Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 294/2007
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9C_294/2007

Urteil vom 10. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Rudolf,
Ober-Emmenweid 46,
6021 Emmenbrücke 1.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 30. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 26. April 2005 sprach die IV-Stelle Luzern dem 1948
geborenen A.________ mit Wirkung ab 1. März 2004 eine halbe Invalidenrente in
der Höhe von monatlich Fr. 802.-, resp. Fr. 817.- ab 1. Januar 2005 zu. Der
Rentenberechnung der Ausgleichskasse Schulesta lag eine Beitragsdauer von 30
Jahren und einem Monat (3 Monate vor 1973 und 29 Jahre und 10 Monate ab 1973)
zugrunde. Dazu wurde festgehalten: «Sie haben 1969 bis 1970 und 1972 keine,
sowie 1971 und 1973 bis 1977 nicht während des ganzen Jahres AHV-Beiträge in
der schweizerischen Sozialversicherung entrichtet. Die Rente errechnet sich
deshalb nach der Rentenskala 38 und entspricht 86.36% der Vollrente.». Mit
Einspracheentscheid vom 13. April 2006 bestätigte die IV-Stelle den Umfang
des Anspruchs und die Höhe der Rente.

B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde des A.________ hob das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, den Einspracheentscheid vom 13. April 2006 insofern auf, als die
IV-Stelle verpflichtet wurde, bei der Rentenhöhe zusätzliche Beitragszeiten
im Sinne der Erwägungen zu berücksichtigen. Mit Bezug auf den Umfang des
Rentenanspruchs wies es das Rechtsmittel ab (Entscheid vom 30. März 2007).

C.
Die IV-Stelle Luzern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 30. März 2007 sei
aufzuheben, soweit sie verpflichtet werde, bei der Rentenhöhe zusätzliche
Beitragszeiten im Sinne der Erwägungen zu berücksichtigen. Im Weitern sei der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

A. ________ ist mit Verfügung vom 4. Juli 2007 die Frist zur Beantwortung der
Beschwerde und des Gesuchs um aufschiebende Wirkung bis 2. August 2007
erstreckt worden. Seine Rechtsvertreterin hat mit Eingabe vom 2. August 2007
zur Frage der aufschiebenden Wirkung und mit einer weiteren Eingabe vom
6. August 2007 zum Hauptbegehren in der Beschwerde Stellung genommen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vernehmlassung des Beschwerdegegners ist am 6. August 2007, somit nach
Ablauf der bis zum 2. August 2007 erstreckten Frist eingereicht worden. Darin
wird unter Hinweis auf Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG, wonach gesetzlich oder
richterlich nach Tagen bestimmte Fristen unter anderem vom 15. Juli bis und
mit dem 15. August still stehen, die Rechtzeitigkeit der Eingabe bejaht. Ob
diese Rechtsauffassung zutreffend ist, ist zweifelhaft (vgl.
Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Rz. 2 zu
Art. 46). Dieser Punkt kann indessen, da für den Verfahrensausgang ohne
Belang, offen bleiben.

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105
Abs. 1 und 2 BGG).

Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch
an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen
(Urteil 9C_32/2007 vom 30. April 2007 E. 3; vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S.
140).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob bei der Berechnung der halben Rente der
Invalidenversicherung des Beschwerdegegners gestützt auf Art. 52d AHVV
zusätzliche Beitragsjahre zu berücksichtigen sind, was das kantonale Gericht
bejaht hat.

4.
4.1 Nach Art. 52d AHVV werden einer Person, welche nach Artikel 1a oder 2 AHVG
versichert war oder sich hätte versichern können, für fehlende Beitragsjahre
vor dem 1. Januar 1979 folgende Beitragsjahre zusätzlich angerechnet: 1 bei
20-26, 2 bei 27-33 und 3 ab 34 vollen Beitragsjahren. Diese Bestimmung gilt
kraft Art. 32 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 36 Abs. 2 IVG sinngemäss bei
der Berechnung der ordentlichen Renten der Invalidenversicherung.

Gemäss Art. 1a Abs. 1 AHVG sind nach diesem Gesetz versichert u.a. die
natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (lit. a) und die natürlichen
Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (lit. b). Der hier
nicht anwendbare Art. 2 AHVG betrifft die freiwillige Versicherung von
Schweizer Bürgern und Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaft oder der Europäischen Freihandelszone.

4.2 Nach der insoweit unbestrittenen Berechnung der Ausgleichskasse Schulesta
weist der Beschwerdegegner bis 31. Dezember 1978 folgende Beitragszeiten aus:
1971 drei, 1973, 1974 und 1976 je neun, 1975 acht, 1977 elf und 1978 zwölf
Beitragsmonate. Dies ergibt ab 1971 Beitragslücken von 35 Monaten. Davon
können nach Art. 52d AHVV maximal 24 Monate oder zwei Beitragsjahre
zusätzlich an die gesamte Beitragsdauer von dreissig Jahren und einem Monat
angerechnet werden für Zeiten, in denen der Beschwerdegegner Wohnsitz in der
Schweiz hatte (Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG). Im Weitern steht fest, dass der
Beschwerdegegner seit 3. April 1973 über eine Saisonbewilligung (Ausweis A)
und seit 1. April 1977 über eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) verfügte.

5.
Das kantonale Gericht hat erwogen, der Versicherte sei von 1973 bis 1976 als
Saisonnier in der Schweiz tätig gewesen. 1977 habe er die
Aufenthaltsbewilligung B erhalten. Ab 1978 weise er keine Beitragslücken mehr
auf. Laut dem Urteil K 34/04 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom
2. August 2005 hätten Saisonniers, welche neun Monate in der Schweiz
arbeiteten und für drei Monate zu ihrer Familie in die Heimat reisten, ihren
Wohnsitz erst in der Schweiz, wenn sie die Voraussetzungen für die Umwandlung
der Saisonbewilligung in eine Aufenthaltsbewilligung erfüllten oder zu
erfüllen im Begriff seien. Gemäss Doktrin sei bei einem jede Saison
wiederkehrenden Saisonnier ab Beginn der zweiten Saison ein Wohnsitz in der
Schweiz anzunehmen (vgl. RKUV 2005 Nr. KV 344 S. 361 ff. E. 3). Nach dieser
Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass der Versicherte seit 1974 Wohnsitz
in der Schweiz habe. Somit könnten ihm für die Jahre 1974 bis 1978 gestützt
auf Art. 52d AHVV fehlende Zusatzzeiten, im Maximum zwei Jahre, angerechnet
werden.

Dem hält die Beschwerde führende IV-Stelle entgegen, das Urteil K 34/04 vom
2. August 2005 sei in einem anderen Sozialversicherungsbereich ergangen. Es
könne daher vorliegend gar nicht von Bedeutung sein. Gemäss der schon damals
geltenden Rechtslage im Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung habe bei Saisonarbeitern erst dann Wohnsitz in der
Schweiz angenommen werden können, wenn sie sich mit der Absicht dauernden
Verbleibens in der Schweiz aufgehalten und die Voraussetzungen für die
Umwandlung der Saisonbewilligung in eine ganzjährige Aufenthaltsbewilligung
erfüllt hätten oder zu erfüllen im Begriffe gewesen wären (vgl. BGE 113 V 261
E. 2b S. 264, 99 V 206 E. 2 S. 209). Nach den in den 70-er Jahren geltenden
fremdenpolizeilichen Bestimmungen habe der heutige Beschwerdegegner
frühestens am 1. April 1977 die Voraussetzungen für eine
Jahresaufenthaltsbewilligung erfüllt Auf diesen Zeitpunkt sei ihm denn auch
der Ausweis B ausgestellt worden. Der Beschwerdegegner sei somit in den
Zeiten vor dem 1. April 1977, in welchen er nicht erwerbstätig in der Schweiz
gewesen sei, weder versichert gewesen noch hätte er sich versichern lassen
können. Es könnten ihm daher nicht gestützt auf Art. 52d AHVV zusätzliche
Beitragsjahre angerechnet werden.

6.
6.1 Ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt vor Erhalt der
Aufenthaltsbewilligung am 1. April 1977 der Beschwerdegegner im Sinne von
Art. 52d AHVV und Art. 1 (seit 1. Januar 2003: 1a) Abs. 1 lit. a AHVG
Wohnsitz in der Schweiz hatte, beurteilt sich im Lichte der damals geltenden
Rechtsvorschriften (Urteil H 267/03 vom 21. Januar 2004 E. 3). Dabei braucht
das Abkommen vom 8. Juni 1962 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung (AS
1964 161 ff.) nicht weiter zu kümmern. Der Staatsvertrag enthält keine
Umschreibung des Wohnsitzbegriffs (vgl. SVR 2000 IV Nr. 14 S. 44 E. 3b
[I 115/97]). Dem vom kantonalen Gericht erwähnten Urteil K 34/04 vom 2.
August 2005, welches den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Art. 3 Abs. 1
KVG betrifft, kommt daher keine präjudizielle Bedeutung zu. In diesem
Entscheid bejahte das Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar
2007: I und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) bei einem
Ausländer, welcher seit April 1995 bei derselben Firma jeweils neun bis zehn
Monate gearbeitet und den Rest des Jahres bei seiner Familie in Mazedonien
verbracht hatte, ohne über eine Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung zu
verfügen, den im Rahmen der sozialen Krankenversicherung massgebenden
zivilrechtlichen Wohnsitz und damit dessen Versicherungspflicht nach KVG,
dies im Hinblick auf die Behandlung der im Dezember 1998 erlittenen
Hirnblutung. Bei den Rechtsgrundlagen erwähnte das Gericht u.a. seine
Rechtsprechung gemäss BGE 125 V 76 und BGE 129 V 77. In diesen Urteilen hatte
es erkannt, dass für den Wohnsitz in der Schweiz als Voraussetzung für die
Unterstellung unter das Krankenversicherungsobligatorium nach Art. 3 Abs. 1
KVG nicht massgebend ist, ob die betreffende Person eine fremdenpolizeiliche
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung besitzt. Sodann wies es auf die
Lehre hin, wonach bei einem jede Saison wiederkehrenden Saisonnier ab Beginn
der zweiten Saison ein Wohnsitz in der Schweiz anzunehmen ist (vgl. RKUV 2005
Nr. KV 344 S. 363 oben).

Indessen ist auch die von der Beschwerde führenden IV-Stelle zur Stützung
ihres Standpunktes angeführte Rechtsprechung, insbesondere BGE 99 V 206 E. 2
S. 209 und BGE 113 V 261 E. 2b S. 264, nicht einschlägig, jedenfalls nicht im
Sinne direkter Anwendbarkeit. In diesen Entscheiden ging es jeweils um den
Wohnsitz in der Schweiz bei Eintritt des Versicherungsfalles als eine
Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung.
Danach kann bei Saisonniers erst dann Wohnsitz in der Schweiz angenommen
werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Umwandlung der Saisonbewilligung
in eine ganzjährige Aufenthaltsbewilligung erfüllen oder zu erfüllen im
Begriffe sind (vgl. auch BGE 119 V 98 E. 5b S. 104, SVR 2000 IV Nr. 14 S. 45
E. 3d in fine und Urteil 2P.256/1995 vom 29. Dezember 1995 E. 2c/aa).
Demgegenüber betrifft die Frage der Anrechenbarkeit zusätzlicher
Beitragsjahre gestützt auf Art. 52d AHVV die Grundlagen der Berechnung von
Alters- und Invalidenrenten.

6.2 Zivilrechtliche Begriffe, auf welche Normen des
Bundessozialversicherungsrechts verweisen, werden dadurch Teil des
öffentlichen Rechts. Sie brauchen daher nicht notwendigerweise den gleichen
Bedeutungsgehalt aufzuweisen wie im rein zivilrechtlichen Kontext. Sinn und
Zweck der Norm können eine vom Zivilrecht abweichende Betrachtungsweise
erfordern (BGE 130 V 404 E. 5.1 S. 404; Urteil 2P.222/2006 vom 21. Februar
2007 E. 3.2).
6.2.1 Der Wohnsitz im Sinne von Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG bestimmt sich von
hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen grundsätzlich nach den
Artikeln 23-26 des Zivilgesetzbuches (BGE 105 V 136; Hanspeter Käser,
Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., N 1.19;
Greber/Duc/Scartazzini, Commentaire des articles 1 à 16 de la loi fédérale
sur l'assurance-vieillesse et survivants, S. 53 N 90; vgl. auch Art. 95a
AHVG, in Kraft gestanden vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002, sowie
Art. 13 Abs. 1 ATSG). Gemäss Art. 23 Abs. 1 ZGB befindet sich der Wohnsitz
einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens
aufhält. Für die Begründung eines Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale
erfüllt sein: Ein objektives äusseres, der Aufenthalt, und ein subjektives
inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Dabei kommt es nicht auf den
inneren Willen an. Entscheidend ist, auf welche Absicht die erkennbaren
Umstände objektiv schliessen lassen. Die betreffende Person muss sich den
Aufenthaltsort zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht haben. Nicht
massgebend ist, ob sie eine fremdenpolizeiliche Niederlassungs- oder
Aufenthaltsbewilligung besitzt (BGE 125 V 76 E. 2a S. 77 mit Hinweisen).

6.2.2
6.2.2.1Im Kontext des Art. 52d AHVV - in gewisser Weise aus
gesetzessystematischer Sicht - ist zu beachten, dass es hier nicht um die
Anspruchsberechtigung auf eine Rente der AHV oder IV an sich geht. Vielmehr
gehört diese Vorschrift zu den Berechnungsgrundlagen, was nicht zwingend für
eine weite Auslegung des Wohnsitzbegriffs im zivilrechtlichen Sinne spricht.
Die Anrechnung zusätzlicher Beitragszeiten (volle Beitragsjahre und/oder
Beitragsmonate) setzt nämlich zu schliessende Beitragslücken voraus. Als
Beitragslücken können lediglich Zeiten vor dem 1. Januar 1979 gelten, in
welchen die rechtliche Möglichkeit - nicht bloss die Verpflichtung - bestand,
Beiträge als Erwerbstätiger oder Nichterwerbstätiger zu bezahlen. Dies trifft
auf ausländische Personen mit Saisonbewilligung (Ausweis A) während der Zeit,
in welcher sie nicht arbeiten und sich auch nicht in der Schweiz aufhalten
dürfen, nicht zu. Dies bedeutet, dass sie frühestens mit der Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) Wohnsitz in der Schweiz im Sinne von
Art. 52d AHVV und Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG haben.

6.2.2.2 Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des Art. 52d
(bis 31. Dezember 1996: Art. 52bis) AHVV gestützt. Daraus ergibt sich
Folgendes: Im Rahmen der am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen
8. AHV-Revision wurde u.a. neu Art. 38 Abs. 3 AHVG ins Gesetz eingefügt.
Diese Bestimmung ermächtigte den Bundesrat, für Fälle mit langer
Beitragsdauer und verhältnismässig wenigen fehlenden Beitragsjahren besondere
Regeln aufzustellen. In der Botschaft vom 11. Oktober 1971 zu dieser
Gesetzesnovelle (BBl 1971 II 1057 ff.) wurde dazu ausgeführt, in den ersten
Jahren nach der Einführung der AHV im Jahre 1948 sei es relativ häufig
vorgekommen, dass Versicherte, vor allem nichterwerbstätige Invalide und
Studenten, aus irgendeinem Grund, insbesondere aus Unkenntnis, von der
Beitragsseite her nicht erfasst worden seien. Die Folge davon seien fehlende
Beitragsjahre, die zu unverhältnismässig hohen Rentenkürzungen führen
könnten. Dies habe verschiedentlich Anlass zu Kritik gegeben. Bei relativ
langer Beitragsdauer und verhältnismässig wenigen fehlenden Beitragsjahren
sollen daher die Lücken in der Beitragsdauer dadurch möglichst geschlossen
werden, dass bei der Ermittlung der Teilrentenskala einige wenige fehlende
Jahre als Beitragsjahre angerechnet werden können (BBl 1971 II 1083 und
1176). Im Rahmen der 8. AHV-Revision änderte der Bundesrat Art. 52bis AHVV.
Dieser sah bei Beitragslücken die Anrechnung von zusätzlichen Beitragsjahren
vor, wenn das Verhältnis zwischen den vollen Beitragsjahren des Versicherten
und denen seines Jahrganges mindestens 50 Prozent betrug. Neu konnten - unter
sonst gleichen tatbeständlichen Voraussetzungen - nur mehr Beitragsjahre vor
dem 1. Januar 1973, während welcher der Versicherte beitragspflichtig war,
zusätzlich angerechnet werden (ZAK 1978 S. 132 f.). Auf den 1. Januar 1990
wurde Art. 52bis AHVV in dem Sinne geändert, dass neu einer Person, welche
nach Artikel 1 oder 2 AHVG versichert war oder sich hätte versichern können,
für fehlende Beitragsjahre vor dem 1. Januar 1979 eins bis drei Beitragsjahre
zusätzlich angerechnet wurden, wenn sie zwischen 20 und 34 volle
Beitragsjahre aufwies. Damit sollten neu auch Auslandschweizer, welche es
versäumt hatten, der freiwilligen Versicherung beizutreten, oder während der
fehlenden Beitragsjahre die Altersgrenze für den Beitritt zu dieser
Versicherung schon zurückgelegt hatten sowie Ehefrauen von Auslandschweizern,
die der Versicherung nicht selbstständig beitreten konnten, in den Genuss von
Zusatzjahren gelangen (ZAK 1989 S. 425). Im Zuge der am 1. Januar 1997 in
Kraft getretenen 10. AHV-Revision wurde Art. 52bis AHVV aufgehoben. Die heute
noch geltende Nachfolgebestimmung des Art. 52d AHVV hat inhaltlich, soweit
vorliegend von Bedeutung, keine Änderung erfahren (vgl. AHI 1996 S. 9 und
35).

Diese Entstehungsgeschichte zeigt, dass der Verordnungsgeber den Kreis der
unter Art. 52d AHVV resp. Art. 52bis AHVV fallenden Perso-nen eng ziehen
wollte. Nur wer überhaupt die rechtliche Möglichkeit zur Bezahlung von
Beiträgen oder zur freiwilligen Unterstellung unter die Versicherung hatte
oder gehabt hätte, soll in den Genuss von zusätzlichen Beitragszeiten kommen.
Dem wird durch die in E. 6.2.2.1 gewonnene enge Auslegung des
Wohnsitzbegriffes nach Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG Rechnung getragen.

6.3 Im vorliegenden Fall fällt somit eine Anrechnung zusätzlicher
Beitragsjahre gestützt auf Art. 52d AHVV für die Zeit bis zur Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) am 1. April 1977 ausser Betracht. Der in
diesem Sinne lautende Einspracheentscheid ist somit rechtens. Der
angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht.

7.
Da sogleich in der Hauptsache entschieden wird, ist das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 30. März 2007
aufgehoben, soweit darin die Beschwerde gutgeheissen und dem Beschwerdeführer
eine Parteientschädigung zugesprochen wurde.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auf-erlegt.

3.
Der IV-Stelle Luzern wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.-
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Schulesta, Bern,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 10. Oktober 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: