Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 129/2007
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9C_129/2007

Urteil vom 11. Dezember 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

Schweizerische National Leben AG,
Wuhrmattstrasse 19, 4103 Bottmingen, Beschwerdeführerin,

gegen

R.________, 1960, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hagmann,
Obere Bahnhofstrasse 11, 9501 Wil.

Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 24. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1960 geborene R.________ und die Schweizerische National Leben AG (im
Folgenden: National) schlossen mit Wirkung ab 1. Juni 1999 einen
Versicherungsvertrag für die gebundene Vorsorge der Säule 3a ab. Im Vorfeld
des Vertragsabschlusses verneinte R.________ auf dem Fragebogen zum
Gesundheitszustand vom 30. Mai 1999 unter anderem die Frage, ob jemals
Krankheiten, Störungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates (Knochen,
Gelenke, Wirbelsäule, Bandscheiben, Muskeln, Bänder, Sehnen), wie Rücken-,
Nacken- und Schulterbeschwerden, Arthrose, Rheuma oder andere bestehen oder
bestanden hätten, obwohl er rund ein Jahr zuvor, im Mai 1998, Dr. med.
L.________, Facharzt FMH für Allgemeine Medizin, wegen einer
Schleimbeutelentzündung am rechten Knie (Bursitis infrapatellaris profunda)
aufgesucht hatte. Am 16. Dezember 2003 ersuchte R.________ die National unter
Hinweis auf eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit um Ausrichtung von
Rentenleistungen. Mit Verfügung vom 8. April 2004 sprach ihm die IV-Stelle
des Kantons St. Gallen ab 1. April 2004 eine halbe Invalidenrente zu. Weil
R.________ im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages eine
Gesundheitsfrage nicht korrekt beantwortet habe, erklärte die National am
12. Februar 2004 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und lehnte
gleichzeitig die Erbringung von Versicherungsleistungen ab.

B.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess die von R.________ eingereichte
Klage mit Entscheid vom 24. Januar 2007 gut, stellte fest, dass die National
nicht berechtigt war, vom Vertrag zurückzutreten und sprach ihm ab
1. November 2003 und bis Vertragsablauf (31. Mai 2026) eine jährliche Rente
von Fr. 12'480.- entsprechend einem Erwerbsunfähigkeitsgrad von 52 % zu.

C.
Die National führt Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie mit Schreiben vom 12. Februar
2004 berechtigterweise vom Vertrag zurückgetreten sei; eventuell sei die
Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter wird um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung ersucht.
Während R.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme.

D.
Das Bundesgericht erkannte der Beschwerde mit Zwischenverfügung vom 2. Mai
2007 aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsdarstellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner die im Mai 1998 von Dr. med.
L.________ behandelte Erkrankung am rechten Knie im Rahmen der am 30. Mai
1999 ausgefüllten Gesundheitserklärung nicht erwähnte. Streitig ist, ob die
Beschwerdeführerin deswegen - wie sie entgegen dem angefochtenen Entscheid
geltend macht - berechtigt war, vom Vertrag zurückzutreten.

3.
Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung dieser Streitfrage
einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Insbesondere hat es auch
die Rechtsprechung richtig wieder gegeben, wonach sich die Anzeigepflicht
nicht danach bestimmt, ob und wie bedeutsam der Antragsteller eine Krankheit
oder einen krankheitsverdächtigen Sachverhalt subjektiv einschätzt. Vielmehr
ist die Beurteilung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine
Krankheit oder Krankheitsanlage von Belang oder anzeigepflichtig ist,
ausschliesslich Sache der Versicherung. Wird in einer Gesundheitserklärung
nach bestehenden Krankheiten und bestimmten Krankheitsanlagen gefragt, ist
daher ohne Rücksicht auf die persönlichen Wertungen des Aufnahmebewerbers
jede vorhandene Gesundheitsstörung anzuzeigen und - nach Massgabe des
Fragenkataloges - ebenso jedes irreguläre gesundheitliche Geschehen, das auf
eine möglicherweise bestehende oder künftige Erkrankung hinweist. Von diesem
Grundsatz hat die Rechtsprechung lediglich vereinzelt aufgetretene
Unpässlichkeiten ausgenommen, die der Antragsteller in guten Treuen als
belanglose, vorübergehende Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens
betrachten darf und bei der gebotenen Sorgfalt nicht als Erscheinungen eines
ernsthafteren Leidens beurteilen muss (BGE 109 V 36 E. 1b S. 38, 106 V 170
E. 3b S. 174). Gemeint sind damit beispielsweise und in der Hauptsache
gelegentlich erlittene Erkältungskrankheiten oder grippale Infekte, die
jeweils als abgeschlossenes Geschehen ohne bleibende gesundheitliche
Beeinträchtigungen angesehen werden dürfen. Stehen jedoch die erwähnten
geringfügigen Beschwerden im Verdacht, Symptome einer möglicherweise erst zum
Ausbruch gelangenden oder noch nicht überwundenen Erkrankung zu sein, so hat
sie der Antragsteller in der Gesundheitserklärung anzugeben (RKUV 1989
Nr. K 825 S. 406 E. 2c).

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat, unter anderem gestützt auf die Ergebnisse einer
Parteiverhandlung, festgestellt, dass der Beschwerdegegner wegen
Kniebeschwerden im Mai 1998 ein einziges Mal den Arzt aufsuchte, ihm eine
Sportsalbe verabreicht wurde, die Entzündung daraufhin innert weniger Tage
folgenlos abheilte, wegen diesen Beschwerden keine Arbeitsunfähigkeit bestand
und es sich bei der Schleimbeutelentzündung um ein einmaliges Problem
handelte.

4.2 Die Beschwerdeführerin macht an sich nicht geltend, diese Feststellungen
seien offensichtlich unrichtig, hält sie jedoch mit der feststehenden
Diagnose einer (berufsbedingten) Bursitis für unvereinbar (Ausführungen der
Frau Dr. med. T.________ vom 22. Januar 2007). Indessen zeigt gerade die
medizinische Empirie, dass es im Einzelfall zu atypischen Verläufen kommen
kann, z.B. dass eine Bursitis nach einem erstmaligen Auftreten zunächst unter
konservativer Behandlung folgenlos abheilt, ohne dass bei dieser
Erstmanifestation sämtliche Symptome in voller Ausprägung vorhanden sein
müssten. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdegegner den Arzt an einem Samstag
aufsuchte, kann nicht auf die Intensität der Schmerzen geschlossen werden.
Ebenso wenig lässt sich aus der Tatsache, dass der Beschwerdegegner eine
Erwerbstätigkeit im Akkordlohn ausübte, ableiten, der Kontrolltermin sei aus
finanziellen Gründen nicht wahrgenommen worden und wegen letzteren habe er
sich auch nicht krank schreiben lassen. Weiter ist nicht aktenkundig, dass
das Knie stark angeschwollen, die Schmerzen speziell gross und ein typischer
"reiskornartiger Tastbefund" vorgelegen haben sollen, wie von der
Beschwerdeführerin geltend gemacht. Hinsichtlich der einzigen Konsultation im
Mai 1998 erschöpft sich der Bericht des behandelnden Arztes vom 4. Februar
2004 in der Diagnose "Arbeitsbedingte Bursitis infrapatellaris profunda
rechts" und der Bemerkung: "Verlauf unbekannt weil zum Kontrolltermin nicht
erschienen". Weitere Beweismittel liegen dazu nicht bei den Akten.

4.3 Die in E. 4.1 zusammengefassten Feststellungen des kantonalen Gerichts
halten daher im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG stand (E. 1). Der daraus
gezogene Schluss, es habe sich bei dieser Sachlage aus der Sicht des
Beschwerdegegners um eine belanglose gesundheitliche Beeinträchtigung
gehandelt, verletzt Bundesrecht nicht (E. 1), zumal im Zeitpunkt der
Gesundheitserklärung - trotz der erfahrungsgemäss kniebelastenden Arbeit als
Bodenleger - ein Jahr ohne Auftreten solcher Beschwerden vergangen war.

5.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Dezember 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Maillard