Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 252/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_252/2007

Urteil vom 8. Oktober 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

J.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband,
Froburgstrasse 4, 4600 Olten.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 27. März 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a J.________ leidet seit Geburt an einer Arthrogryposis multiplex congenita
mit Freeman-Sheldon-Syndrom. Die Invalidenversicherung kam für die
behinderungsbedingten Mehrkosten ihres Medizinstudiums (einschliesslich
Doktorat) auf. Am 1. Juli 2004 trat J.________ eine Stelle als Assistenzärztin
in der Psychiatrie X.________, geschlossene Akutaufnahmestation der
Gerontopsychiatrie, mit einem jährlichen Einkommen von Fr. 86'429.- an. Gemäss
Arbeitsvertrag war sie verpflichtet, selbst für die Kosten einer qualifizierten
Hilfsperson für Notsituationen mit aggressiven Patienten während der von ihr zu
leistenden Nachtdienste (22.00 bis 07.00 Uhr) aufzukommen. Mit Verfügung vom
29. April 2004, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 23. September 2004,
lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen die Übernahme dieser Mehrkosten für
den Erwerb eines Facharzttitels FMH im Rahmen der erstmaligen beruflichen
Ausbildung ab.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 14. März 2005 gut und wies die Sache zur weiteren
Abklärung des Leistungsanspruchs an die IV- Stelle zurück, weil die erstmalige
berufliche Ausbildung nicht auf die universitäre Ausbildung beschränkt sei. Auf
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV)
hin stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht fest, der Erwerb des
Facharzttitels Psychiatrie und Psychotherapie FMH nach Abschluss des
Medizinstudiums sei nicht Teil der erstmaligen beruflichen Ausbildung, sondern
stelle eine Weiterausbildung dar. Es wies die Sache an die Verwaltung zurück,
damit sie die übrigen Voraussetzungen der Ausrichtung zusätzlicher Leistungen
im Rahmen der Weiterausbildung prüfe (Urteil vom 23. Dezember 2005; I 285/05).
Ein Gesuch der Versicherten um Erläuterung und Revision wies das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Entscheid vom 19. September 2006 ab (I 208/06).
A.b Mit Verfügung vom 15. Juni 2006 sprach die IV-Stelle der Versicherten
invaliditätsbedingte Transportmehrkosten der beruflichen Weiterausbildung in
Form der Assistenzzeit als Ärztin bei der Psychiatrie X.________ für die Zeit
vom 1. Juli 2004 bis 31. Juli 2005 zu. Die Kosten für eine Hilfsperson bei
Nachtdienst seien jedoch nicht anrechenbar, da sie keine für die Vermittlung
der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten notwendigen Aufwendungen
darstellten. Diesen Standpunkt bestätigte die Verwaltung mit
Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2006.

B.
Die gegen diesen Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde hiess das von der
Versicherten abermals angerufene kantonale Versicherungsgericht mit Entscheid
vom 27. März 2007 gut und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur
Festsetzung des Leistungsanspruchs an die IV-Stelle zurück.

C.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in öffentlich-
rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2006 zu bestätigen.
J.________ und das Versicherungsgericht verzichten auf eine Vernehmlassung,
während das BSV die Gutheissung der "Verwaltungsgerichtsbeschwerde" beantragt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Dabei legt
das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 16 Abs. 1 IVG haben Versicherte, die noch nicht erwerbstätig
waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung
in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, Anspruch auf Ersatz
dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten der versicherten Person
entspricht. Der erstmaligen beruflichen Ausbildung ist unter anderem die
berufliche Weiterausbildung im bisherigen oder in einem anderen Berufsfeld
gleichgestellt, sofern sie geeignet und angemessen ist und dadurch die
Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann (Art. 16
Abs. 2 lit. c IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung: AS 2003 3839;
SVR 2006 IV Nr. 49 S. 179). Für Massnahmen nach Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG
besteht kein Anspruch auf ein Taggeld (Art. 22 Abs. 5 IVG).

2.2 Gemäss Art. 5bis IVV, in Kraft seit 1. Januar 2004, übernimmt die
Versicherung bei einer beruflichen Weiterausbildung die Kosten, die zusätzlich
entstehen, wenn die Aufwendungen der versicherten Person wegen der Invalidität
um jährlich 400 Franken höher sind, als sie ohne Invalidität gewesen wären
(Abs. 1). Die zusätzlichen Kosten werden ermittelt, indem die Kosten der
invaliden Person den mutmasslichen Aufwendungen gegenübergestellt werden, die
bei der gleichen Ausbildung einer nicht invaliden Person notwendig wären (Abs.
2). Anrechenbar im Rahmen von Absatz 2 sind die Aufwendungen für die
Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die Kosten für
persönliche Werkzeuge und Berufskleider, die Transportkosten sowie die Kosten
bei invaliditätsbedingter auswärtiger Verpflegung und Unterkunft (Abs. 3).
Absatz 4 regelt die Vergütung der Kosten für auswärtige Verpflegung und
Unterkunft.

2.3 Laut Kreisschreiben über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art
(KSBE, gültig ab 1. Januar 2005), Rz. 3040, gelten als anrechenbare Kosten der
Ausbildung Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erreichung
des geeigneten beruflichen Zieles stehen und bei einer einfachen und
zweckmässigen Durchführung der Ausbildung notwendigerweise entstehen.
Zu den Ausbildungskosten gehören nach Rz. 3041:
- Aufwendungen für den Erwerb der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten
wie Schul-, Lehr- und andere Ausbildungsgelder, Seminar-, Praktikums- und
andere unerlässliche Ausbildungs- und Prüfungsgebühren sowie Kosten für
obligatorische Exkursionen;
- Kosten für notwendige Lehrmittel;
- Aufwendungen für die branchenüblichen, von den Auszubildenden zu
beschaffenden Arbeitsgeräte und Berufskleider.

2.4 Bestandteil der Ausbildungskosten sind auch die Transportkosten (KSBE Rz.
3042 f.).

3.
Es steht mit dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 23.
Dezember 2005 (SVR 2006 IV Nr. 49 S. 179; I 285/05) fest, dass die Versicherte
nach Abschluss des Medizinstudiums unter dem Titel der beruflichen
Weiterausbildung im Sinne von Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG zum Erwerb des
Facharzttitels FMH für Psychiatrie und Psychotherapie Anspruch auf die
gesetzlichen Leistungen hat. Streitig und zu entscheiden ist, ob sie
grundsätzlich auch den Ersatz der zusätzlichen Kosten beanspruchen kann, die
bei der gerontopsychiatrischen Assistenzstelle auf einer Akutstation mit dem
notwendigen Beizug einer Begleitperson zum Nachtdienst angefallen sind.

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Aufzählung der anrechenbaren Kosten
in Art. 5bis Abs. 3 IVV sei nur beispielhaft und nicht abschliessend. Das
Eidgenössische Versicherungsgericht habe im Urteil vom 23. Dezember 2005 (I 285
/05) bereits festgestellt, dass das von der Versicherten vom 1. Juli 2004 bis
31. Juli 2005 absolvierte Praktikum als Assistenzärztin in einer
gerontopsychiatrischen Akutstation eine geeignete Weiterausbildung darstelle.
Zudem sei unbestrittenermassen davon auszugehen, dass die Versicherte diese
Assistenzstelle nur unter der Voraussetzung zugesagt bekommen habe, dass ihr im
Nachtdienst für allfällige Notsituationen eine qualifizierte Hilfsperson
beistehe, die sie selbst zu entschädigen habe. Die Kosten dieser Begleitperson
stünden somit in ausreichendem Zusammenhang mit dem Weiterausbildungsziel,
weshalb sie von der Invalidenversicherung zu finanzieren seien. Als
invaliditätsbedingte Mehrkosten anerkenne die Rechtsprechung neben Auslagen für
die eigentliche Ausbildung auch indirekte Aufwendungen. Als solche indirekte
invaliditätsbedingte Mehrkosten würden etwa Kosten für Dolmetscher von
Gehörlosen oder für Literaturvergrösserungen für Sehbehinderte genannt. Sie
beträfen nicht unmittelbar die Ausbildung als solche, sondern dienten nur
indirekt dem Ausbildungsziel. Dies zeige, dass eine abschliessende Liste der in
Frage kommenden einzelnen (Mehr-)Kostenfaktoren nicht beabsichtigt war. Eine
solche wäre angesichts der vielfältigen möglichen Konstellationen auch nicht
zweckmässig gewesen. Irgendwo müsse freilich eine Grenze gezogen werden. In ZAK
1966 S. 208 seien z.B. die Kosten für den Bau einer Liftanlage als über diese
Grenze hinausgehend beurteilt worden. Indirekte anrechenbare Kosten seien
jedoch Auslagen und Aufwendungen, die ihrer Art nach mit der fraglichen Aus-
oder Weiterbildung in einem sachlich ausreichenden engen Zusammenhang stünden.
Das könnten Hilfs- oder Transportmittel sein, es könne auch Aufwand für
Hilfestellungen für die Überwindung von Schulwegen und irgendwelchen
Hindernissen im Erwerb von Kenntnissen oder Fertigkeiten der Aus- oder
Weiterbildung sein. Die indirekten Mehrkosten müssten ferner verhältnismässig
sein.

4.2 Die Beschwerde führende IV-Stelle argumentiert, bei der Weiterausbildung im
Sinne von Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG handle es sich im Unterschied zur
erstmaligen beruflichen Ausbildung nicht um eine eigentliche
Eingliederungsmassnahme; es würden einzig bereits ausgebildete und
eingegliederte behinderte Personen den Nichtbehinderten bezüglich der
Weiterausbildung gleichgestellt (Rz. 3027 KSBE). Demnach seien entgegen der
Ansicht der Vorinstanz ausschliesslich die Mehrkosten zu übernehmen, die in
einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Weiterausbildung stehen (Rz. 3040
KSBE). Die gegenüber der erstmaligen beruflichen Ausbildung nach Art. 16 Abs. 1
und 2 lit. a und b IVG strengere Betrachtungsweise finde in Art. 22 Abs. 5 IVG
ihren Niederschlag, indem einzig bei der Weiterausbildung der Anspruch auf
Taggelder zum vornherein ausgeschlossen werde. Diese vom Gesetzgeber gewollte
finanzielle Schlechterstellung der Weiterausbildung gegenüber der erstmaligen
beruflichen Ausbildung sei auch bei der Auslegung von Art. 5bis Abs. 3 IVV zu
beachten. Sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung als auch aus der genannten
Wertung des Gesetzgebers ergebe sich, dass die Aufzählung in Art. 5bis Abs. 3
IVV abschliessend sei. Zu prüfen bleibe demnach einzig, ob die Mehrkosten der
Hilfsperson sich unter diese Norm subsumieren lassen. Dies sei klar nicht der
Fall. Insbesondere diene die Hilfsperson der Versicherten nicht dazu, ihre
Berufskenntnisse und Fertigkeiten zu verbessern. In den in Rz. 3041 KSBE
genannten Beispielen würden denn auch keine Hilfspersonen aufgeführt. Die
Ansicht der Vorinstanz hätte im Übrigen zur Folge, dass mit der Anerkennung der
entsprechenden Mehrkosten eine Art Ersatztaggeld an die Versicherte
ausgerichtet würde. Die Mehrkosten der Hilfsperson, welche die Arbeitgeberin
der Versicherten vertraglich auferlegt habe, schmälere nämlich deren Einkommen.
Es handle sich somit um einen Erwerbsausfall, den der Gesetzgeber bei der
Weiterausbildung nach Art. 22 Abs. 5 IVG gerade nicht entgelten wollte.

5.
Das kantonale Gericht hat die streitige Übernahme der Kosten einer
Begleitperson während des Nachtdienstes durch die Invalidenversicherung bejaht,
unter anderem mit der sinngemässen Begründung, Art. 5bis Abs. 3 IVV enthalte
keine abschliessende Aufzählung der anrechenbaren Kosten und die Rechtsprechung
anerkenne auch indirekte Aufwendungen als anrechenbar. Zu prüfen ist, ob dieser
Betrachtungsweise entgegen der Auffassung der IV-Stelle und des BSV gefolgt
werden kann.

5.1 Die Gesetzmässigkeit von Art. 5bis IVV, insbesondere auch dessen Absatz 3,
wird zu Recht nicht in Frage gestellt. Dieser Artikel hält sich als
Ausführungsbestimmung im Rahmen des (weit gefassten) Gesetzes. Verordnungsrecht
ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen,
Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit
seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 128 V 20 E. 3a S. 24, 126 V 468 E. 5a S.
472, 122 V 85 E. 5a/aa S. 93). Dazu gehört auch der Wille des Gesetzgebers, wie
er bei der 4. IV-Revision in der ab 1. Januar 2004 gültigen Neufassung von Art.
16 Abs. 2 lit. c IVG Ausdruck gefunden hat, der Art. 5bis IVV zugrunde liegt.

5.2 Der IV-Stelle ist insofern beizupflichten, dass die IVV in Art. 5bis Abs. 3
entgegen der Auffassung der Vorinstanz einen abschliessenden Katalog der
anrechenbaren Kosten der beruflichen Weiterausbildung enthält. Der
Interpretation bedarf, was unter Aufwendungen für die Vermittlung der
erforderlichen Kenntnisse (...les dépenses faites pour acquérir les
connaissances et l'habileté nécessaires...; Fanno parte delle spese
riconosciute dall'assicurazione ...quelle fatte per acquisire le necessarie
cognizioni e abilità...) im Sinne von Art. 5bis Abs. 3 IVV zu verstehen ist.
5.2.1 Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut. Der Verordnungstext ist
nicht eindeutig und lässt verschiedene Auslegungen zu. Es muss daher nach
seiner wahren Tragweite gesucht werden (vgl. BGE 131 II 217 E. 2.3 S. 221). Es
fragt sich, ob darunter nur Mehrkosten zu verstehen sind, die unmittelbar mit
der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten anfallen, oder auch solche,
die indirekt damit verbunden sind. Letzteres ist vom Wortlaut her nicht
ausgeschlossen.
5.2.2 Bei der Auslegung von Art. 5bis Abs. 3 IVV ist zu beachten, was Art. 16
Abs. 1 IVG, dem die berufliche Weiterausbildung nach Abs. 2 lit. c
gleichgestellt ist, normiert: Der Anspruch auf Kostenersatz geht auf infolge
Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange
zusätzlich entstehende Kosten. Der Anspruch richtet sich auf bei der Ausbildung
entstehende Kosten (...à qui sa formation professionnelle initiale occasionne,
du fait de son invalidité, ...des frais supplémentaires...; ...e che a cagione
della loro invalidità incontrano notevoli spese suppletive per la prima
formazione professionale...). Darunter fallen nach Sinn und Zweck des Gesetzes
nicht nur Aufwendungen für die berufliche Weiterausbildung im engsten Sinne.
Andernfalls hätte der Verordnungsgeber die Leistungspflicht auf die Vergütung
von Aufwendungen für die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und
Fertigkeiten im Beruf beschränken müssen. Die Verordnung hat jedoch in
gesetzeskonformer Umsetzung, was nicht umstritten ist, den Kreis der
anrechenbaren (zusätzlichen) Kosten über den Kern der beruflichen
Weiterausbildung hinaus gezogen und nebst den Kosten für persönliche Werkzeuge
und Berufskleider auch die Transportkosten sowie die Kosten bei
invaliditätsbedingter auswärtiger Verpflegung und Unterkunft in die Anrechnung
einbezogen. Alle gemäss Verordnungstext anrechenbaren Aufwendungen müssen in
einem Zusammenhang mit der beruflichen Weiterausbildung stehen. Der Konnex ist
dann eng und unmittelbar, wenn es um die Vermittlung der beruflichen Kenntnisse
und Fertigkeiten an sich geht. Rz. 3041 KSBE führt diese - im Gegensatz zur IVV
- exemplifikativ auf: Schul-, Lehr- und andere Ausbildungsgelder, Seminar-,
Praktikums- und andere unerlässliche Ausbildungs- und Prüfungsgebühren sowie
Kosten für obligatorische Exkursionen.
5.2.3 Es stellt sich die Frage, ob auch Aufwendungen wie vorliegend die
Begleitung einer versicherten Person im Nachtdienst während der medizinischen
Assistenzzeit noch als anrechenbare Kosten im Sinne von Art. 5bis Abs. 3 IVV
gelten können. Ein sachlicher Konnex zur Ausbildung und deren Zielsetzung kann
nicht verneint werden, weil der Facharzttitel FMH ohne diesen obligatorischen
praktischen Dienst nicht zu erlangen ist.
In den Erkenntnisvorgang über Sinn und Zweck von Art. 5bis Abs. 3 IVV sind die
Materialien für dessen gesetzliche Grundlage, nämlich Art. 16 Abs. 2 lit. c
IVG, wie er im Rahmen der 4. IV-Revision Gesetz geworden ist, einzubeziehen. Im
Gegenzug zur erfolgten Ausweitung der Leistungsübernahme für berufliche
Weiterbildung über das angestammte Berufsfeld hinaus begrenzte der Gesetzgeber
den Anspruch durch klare Definition auf Gesetzesstufe, wonach die berufliche
Massnahme geeignet und angemessen sein muss und dadurch die Erwerbsfähigkeit
voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann. Übernommen werden sollen
nur die invaliditätsbedingten Mehrkosten (Transport, Dolmetscherkosten, Kosten
der Vergrösserung von Literatur für Sehbehinderte usw.; Botschaft des
Bundesrates über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung, BBI 2001 S. 3205 ff., S. 3256 f. und S. 3283; Protokoll
der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, Sitzung
vom 24. August 2001, S. 38 ff.; Amtl. Bulletin SR 2002 S. 756 [Votum
Bundesrätin Dreifuss]; SVR 2006 IV Nr. 47 S. 171). Daraus folgt, dass nach dem
gesetzlichen Verständnis auch indirekte invaliditätsbedingte (Mehr-)Kosten der
erstmaligen beruflichen Ausbildung oder der beruflichen Weiterausbildung
vergütungspflichtig sind. Massgebend ist, ob das von der Invalidenversicherung
anerkannte Berufsziel ohne bestimmte Begleitmassnahmen, die überdies
verhältnismässig sein müssen, gar nicht erreichbar wäre. Dieses Ergebnis fügt
sich übrigens grundsätzlich in eine Rechtsprechung aus den Anfängen des IVG
ein. Zur ersten Fassung von Art. 16 IVG über die erstmalige berufliche
Ausbildung erkannte das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass auch
Aufwendungen, die nur indirekt dem Ausbildungsziel dienen, Mehrkosten für die
erstmalige berufliche Ausbildung sein können. Es dürfe sich jedoch nur um
Leistungen handeln, die ihrer Art nach üblicherweise mit der erstmaligen
Ausbildung zusammenhängen, was beim Bau einer Liftanlage nicht der Fall sei
(ZAK 1966 S. 208).
5.2.4 Wie das kantonale Gericht zutreffend ausführt, handelt es sich bei den
streitigen Aufwendungen um indirekte invaliditätsbedingte Mehrkosten, welche
der Katalog von Art. 5bis Abs. 3 IVV nicht ausdrücklich erwähnt. Sie müssen,
wenn sie zufolge Invalidität notwendig sind und im Vergleich zu einem gesunden
Versicherten Mehrkosten schaffen, übernommen werden, sofern sie Aufwand für die
Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten darstellen.
Lesegeräte für Sehbehinderte könnten allenfalls noch als Aufwendungen für
persönliche Werkzeuge qualifiziert werden. Sie sind jedoch klarerweise wie
Dolmetscherkosten Aufwand, welcher im wahrsten Sinne des Wortes direkt der
wegen Invalidität (Lese- oder Hörbehinderung) unabdingbaren optischen oder
auditiven Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen dient und damit
jedenfalls in einem genügend engen sachlichen Konnex zur beruflichen Ausbildung
steht. Der Einwand des BSV, in Rz. 3041 KSBE seien keine Hilfspersonen
aufgeführt, sticht daher nicht. Verwaltungsweisungen sind wohl für die
Durchführungsorgane, nicht jedoch für die Sozialversicherungsgerichte
verbindlich. Sie sind unbeachtlich, wenn sie die Vorgaben des Gesetzes nicht
überzeugend umsetzen (BGE 132 V 121 E. 4.4 S. 125).
Nicht anders verhält es sich mit den durch vertragliche Auflage des
Arbeitgebers verursachten zusätzlichen Kosten der Begleitung der versicherten
Person im Nachtdienst, wenn diese wegen der Invalidität notwendig ist und nicht
von der die Ausbildung organisierenden Institution gestellt und finanziert
wird. Nicht zwingend erforderlich, wenn auch anzustreben ist, dass eine solche
Hilfsperson selber über Kenntnisse und Erfahrung im einschlägigen Fachbereich
verfügt. Soweit eine solche Hilfsperson selber über qualifizierte Kenntnisse
und Erfahrung im Umgang mit Heimbewohnern verfügt - was vorliegend beim Ehemann
der Versicherten zutreffen kann (E.6.2 nachstehend) - kommt dies unmittelbar
auch dem Ziel des Assistenzdienstes zustatten. Werden damit lediglich
"Bodyguard-Aufgaben" gegenüber sich aggressiv verhaltenden Patienten erfüllt,
bei denen Oberhand gewonnen werden muss, ist zwar der Konnex zum gesetzlich wie
verordnungsmässig verfolgten Zweck des Wissens- und Erfahrungstransfers etwas
lockerer, aber noch immer genügend eng im Sinne einer indirekten,
invaliditätsbedingten Vorkehr.
5.2.5 Schliesslich ist das Argument der Beschwerde führenden IV?Stelle, die
Anerkennung der beantragten Mehrkosten laufe auf eine Art Ersatztaggeld für
Erwerbsausfall hinaus, welchen der Gesetzgeber bei der Weiterausbildung nach
Art. 22 Abs. 5 IVG gerade nicht entgelten wollte, nicht überzeugend; es geht an
der Tatsache vorbei, dass eine gesunde versicherte Person diese zusätzlichen
Aufwendungen für die berufliche Weiterausbildung nicht auf sich nehmen müsste.

6.
6.1 Im Urteil vom 23. Dezember 2005 (I 285/2005), womit das Eidgenössische
Versicherungsgericht den Anspruch der Versicherten auf finanzielle Beteiligung
der Invalidenversicherung an den Kosten für den Erwerb des Facharzttitels FMH
für Psychiatrie und Psychotherapie geschützt hat, wurde im Zusammenhang mit der
Eignung der gewählten Weiterausbildung erkannt, dass die Versicherte während
der Weiterausbildung auch mit Personen zu tun habe, welche sich nicht auf
eigenes Begehren oder gar gegen ihren Willen in der ausbildenden Anstalt
aufhalten. Dadurch seien eskalierende Situationen möglich, welche die
Versicherte infolge ihrer (körperlichen) Behinderung nicht aus eigener Kraft
beruhigen oder gar in den Griff bekommen könne. Nach Abschluss der
Weiterausbildung sei die Versicherte nicht mehr notwendigerweise allfälliger
Gewalt durch Patienten ausgesetzt.
Die Versicherte ist wegen ihres körperlichen Gebrechens im Nachtdienst für
Notsituationen mit aggressiv erregten Patienten auf eine Hilfs- und
Begleitperson angewiesen. Sie hat daher nach dem Gesagten grundsätzlich
Anspruch auf Ersatz der ihr daraus entstandenen Mehrkosten der beruflichen
Weiterausbildung als Fachärztin.

6.2 Nach der Aktenlage hat der Ehemann der Versicherten diese beim Nachtdienst
als Assistenzärztin begleitet. Er arbeitet als Pflegehilfe in einem St. Galler
Alters- und Pflegeheim und hat einen Rot-Kreuz-Kurs absolviert. Es ist
anzunehmen, dass er über praktische Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit
aggressiven Patienten während der Nachtwache verfügt. Insoweit ergänzt dies die
theoretisch vorhandenen Kenntnisse der Versicherten, womit die Hilfestellung
auch ein praktisches Lernziel erfüllt.

6.3 Das kantonale Gericht hat daher Bundesrecht nicht verletzt, wenn es den
Anspruch der Beschwerdegegnerin auf Vergütung der Aufwendungen aus dem Beizug
einer begleitenden Hilfsperson für Nachtdienste grundsätzlich bejaht und die
Sache zur Festsetzung der Mehrkosten in masslicher Hinsicht an die IV-Stelle
zurückgewiesen hat.

7.
Als unterliegende Partei hat die IV-Stelle die Gerichtskosten zu tragen (Art.
66 Abs. 1 BGG) und überdies die Beschwerdegegnerin zu entschädigen (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Oktober 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Nussbaumer