Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 28/2007
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9C_28/2007

Urteil vom 22. Juni 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

G. ________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Lukas Bürge, Hirschengraben 8, 3011 Bern,

gegen

Xundheit Öffentliche Gesundheitskasse Schweiz, Pilatusstrasse 28, 6003
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
26. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
G. ________ (geboren 1956) arbeitet bei der Firma X.________ GmbH, bei der er
Gesellschafter ohne Zeichnungsberechtigung und seine Ehefrau Gesellschafterin
und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift ist. Aufgrund eines
Versicherungsantrags vom 14. März 2005 wurde er mit Versicherungspolice vom
13. April 2005 bei der Xundheit mit Wirkung ab 1. Juli 2005 ohne Vorbehalt
für ein monatliches Einkommen von Fr. 4'000.- und mit einem Taggeld von
Fr. 132.- ab dem 31. Tag versichert. Am 28. Juni 2005 beantragte seine
Ehefrau eine Erhöhung der Taggeldversicherung. Sie gab an, dass das Einkommen
ihres Ehemannes bei der Firma X.________ GmbH ab dem 1. August 2005
Fr. 7'000.- netto monatlich (x 12) betragen werde und bat um eine Anpassung
der Police. Die Xundheit unterbreitete am 2. August 2005 eine Taggeldofferte
mit einem Taggeld von Fr. 230.- pro Tag ab dem 31. Tag. In der
Gesundheitserklärung vom 5. August 2005 erklärte G.________ handschriftlich,
er fühle sich gegenwärtig vollständig gesund, er habe weder zur Zeit noch in
den letzten fünf Jahren sonstige gesundheitliche (körperliche oder
psychische) Beschwerden gehabt und er sei zur Zeit voll arbeitsfähig. Am
12. August 2005 bestätigte die Xundheit die Versicherungsänderung und setzte
die Taggeldversicherung per 1. August 2005 in Kraft.
Mit Schadenanzeige vom 21. September 2005 meldete die Arbeitgeberin,
G.________ sei seit dem 22. August 2005 zu 100 % wegen Krankheit
arbeitsunfähig. Sie reichte ein ärztliches Zeugnis des behandelnden Arztes
Dr. med. S.________ vom 24. September 2005 ein, wonach G.________ seit dem
15. August 2005 zu 100 % arbeitsunfähig sei. Am 28. Oktober 2005 meldete die
Ehefrau von G.________, dass dieser unterdessen noch einen Herzinfarkt
erlitten habe. Nach verschiedenen Abklärungen und persönlicher Befragung des
Versicherten belegte die Xundheit am 2. Februar 2006 die Taggeldversicherung
im Rahmen der Höherversicherung für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Juli
2010 mit einem Vorbehalt für "Diabetes mellitus mit Komplikationen, koronare
Herzkrankheit und Dyslipidaemie". An diesem Standpunkt hielt sie mit
Verfügung vom 20. April 2006 und mit Einspracheentscheid vom 28. Juli 2006
fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 26. Januar 2007 ab.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die
Xundheit zu verpflichten, ihm die vertraglich vorgesehenen Leistungen zu
gewähren. Eventuell sei die Sache zwecks weiterer Abklärungen und
Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Xundheit, kantonales Gericht und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff.
BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007
N 24 zu Art. 97).

1.2 Sachverhaltsfeststellungen sind Feststellungen aufgrund eines
Beweisverfahrens, namentlich auch Feststellungen über innere oder psychische
Tatsachen, wie z.B. was jemand wusste oder nicht wusste (Seiler/von
Werdt/Güngerich, a.a.O., N 12 zu Art. 97; BGE 124 III 182 E. 3 S. 184).
Rechtsfrage sind demgegenüber das richtige Verständnis von Rechtsbegriffen
und die Subsumption des Sachverhalts unter die Rechtsnormen (Seiler/von
Werdt/Güngerich, a.a.O., N 13 zu Art. 97).

2.
2.1 Nach Art. 69 Abs. 1 KVG können die Versicherer Krankheiten, die bei der
Aufnahme in die freiwillige Taggeldversicherung bestehen, durch einen
Vorbehalt von der Versicherung ausschliessen. Das Gleiche gilt für frühere
Krankheiten, die erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können. Der
Versicherungsvorbehalt fällt spätestens nach fünf Jahren dahin. Die
Versicherten können vor Ablauf dieser Frist den Nachweis erbringen, dass der
Vorbehalt nicht mehr gerechtfertigt ist (Abs. 2). Der Versicherungsvorbehalt
ist nur gültig, wenn er der versicherten Person schriftlich mitgeteilt wird
und die vorbehaltene Krankheit sowie Beginn und Ende der Vorbehaltsfrist in
der Mitteilung genau bezeichnet sind (Abs. 3). Bei einer Erhöhung des
versicherten Taggeldes und bei einer Verkürzung der Wartefrist gelten die
Abs. 1-3 sinngemäss (Abs. 4).

2.2 Hat eine Kasse bei der Aufnahme eines Mitgliedes keinen
Versicherungsvorbehalt angebracht, so darf sie einen solchen später nicht
mehr verfügen, es sei denn, der Gesuchsteller habe in schuldhafter Weise eine
bestehende oder eine vorher bestandene, zu Rückfällen neigende Krankheit
nicht angezeigt. Unter dieser Voraussetzung kann sie innerhalb Jahresfrist,
seitdem sie vom schuldhaften Verhalten des Gesuchstellers Kenntnis hatte oder
hätte haben müssen, spätestens aber nach fünf Jahren einen rückwirkenden
Versicherungsvorbehalt anbringen (BGE 111 V 27, 110 V 308 E. 1 mit Hinweisen;
Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Meyer (Hrsg.), Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht, Band XIV Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, Rz 1119
S. 781).
Mit der Anbringung eines rückwirkenden Vorbehalts soll im Falle einer
nachträglich entdeckten Anzeigepflichtverletzung die gesetzliche Ordnung in
der Weise wieder hergestellt werden, wie sie vom Versicherten hätte
hingenommen werden müssen, wenn er bei der Aufnahme wahrheitsgemässe und
vollständige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht hätte (BGE 110 V
309 E. 1c, 102 V 193 E. 2).
Schuldhaft verletzt ein Aufnahmebewerber die Anzeigepflicht, wenn er der
Kasse auf deren Frage hin eine bestehende Krankheit oder eine vorher
bestandene, zu Rückfällen neigende Krankheit nicht anzeigt, obwohl er darum
wusste oder bei der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit darum hätte wissen müssen
(BGE 125 V 292 E. 2, 124 V 118 E. 3b, 111 V 27 E. 1b, 110 V 309 E. 1).
Die Anzeigepflicht bestimmt sich nicht danach, ob und wie bedeutsam der
Aufnahmebewerber eine Krankheit oder einen krankheitsverdächtigen Sachverhalt
subjektiv einschätzt. Vielmehr ist die Beurteilung der Frage, ob und unter
welchen Voraussetzungen eine Krankheit oder Krankheitsanlage von Belang oder
vorbehaltswürdig ist, ausschliesslich Sache der Kasse. Wird in einer
Gesundheitserklärung nach bestehenden Krankheiten und bestimmten
Krankheitsanlagen gefragt, ist daher ohne Rücksicht auf die persönlichen
Wertungen des Aufnahmebewerbers jede vorhandene Gesundheitsstörung anzuzeigen
und - nach Massgabe des Fragenkataloges - ebenso jedes irreguläre
gesundheitliche Geschehen, das auf eine möglicherweise bestehende oder
künftige Erkrankung hinweist. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung
lediglich vereinzelt aufgetretene Unpässlichkeiten ausgenommen, die der
Aufnahmebewerber in guten Treuen als belanglose, vorübergehende
Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens betrachten darf und bei der
gebotenen Sorgfalt nicht als Erscheinungen eines ernsthafteren Leidens
beurteilen muss (BGE 109 V 36 E. 1b, 106 V 170 E. 3b). Gemeint sind damit
beispielsweise und in der Hauptsache gelegentlich erlittene
Erkältungskrankheiten oder grippale Infekte, die jeweils als abgeschlossenes
Geschehen ohne bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen angesehen werden
dürfen. Stehen jedoch die erwähnten geringfügigen Beschwerden im Verdacht,
Symptome einer möglicherweise erst zum Ausbruch gelangenden oder noch nicht
überwundenen Erkrankung zu sein, so hat sie der Aufnahmebewerber in der
Gesundheitserklärung anzugeben (RKUV 1989 Nr. K 825 S. 406 E. 2c).

3.
3.1 Die Vorinstanz hat gestützt auf den Bericht des Hausarztes Dr. med.
S.________ vom 2. November 2005 und die Beurteilungen des Vertrauensarztes
Dr. med. Saner vom 22. Dezember 2005 und 18. Juli 2006 festgestellt, dass
beim Beschwerdeführer eine schleichende Verschlechterung des
Gesundheitszustandes stattgefunden habe, die spätestens im Juni oder Juli
2006 (recte: 2005) erhebliche Probleme beim Arbeiten verursacht hätten. Die
Gesundheitsstörungen seien nicht von einem Tag auf den andern aufgetreten.
Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass eine psychische Problematik
vorliegen könnte; dies wäre ebenfalls deklarationspflichtig gewesen. Daraus
könne allein der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer
gesundheitlich dermassen stark beeinträchtigt gewesen sei, dass er um diese
Beeinträchtigung spätestens im Zeitpunkt des Ausfüllens und Unterzeichnens
der Gesundheitserklärung am 5. August 2005 gewusst habe.

3.2 Diese Erwägungen, die eine Sachverhaltsfeststellung darstellen, sind
nicht offensichtlich unrichtig. Zwar bringt der Beschwerdeführer mit Recht
vor, der Hausarzt habe im Bericht vom 2. November 2005 alternativ zur
psychischen Problematik auch eine Müdigkeit als Folge des Alterns angegeben.
Zutreffend ist auch, dass eine als bloss vorübergehend einzustufende
Unpässlichkeit oder psychische Problematik nicht zwingend als Krankheit
interpretiert und deklariert werden muss (vgl. E. 2.2 hievor). Entscheidend
ist vorliegend jedoch, dass der Hausarzt angegeben hat, es habe seit langem
eine ausgeprägte Leistungsschwäche bestanden, die der Beschwerdeführer
bemerkt habe. Unabhängig davon, worauf diese zurückzuführen war, durfte der
Beschwerdeführer unter diesen Umständen nicht im Fragebogen angeben, er fühle
sich vollständig gesund. Hinzu kommt, dass auch die Angaben des
Beschwerdeführers bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit widersprüchlich sind.
Einerseits will er bis im September 2005 bei einem Arbeitspensum von bis zu
mehr als 100 % gearbeitet haben. In der von seiner Ehefrau unterzeichneten
Schadenanzeige für Taggeldversicherte hat die Arbeitgeberin jedoch angegeben,
er sei seit 22. August 2005 zu 100 % arbeitsunfähig. Die Darstellung, er habe
sich bis im September 2005 nicht krank gefühlt, erscheint damit wenig
glaubwürdig.

3.3 Gestützt auf die nicht zu beanstandende Tatsachenfeststellung hat das
kantonale Gericht zu Recht den von der Beschwerdegegnerin angebrachten
Vorbehalt bestätigt.

4.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Bei einem Streit über einen Versicherungsvorbehalt handelt es sich
nicht um Sozialversicherungsleistungen im Sinne von Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG
(vgl. BGE 98 V 135 E. II/1, 115 V 388 E. 1, 124 V 118 E. 1a zu Art. 132 bzw.
134 OG), sodass nicht der dort vorgesehene reduzierte Tarif zur Anwendung
gelangt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 22. Juni 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: