Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 19/2007
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9C_19/2007

Urteil vom 28. Januar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Ausgleichskasse Zug, Baarerstrasse 11,
6300 Zug, Beschwerdeführerin,

gegen

G.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
Clarastrasse 56, 4005 Basel.

Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
29. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 28. September 2004 eröffnete die Eidgenössische
Bankenkommission über die Firma P.________ AG den Konkurs. Mit Verfügung vom
10. Juli 2006 verpflichtete die Ausgleichskasse Zug D.________ bis 10.
September 2003 einziges Mitglied des Verwaltungsrates der Konkursitin, zur
Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 10'822.70 für unbezahlt
gebliebene Beiträge. Am 20. Juli 2006 erging eine Schadenersatzverfügung über
den nämlichen Betrag an G.________ mit der Begründung, er sei ehemals
faktisches Organ der Firma P.________ AG gewesen und als solches
schadenersatzpflichtig. Auf Einsprache der beiden Belangten hin hielt die
Ausgleichskasse mit Entscheid vom 5. Oktober 2006 an ihrem Standpunkt fest.

B.
In teilweiser Gutheissung der von G.________ hiegegen eingereichten
Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz den angefochtenen
Einspracheentscheid auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen im
Sinne der Erwägungen und neuer Verfügung an die Ausgleichskasse zurück
(Entscheid vom 29. Januar 2007).

C.
Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheides sei G.________ zur Bezahlung von Schadenersatz in der verfügten
Höhe zu verpflichten; eventuell sei die Sache zu materieller Beurteilung an
das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Während G.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz äussert sich in ablehnendem Sinne
zur Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die Sache an die
Beschwerde führende Ausgleichskasse zurückgewiesen hat, damit diese, nach
ergänzenden Abklärungen in tatsächlicher Hinsicht, über die
Schadenersatzpflicht des Belangten neu entscheide.

2.
2.1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren
abschliessen (Art. 90 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die
Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). Gegen andere selbstständig
eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach Art. 93 BGG
zulässig:
a. wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken  können; oder
b. wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid  herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder   Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen
würde.

2.2 In BGE 133 V 477 hat sich das Bundesgericht mit den in Art. 90 bis 93 BGG
geregelten End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheiden befasst. Im Rahmen
dieser Terminologie gelten als Endentscheide Entscheide, die das Verfahren
prozessual abschliessen, sei es mit einem materiellen Entscheid oder
Nichteintreten. Beim Teilentscheid wiederum handelt es sich um eine Variante
des Endentscheids. Vor- und Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das
Verfahren nicht abschliessen und daher weder End- noch Teilentscheide sind;
sie können formell- oder materiellrechtlicher Natur sein. Ein
Rückweisungsentscheid schliesst das Verfahren nicht ab und ist somit nach der
Regelung des BGG kein Endentscheid. Dies gilt auch für
Rückweisungsentscheide, mit denen eine materielle Grundsatzfrage entschieden
wird.

2.3 Ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachender
Nachteil ist gegeben, wenn er auch mit einem für die Beschwerde führende
Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich behoben werden kann
(Urteil 9C_613/2007 vom 23. Oktober 2007 und 9C_301/2007 vom 28. September
2007). Die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu weiterer oder
ergänzender Abklärung und neuer Entscheidung stellt lediglich insoweit einen
solchen Nachteil für die Verwaltung dar, als diese durch materielle Vorgaben
wesentlich in ihrem Beurteilungsspielraum eingeschränkt wird und davon in der
Folge nicht mehr abgewichen werden kann. Die Verpflichtung der IV-Stelle zur
Vornahme weiterer oder ergänzender Abklärungen und zu neuer Entscheidung
durch das kantonale Gericht stellt keinen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar. Dies gilt, selbst wenn die
vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche Sachverhalt sei ungenügend
abgeklärt, offensichtlich unrichtig wäre oder auf einer qualifiziert
unrichtigen oder sogar willkürlichen Beweiswürdigung beruhte (Urteile
9C_613/2007 vom 23. Oktober 2007, 9C_301/2007 vom 28. September 2007). Auch
im Bereich der AHV kann ein irreparabler Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1
lit. a BGG nur angenommen werden, wenn die Ausgleichskasse durch den
Rückweisungsentscheid infolge materieller Vorgaben derart in ihrem
Beurteilungsspielraum eingeschränkt wird, dass sie hievon in der Folge nicht
mehr abweichen kann. Dies trifft bei der Verpflichtung der Ausgleichskasse zu
weiteren Abklärungen und neuer Verfügung, wie im vorliegenden Fall, nicht zu.

3.
Auch in Bezug auf den Eintretensgrund von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist die
selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen
Gründen eine Ausnahme, die restriktiv zu handhaben ist. Dies umso mehr, als
die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid
nicht selbst anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten,
soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Das
Bundesgericht prüft nach freiem Ermessen, ob die Voraussetzung von Art. 93
Abs. 1 lit. b BGG, dass bei einer Gutheissung der Beschwerde ein bedeutender
Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart
werden kann, erfüllt ist (BGE 133 IV 288 E. 3.2 S. 292; Urteil 9C_446/2007
vom 5. Dezember 2007, 8C_224/2007 vom 23. Oktober 2007, 1C_136/2007 vom 24.
September 2007). Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, ist
auf Beschwerden gegen vorinstanzliche Rückweisungsentscheide, mit denen
einzig eine ergänzende Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, auch unter dem
Blickwinkel von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG in der Regel nicht einzutreten
(Urteile 9C_446/2007 vom 5. Dezember 2007, 9C_234/2007 vom 3. Oktober 2007
und 9C_276/2007 vom 25. Juni 2007). Zwar würde die Gutheissung der von der
Ausgleichskasse eingereichten Beschwerde, d.h. die Bejahung der
Schadenersatzpflicht des Beschwerdegegners im Betrag von Fr. 10'822.70,
sofort einen Endentscheid herbeiführen, womit ein gewisser Verfahrensaufwand
vermieden werden könnte. Dies gilt jedoch insoweit nicht, als mit der
Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird, weil
D.________, der den Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2006 nicht angefochten
hatte, von der Vorinstanz nicht zum Verfahren beigeladen worden sei. Denn
eine Rückweisung durch das Bundesgericht zur Beiladung von D.________ und
damit zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im kantonalen Verfahren wäre kein
Endentscheid.
Indessen wird weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass der mit einem
Endentscheid eingesparte Aufwand bedeutend wäre. Wie das Bundesgericht des
Weiteren im Urteil 9C_234/2007 dargelegt hat, darf sodann nicht ausser Acht
gelassen werden, dass die Schlussfolgerung einer Vorinstanz, wonach der
rechtserhebliche Sachverhalt nicht genügend abgeklärt sei, eine Tatfrage
darstellt, welche das Bundesgericht nur mit eingeschränkter Kognition prüfen
kann (Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG). Eine derartige vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung dürfte in der Regel nicht offensichtlich unrichtig
sein, womit die Beschwerde ebenso regelmässig abzuweisen wäre, und der damit
bezweckte Nutzen doch nicht einträte. Auch aus diesem Grund ist es
gerechtfertigt, auf die Beschwerde gegen den angefochtenen
Rückweisungsentscheid nicht einzutreten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1100.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Januar 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer