Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 318/2007
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9C_318/2007

Urteil vom 27. August 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Attinger.

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4501 Solothurn,
Beschwerdeführerin,

gegen

D.________, 1945, Beschwerdegegner, vertreten durch Procap, Schweizerischer
Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
Solothurn vom 23. April 2007.

Sachverhalt:
Mit Verfügungen vom 20. April 2005 sprach die IV-Stelle des Kantons Solothurn
dem 1945 geborenen D.________ mit Wirkung ab 1. September 2003 eine
Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung wegen Hilflosigkeit
mittelschweren Grades zu. Auf Einsprache des Versicherten hin hob die
IV-Stelle diese Verfügungen auf und richtete neu für den Zeitraum vom
1. September 2003 bis 30. September 2005 eine Hilflosenentschädigung wegen
mittelschwerer sowie ab 1. Oktober 2005 eine solche wegen schwerer
Hilflosigkeit aus (Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2005).
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn sprach D.________ mit
Entscheid vom 23. April 2007 in teilweiser Gutheissung der gegen den
Einspracheentscheid erhobenen Beschwerde die Hilflosenentschädigung für
schwere Hilfsbedürftigkeit bereits ab 1. Juli 2005 zu (im Anschluss an die
bis Ende Juni 2005 auszurichtende Entschädigung wegen mittelschwerer
Hilflosigkeit).
Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheids.

D. ________ und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
Letztinstanzlich ist unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten unbestritten,
dass der Beschwerdegegner seit Juli 2005 in schwerem Grade hilflos ist. Diese
Betrachtungsweise ist denn auch im Lichte der in E. 1 hievor angeführten
grundsätzlichen Verbindlichkeit der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen
für das Bundesgericht in keiner Weise zu beanstanden. Streitig und (als
Rechtsfrage frei) zu prüfen ist hingegen, ab welchem Zeitpunkt dem
Versicherten gestützt auf die nunmehr allseits anerkannte Annahme (Eintritt
der schweren Hilflosigkeit im Juli 2005) die dem Ausmass der
Hilfsbedürftigkeit entsprechende höhere Hilflosenentschädigung zusteht.

3.
3.1 Gemäss Art. 35 Abs. 1 IVV entsteht der Anspruch auf eine
Hilflosenentschädigung am ersten Tag des Monats, in dem sämtliche
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Ändert sich in der Folge der Grad der
Hilflosigkeit in erheblicher Weise, so finden die Art. 87-88bis IVV Anwendung
(Abs. 2 erster Satz von Art. 35 IVV). Nach Art. 88a Abs. 2 IVV ist u.a. bei
einer Verschlimmerung der Hilflosigkeit die anspruchsbeeinflussende Änderung
zu berücksichtigen, sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate
angedauert hat; Art. 29bis IVV ist sinngemäss anwendbar.

3.2 Soweit im angefochtenen Entscheid die Anwendbarkeit von Art. 88a Abs. 2
IVV verneint wird, weil die von der IV-Stelle "festgelegte Hilflosigkeit
mittleren Grades" zufolge Anfechtung durch den Versicherten "gar nie in
Rechtskraft erwachsen" sei und somit eine diesbezügliche Revision entfalle,
übersieht das kantonale Gericht, dass die genannte Verordnungsbestimmung
(obwohl sie sich auf die Revision bereits laufender Leistungen bezieht)
sinngemäss auch dann anzuwenden ist, wenn die anspruchsbeeinflussende
Änderung, etwa die weitere Verschlimmerung des Hilflosigkeitsgrades, noch vor
Erlass der Verwaltungsverfügung eingetreten ist mit der Folge, dass dann
durch eine rückwirkende Leistungsab- oder aufstufung gleichzeitig die
Änderung mitberücksichtigt wird (BGE 125 V 413 E. 2d S. 418, 109 V 125; ZAK
1990 S. 518 E. 2). Formalrechtlich liegt in diesen Fällen - hier geht es um
den Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 2. Dezember 2005 - eine doppelte
Verfügung vor, die sich gleichzeitig über die Zusprechung der Leistung und
die Revision derselben ausspricht (ZAK 1984 S. 133 E. 3).

4.
Im hier zu beurteilenden Fall ist die im Juli 2005 eingetretene
anspruchsbeeinflussende Verschlimmerung der Hilflosigkeit gemäss Art. 88a
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 erster Satz IVV ab Oktober 2005 zu
berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate lang
angedauert hatte. Wie von der Beschwerde führenden IV-Stelle im streitigen
Einspracheentscheid zutreffend erkannt, ist dem Beschwerdegegner somit die
Hilflosenentschädigung wegen Hilflosigkeit schweren Grades ab 1. Oktober 2005
auszurichten (vgl. Art. 35 Abs. 1 IVV).

5.
Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG offensichtlich begründete
Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren gutzuheissen.

6.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdegegner als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons Solothurn vom 23. April 2007 wird aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber (AKBA) und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 27. August 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: