Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 14/2007
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9C_14/2007

Urteil vom 2. Mai 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

M.________, Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe, Ankerstrasse 53, 8004
Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 9. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
M.________ bezieht seit Dezember 1995 eine Altersrente der Ausgleichskasse
für das schweizerische Bankgewerbe (im Folgenden: Ausgleichskasse). Am 6.
September 1996 heiratete sie, ohne die Zivilstandsänderung der
Ausgleichskasse zu melden. Mit Verfügung vom 15. August 2005 forderte die
Ausgleichskasse von M.________ unter Hinweis auf unrechtmässig bezogene
Leistungen den Betrag von Fr. 5'521.- zurück. Hierauf ersuchte M.________ mit
persönlicher Vorsprache vom 7. September 2005 um (Teil-) Erlass der
Rückforderung. Die Ausgleichskasse prüfte die wirtschaftlichen Verhältnisse
der M.________ und verfügte am 11. Oktober 2005 mangels grosser Härte die
Abweisung des Erlassgesuches. M.________ erhob Einsprache und beanstandete
die Berechnung des Härtefalles. Mit Einspracheentscheid vom 12. Januar 2006
bestätigte die Ausgleichskasse ihre Verfügung.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der M.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 9. Januar
2007 ab.

C.
M.________ führt Beschwerde und beantragt den Erlass der Rückerstattung mit
der sinngemässen Begründung, sie sei gutgläubig gewesen.

Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 (AS
2006, 1242) ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht (Art. 132
Abs. 1 BGG). Die Eingabe der Beschwerdeführerin ist als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen und zu erledigen
(Art. 82 ff. BGG). Es kann mit ihr die Verletzung von Bundesrecht im Sinne
von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG).

2.
Das kantonale Gericht legt die Rechtsgrundlagen betreffend den Erlass der
Rückerstattung unrechtmässig gewährter Leistungen (Art. 25 ATSG und Art. 4
ATSV; vgl. auch BGE 112 V 97 E. 2c S. 103) zutreffend dar. Darauf wird
verwiesen.

3.
Die Vorinstanz erwog, die Versicherte hätte wissen müssen, dass sich ihre
Heirat auf die Altersrente auswirken könnte. Selbst wenn der Eheschluss keine
Auswirkungen auf die Rentenhöhe gehabt hätte, wäre die Zivilstandsänderung
meldepflichtig gewesen. Indem die Beschwerdeführerin ihrer Meldepflicht nicht
nachgekommen sei, habe sie grob nachlässig gehandelt. Daran ändere auch der
Umstand nichts, dass sie sich dieser Pflicht nicht bewusst gewesen sei.

Die Versicherte bringt vor, sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob sie
davon ausgegangen sei, ihre Heirat werde der Ausgleichskasse durch die
Gemeinde mitgeteilt oder ob sie "einfach nicht daran gedacht habe", die
entsprechende Mitteilung der Kasse zukommen zu lassen. Mit Sicherheit habe
sie nicht absichtlich gehandelt, sondern gutgläubig und allenfalls leicht
fahrlässig.

4.
4.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend erwägt, ist der gute Glaube als
Erlassvoraussetzung nicht schon mit der Unkenntnis des Rechtsmangels gegeben.
Die Leistungsempfängerin darf sich vielmehr nicht nur keiner böswilligen
Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben.
Der gute Glaube entfällt somit einerseits von vornherein, wenn die zu Unrecht
erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde-
oder Auskunftspflichtverletzung zurückzuführen ist. Anderseits kann sich die
rückerstattungspflichtige Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihr
fehlerhaftes Verhalten nur leicht fahrlässig war (BGE 112 V 97 E. 2c S. 103).
Wie in anderen Bereichen beurteilt sich das Mass der erforderlichen Sorgfalt
nach einem objektiven Massstab, wobei aber das den Betroffenen in ihrer
Subjektivität Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand,
Bildungsgrad usw.) nicht ausgeblendet werden darf (Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 622/05 vom 14. August 2006 E. 4.4, publiziert in: SVR
2007 IV Nr. 13 S. 49).

4.2 Es ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem
Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen
Umständen auf den guten Glauben berufen kann und ob er bei zumutbarer
Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Das
Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die
nach Massgabe von Art. 105 Abs. 1 BGG von der Vorinstanz verbindlich
beantwortet wird. Demgegenüber handelt es sich bei der gebotenen
Aufmerksamkeit um eine frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht,
festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen
Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 221 E. 3 S. 223).

5.
5.1 Die Vorinstanz hat das fehlende Unrechtsbewusstsein der Versicherten in
einer für das Bundesgericht gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG verbindlichen Weise
bejaht.

5.2 Nach den für das Bundesgericht ebenfalls verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz enthielten die Rentenverfügungen den expliziten Hinweis darauf,
Änderungen im Zivilstand seien meldepflichtig. Die Versicherte bringt zwar
glaubhaft vor, sie habe ihre Meldepflicht nicht absichtlich verletzt (E. 5.1
hievor). Indes muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht das
Mindestmass an Aufmerksamkeit aufgewendet zu haben, das von einem
verständigen Menschen in gleicher Lage und unter den gleichen Umständen
verlangt werden darf (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I
622/05 vom 14. August 2006 E. 4.4 mit Hinweis auf BGE 110 V 176 E. 3d S.
181). Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin gut ausgebildet ist
(Abschluss einer kaufmännischen Lehre mit dem Diplom; Besuch verschiedener
Kurse im Sprach- und Computerbereich, in der Personalführung sowie
Kaderschulungen) und verschiedentlich in verantwortungsvollen Positionen
berufstätig war (unter anderem als Sekretärin, in der Buchhaltung und zuletzt
bei einer Grossbank als Sachbearbeiterin und Sekretärin in der
Export-Finanzabteilung). Mit der von ihr zu erwartenden Umsicht hätte sie
ohne weiteres merken müssen, dass ihre Heirat gegenüber der Ausgleichskasse
meldepflichtig war. Wenn sie dies nicht erkannte, liegt darin nicht nur eine
leichte Nachlässigkeit, sondern eine trotz ihres Alters nicht leicht wiegende
Pflichtwidrigkeit, weshalb Vorinstanz und Verwaltung die Gutgläubigkeit beim
Leistungsbezug zu Recht verneint haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 2. Mai 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: