Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 321/2007
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9C_321/2007

Urteil vom 28. September 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Stiftung 2. Säule swissstaffing, VPDS, c/o Hewitt Associates SA, avenue
Edouard-Dubois 20,
2000 Neuenburg, Beschwerdeführerin,

gegen

B.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Herrn lic. iur. Georg
Biedermann, Praxis für Sozialversicherungsrecht, Ruhtalstrasse 14, 8400
Winterthur,

Mitbeteiligte: PKG Pensionskasse, Zürichstrasse 16,
6004 Luzern.

Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 13. April 2007.

Sachverhalt:

A.
B. ________ (geb. 1948) war zwischen Juli und Oktober 1998 bei der Firma
S.________ als Kranführer temporär beschäftigt und damit bei der Stiftung 2.
Säule VPDS (nunmehr: Stiftung 2. Säule swissstaffing) vorsorgeversichert. Mit
Verfügungen vom 8. September 2000 und 23. März 2001 sprach ihm die IV-Stelle
des Kantons Zürich ab 1. Mai 2000 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 70
% eine ganze Invalidenrente zu. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 lehnte die
Stiftung 2. Säule VPDS die Ausrichtung von Invalidenleistungen ab, da der
Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht mehr versichert
gewesen sei.

B.
Auf Klage vom 4. Juli 2006 (Datum des Poststempels) hin verpflichtete das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. April
2007 die Stiftung 2. Säule swissstaffing, B.________ ab 1. Mai 2000 eine
volle Invalidenrente zuzüglich Zinsen von 5 % auszurichten unter
Rückerstattung einer allfällig ausgerichteten Austrittsleistung.

C.
Die Stiftung 2. Säule swissstaffing führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche
Entscheid sei insofern zu korrigieren, als die Rentenleistungen vom 1. Mai
2000 bis 4. Juli 2001 verjährt seien.

Sämtliche zur Vernehmlassung eingeladenen Verfahrensbeteiligten haben auf
eine Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007,
N 24 zu Art. 97).

2.
Streitig und zu prüfen ist auf Grund des Beschwerdeantrags einzig, ob die
volle Invalidenrente für die Zeitspanne vom 1. Mai 2000 bis 4. Juli 2001
verjährt ist.

2.1 Gemäss Art. 41 Abs. 1 BVG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung
verjähren Forderungen auf periodische Beiträge und Leistungen nach fünf,
andere nach zehn Jahren. Die Artikel 129-142 des Obligationenrechts sind
anwendbar.

Laut Art. 41 Abs. 1 BVG in der seit 1. Januar 2005 gültigen Fassung gemäss
Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 (1. BVG-Revision [AS 1677 und 1700])
verjähren die Leistungsansprüche nicht, sofern die Versicherten im Zeitpunkt
des Versicherungsfalles die Vorsorgeeinrichtung nicht verlassen haben. Nach
Abs. 2 der Bestimmung verjähren Forderungen auf periodische Beiträge und
Leistungen nach fünf, andere nach zehn Jahren. Die Artikel 129-142 des
Obligationenrechts sind anwendbar.

Mangels einer Übergangsbestimmung gilt die Änderung des Art. 41 Abs. 1 und 2
BVG auch für die bei ihrem Inkrafttreten noch nicht verjährten Forderungen
(BGE 131 V 425 E. 5.1-2 S. 429 f. mit Hinweisen; vgl. André Pierre Holzer,
Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht,
Diss. Freiburg 2005, S. 154).

2.2 Das kantonale Gericht hat die in der vorinstanzlichen Klageantwort vom
29. September 2006 erhobene Einrede der Verjährung als unbegründet erachtet,
da die Forderungen seit Inkrafttreten der anlässlich der ersten BVG-Revision
vom 3. Oktober 2003 geänderten Fassung von Art. 41 Abs. 1 BVG nicht mehr
verjähren würden, sofern die Versicherten im Zeitpunkt des Eintritts des
versicherten Ereignisses der pflichtigen Vorsorgeeinrichtung angehört hätten.
Da der Leistungsanspruch erst am 1. Mai 2000 einsetze, seien die
Rentenbetreffnisse nicht verjährt.

Die Beschwerdeführerin widerspricht der Auffassung des kantonalen Gerichts
unter Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft (Botschaft zur Revision des
Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge [BVG], [1. BVG-Revision], vom 1. März 2000, BBl 2000 S.
2694), woraus klar hervorgehe, dass mit der Revision von Art. 41 BVG das
Rentenstammrecht unverjährbar gestaltet worden sei, während die einzelnen
Rentenzahlungen weiterhin der fünfjährigen Verjährungsfrist unterlägen.

2.3 Der Standpunkt der Beschwerdeführerin ist begründet. Mit dem neu
gefassten Art. 41 Abs. 1 BVG führte der Gesetzgeber auch für die berufliche
Vorsorge den Grundsatz der Unverjährbarkeit des Stammrechts auf eine Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenrente ein, allerdings nur für Versicherte,
welche im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Vorsorgeeinrichtung noch
nicht verlassen haben. Hingegen hielt er an der Verjährbarkeit der einzelnen
Forderungen fest, indem er den bisherigen Abs. 1 von Art. 41 BVG unverändert
in Abs. 2 des revidierten Art. 41 BVG übernahm. Nach dem klaren Willen des
Gesetzgebers verjährt zwar gegebenenfalls das Rentenstammrecht nicht, die
einzelnen Rentenzahlungen unterliegen aber nach wie vor der fünfjährigen
Verjährungsfrist (bundesrätliche Botschaft a.a.O.). Diese Auffassung wird
auch einhellig im Schrifttum vertreten (Jürg Brechbühl/Erika Schnyder,
Änderungen bei den Leistungen der beruflichen Vorsorge, SZS 2005 S. 56; Jürg
Brühwiler, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, S. 2061 f.
Rz. 163 f.; André Pierre Holzer, a.a.O., S. 153 ff.; Hans Michael
Riemer/Gabriela Riemer-Kafka, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der
Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006 Rz. 93 f. zu § 7; Hans-Ulrich Stauffer,
Berufliche Vorsorge, S. 347 Rz. 933; Isabelle Vetter-Schreiber, Berufliche
Vorsorge, S. 143 f.). Die 1. BVG-Revision hat somit nichts daran geändert,
dass die einzelnen Forderungen der Verjährung unterliegen. Die Auffassung des
kantonalen Gerichts verletzt daher Bundesrecht, wenn es auch die in der
Zeitspanne vom 1. Mai 2000 bis fünf Jahre vor der Klageeinleitung am 4. Juli
2006 fällig gewordenen Rentenzahlungen als nicht verjährt betrachtet.

3.
3.1 Eine Forderung ist fällig, wenn der Gläubiger sie verlangen und
nötigenfalls einklagen kann (BGE 129 III 541 E. 3.2.1; in StR 55/2000 S. 573
und Pra 2000 Nr. 169 S. 1030 veröffentlichtes Urteil M. vom 26. Mai 2000,
2P.43/2000, E. 2c; Schraner, Zürcher Kommentar, 1991, N. 22 zu Art. 75 OR).
Dies ist in der Regel im Zeitpunkt ihrer Entstehung der Fall, sofern nicht
Gesetz, Vertrag oder die Natur der Forderung eine andere Lösung nahe legen
(Art. 75 OR; Berti, Zürcher Kommentar, 2002, N 12 zu Art. 130 OR; Pichonnaz,
Commentaire romand, 2003, N 1 zu Art. 130 OR).

Nach der Rechtsprechung ist eine Leistung aus beruflicher Vorsorge dann
fällig, wenn gemäss den anwendbaren gesetzlichen und reglementarischen
Bestimmungen die Forderung entsteht (BGE 132 V 162 E. 3, 126 V 263 E. 3a;
Urteil B. vom 5. Juni 2001, B 6/01, E. 2 [mit Zusammenfassung in SZS 2003 S.
49]), was in Bezug auf die Invalidenrente grundsätzlich mit dem Ablauf der
Wartefrist gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1
BVG) der Fall ist (BGE 132 V 164 f.; SVR 2007 BVG Nr. 22 E. 3.2; vgl. auch
Urteile V. vom 24. April 2003, B 91/02, E. 3.1 [mit Zusammenfassung in SZS
2004 S. 454], und F. vom 4. August 2000, B 9/99, E. 3c [mit Zusammenfassung
in SZS 2003 S. 48]). Gemäss Art. 38 BVG werden die Renten in der Regel
monatlich ausgerichtet.

3.2 Der kantonale Entscheid enthält keine Feststellungen zum Zeitpunkt der
Fälligkeit der einzelnen Rentenzahlungen. Auf Grund der Akten lässt sich die
Frage ebenfalls nicht beurteilen. Weder haben die Parteien im vor- und
letztinstanzlichen Verfahren hiezu Ausführungen gemacht, noch befindet sich
das Vorsorgereglement in den Akten. Entscheidend für den Beginn der einzelnen
Rentenzahlungen ist deren Fälligkeit, die sich in erster Linie nach dem
Reglement (monatliche, vierteljährliche Auszahlung etc.) richtet. Bei
fehlender reglementarischer Grundlage kommt Art. 38 BVG zum Zug. Es muss
deshalb mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass sämtliche vor dem 5.
Juli 2001 fällig gewordenen Rentenbetreffnisse verjährt sind (Datum der
Klageeinreichung vor Vorinstanz: 4. Juli 2006). Es wird Sache der
Beschwerdeführerin sein, neben der Höhe der Invalidenrente die Fälligkeit der
einzelnen Rentenzahlungen zu ermitteln.

4.
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird Ziff. 1 des Dispositivs des Entscheids des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. April 2007 dahingehend
geändert, als festgestellt wird, dass die in der Zeit vor dem 5. Juli 2001
fällig gewordenen Rentenbetreffnisse verjährt sind.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden B.________ auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Stiftung 2. Säule
swissstaffing zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der PKG Pensionskasse, Luzern, dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 28. September 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: