Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 147/2007
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9C_147/2007

Urteil vom 9. August 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

P. ________, 1953, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Müller, Dornacherstrasse 10,
4600 Olten,

gegen

Ausgleichskasse der Aarg. Industrie- und Handelskammer, Entfelderstrasse 11,
5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
Solothurn
vom 12. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene P.________ bezieht seit dem 1. August 1993 eine Witwenrente
und für ihren Sohn D.________ eine Waisenrente. Nachdem der Sohn am
27. November 2001 das 18. Altersjahr vollendet und in der Folge bei der
Ausgleichskasse der Aarg. Industrie- und Handelskammer seinen Lehrvertrag
eingereicht hatte, wurde die Auszahlung der Waisenrente aufrechterhalten. Am
4. Juli 2005 teilte P.________ der Ausgleichskasse mit, das Lehrverhältnis
ihres Sohnes sei bereits am 12. November 2002 aufgelöst worden. Mit Verfügung
vom 15. Juli 2005 forderte die Ausgleichskasse von der Versicherten die
bezogene Rente für die Zeit von Dezember 2002 bis Juli 2005 in der Höhe von
Fr. 25'789.- zurück. Die dagegen erhobene Einsprache, womit die Rückforderung
beanstandet und der Verzicht auf Rückerstattung der zu viel ausbezahlten
Waisenrente beantragt wurden, wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom
1. September 2005 ab, wobei einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende
Wirkung entzogen wurde.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 12. März 2007 ab.

C.
P.________ lässt Beschwerde führen und folgende Rechtsbegehren stellen:
"1. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 12. März
2007 betr. Rückforderung Waisenrente sei aufzuheben.

2.  Auf eine Rückforderung der zuviel ausbezahlten Waisenrente im Betrag von
Fr. 25'789.- sei zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zur Abklärung, ob
die Rückforderung eine grosse Härte darstellt, an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

3.  Eventualiter sei der Rückforderungsbetrag angemessen zu reduzieren.

4.  Der Beschwerdeführerin sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren
unter Beiordnung des Unterzeichneten als unentgeltlichen Rechtsbeistand.

5. U.K.u.E.F."

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den streitigen Fragen
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Im angefochtenen Entscheid erwog die Vorinstanz, die Beschwerdeführerin
habe ab Auflösung des Lehrverhältnisses ihres Sohnes im November 2002 keinen
Anspruch mehr auf eine Waisenrente gehabt. Da die Leistungen ab diesem Datum
unrechtmässig gewährt und nicht in gutem Glauben empfangen worden seien,
müsse die Beschwerdeführerin zur Rückerstattung des Betrages von Fr. 25'789.-
verpflichtet werden und sei das Gesuch um Erlass der Rückforderung mangels
guten Glaubens abzuweisen. Aus der geltend gemachten, aber nicht belegten
rechtzeitigen Orientierung der Pensionskasse über den Lehrabbruch und aus der
angeblichen Unkenntnis der Beschwerdeführerin bezüglich des schweizerischen
Sozialversicherungssystems könne nichts zu ihren Gunsten abgeleitet werden.

2.2 Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, sie habe gutgläubig darauf
vertrauen dürfen, dass der wegen des Drogenkonsums ihres Sohnes
verunmöglichte regelmässige Tagesablauf nicht einen Abbruch, sondern
lediglich einen Unterbruch der Lehre zur Folge gehabt hätte. Seine
Suchtproblematik hätte zudem zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt, weshalb
frühestens ein Jahr nach Auflösung des Lehrvertrages klar gewesen sei, dass
die Ausbildung nicht beendet werde, weshalb eine Rückforderung frühestens ab
Dezember 2003 in Frage komme. Bezüglich der Meldepflicht sei ihr kein
Versäumnis bewusst gewesen, habe sie doch der Pensionskasse die Auflösung des
Lehrverhältnisses rechtzeitig gemeldet und geglaubt, mit dieser Mitteilung
sei sie ihrer Meldepflicht genügend nachgekommen. Gerade diese Meldung zeige
ihre Gutgläubigkeit; denn hätte sie zu Unrecht weiterhin die Waisenrente
ihres Sohnes beanspruchen wollen, hätte sie der Pensionskasse keine Meldung
zukommen lassen.

2.3 Mit ihren Einwendungen dringt die Beschwerdeführerin nicht durch. Die
Vorinstanz hat gestützt auf den unbestrittenen Sachverhalt überzeugend
dargelegt, aus welchen Gründen der Anspruch auf die Waisenrente ab Dezember
2002 nicht mehr bestanden hatte, die zu Unrecht bezogene Rente grundsätzlich
die Rückerstattungspflicht nach sich zieht und das Gesuch um Erlass der
Rückforderung vorliegend abzuweisen ist.
Zunächst ist zu beachten, dass die grundsätzliche Pflicht zur Rückerstattung
der von der Beschwerdeführerin zu Unrecht bezogenen Leistungen auch bei
mangelnder Meldepflichtverletzung nicht ausnahmsweise mit der Begründung
verneint werden könnte, der Ausgleichskasse sei bei der ursprunglichen
Aufrechterhaltung der Auszahlung der Waisenrente ein Fehler bei der
Beurteilung eines spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen
Gesichtspunktes unterlaufen, ging es dabei doch eindeutig um einen
ahv-analogen Aspekt des Handelns der Verwaltung (BGE 110 V 298 E. 2a S. 301;
Urteil C. vom 25. Februar 2003, I 353, E. 4.2).
Was den guten Glauben als Voraussetzung des Erlasses anbelangt, lässt die am
15. November 2002 verfasste Mitteilung des Betriebes, bei welchem der Sohn
der Versicherten seine Lehre am 13. August 2001 begonnen hatte, über den
Abbruch des Lehrverhältnisses keine Zweifel offen. Zudem überzeugt die
Argumentation der Beschwerdeführerin nicht, wenn sie einerseits geltend
macht, eine Meldepflicht habe im Jahr 2002 überhaupt nicht bestanden, weil zu
diesem Zeitpunkt kein Lehrabbruch stattgefunden habe, andererseits aber
dafürhält, sie sei mit der Meldung des Lehrabbruchs ihres Sohnes an die
Pensionskasse ihrer Pflicht genügend nachgekommen und habe nicht gewusst,
dass sie die Auflösung des Lehrvertrags auch der Ausgleichskasse hätte melden
müssen.
Da die Beschwerde somit nicht darlegt, dass und inwiefern die
vorinstanzlichen Schlussfolgerungen bei der gegebenen Aktenlage
offensichtlich unrichtig (Art. 105 Abs. 2 BGG) wären oder Bundesrecht
verletzen würden (Art. 95 lit. a BGG), ist der kantonale Entscheid zu
bestätigen.

3.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG), wobei Streitigkeiten um den
Erlass von Rückerstattungen nicht als Streitigkeiten über
Sozialversicherungsleistungen (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG) gelten (BGE 122 V
221 E. 2), weshalb sich die Gerichtsgebühr nach Art. 65 Abs. 3 BGG richtet.
Da die Beschwerdeführerin über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, hat das
Bundesgericht ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Beschluss vom
29. Mai 2007 abgelehnt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 9. August 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: