
Verweisungstätigkeiten hat nicht stattgefunden. Vielmehr stellte der
Regionale Aerztliche Dienst (RAD) in antizipierter Beurteilung ohne nähere
Erläuterungen fest, "eine Begutachtung würde auf (folgendes)
Zumutbarkeitsprofil hinauslaufen": "Leichte Arbeit mit wechselnden Lasten bis
15 Kilo ohne repetitives Vornüberneigen oder Überkopfarbeiten; keine länger
fixierte Positionen; Stehen, Sitzen Gehen ohne zeitliche Limite gemäss
Hausarzt". Einer derartigen "optimierten Verweistätigkeit" könne der
Versicherte uneingeschränkt nachgehen (RAD-Berichte vom 19. Januar und
27. Juli 2006).

3.3 Entgegen der Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz lässt sich auf der
Grundlage der angeführten medizinischen Akten die funktionelle
Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers in einer seinem Rückenleiden
angepassten Erwerbstätigkeit nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit
beurteilen. Abgesehen davon, dass die beiden RAD-Berichte den von der
Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an beweistaugliche und
beweiskräftige medizinische Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352)
offenkundig nicht genügen, stehen sie in unlösbarem Widerspruch zur
Schlussfolgerung des IV-Berufsberaters, der den Versicherten aufgrund einer
Gesamtbeurteilung (nicht etwa bloss aus invaliditätsfremden Gründen) in
seiner aktuell ausgeübten 50%igen Erwerbstätigkeit als Gipser als optimal
eingegliedert erachtet (Schlussbericht vom 12. Juli 2006). Es weckt Bedenken,
wenn - wie hier - die IV-interne Berufsberatung den Arbeitgeber eines
Versicherten darin bestärkt, dessen hälftige Weiterbeschäftigung (unter
Zuweisung möglichst rückenschonender Arbeiten) aufrecht zu erhalten, während
die IV-Stelle gleichzeitig in ihrer rentenablehnenden Verfügung vom
Versicherten letztlich verlangt, eine anderweitige (dem Rückenleiden
insgesamt besser angepasste) Ganztagsarbeit zu suchen. Ein solches Vorgehen
verbietet sich jedenfalls solange, als aufgrund der Aktenlage nicht klar ist,
ob (und gegebenenfalls in welchem Umfange) dem Beschwerdeführer aus
medizinischer Sicht die Aufnahme einer Verweisungstätigkeit überhaupt
zumutbar ist. Die diesbezügliche unvollständige Feststellung des
entscheidwesentlichen Sachverhalts durch die Vorinstanz stellt eine vom
Bundesgericht von Amtes wegen zu korrigierende (Art. 106 Abs. 1 BGG)
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (vgl. E. 1 hievor;
Seiler, in: Seiler/von Werdt/ Güngerich, Kommentar zum BGG, N 24 zu Art. 97).
Die IV-Stelle wird aufgrund der nachzuholenden medizinischen Abklärungen
hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Versicherten in einer seinen
Rückenbeschwerden angepassten Erwerbstätigkeit und unter Berücksichtigung des
aktuellen Eingliederungsstandes erneut über den Rentenanspruch verfügen.

4.
Die Gerichtskosten werden der IV-Stelle als unterliegender Partei auferlegt
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer zudem eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, vom 30. April 2007 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom
31. August 2006 aufgehoben werden und die Sache an die Verwaltung
zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über den Rentenanspruch des Beschwerdeführers neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle Bern auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, wird für das kantonale Verfahren über eine Neuverlegung der
Gerichtskosten wie auch über eine Parteientschädigung entsprechend dem
Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für
Sozialversicherungen und der AHV-Ausgleichskasse FER-CIFA, Fribourg,
zugestellt.

Luzern, 28. September 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: