Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 110/2007
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9C_110/2007

Urteil vom 3. Dezember 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

F. ________, 1946, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Annen, Bahnhofstrasse 67, 8622 Wetzikon,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 19. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2006 (Datum der Postaufgabe: 18. Dezember
2006) sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem 1946 geborenen F.________
rückwirkend ab 1. November 2005 eine halbe Invalidenrente zu.

B.
Mit Eingabe vom 1. Februar 2007 liess F.________ beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde einreichen mit dem
Hauptantrag, unter Aufhebung der Verfügung vom 15. Dezember 2006 sei ihm
anstelle der halben ab 15. November 2005 eine ganze Invalidenrente
zuzusprechen. Mit Entscheid vom 19. Februar 2007 trat das kantonale Gericht
zufolge Fristversäumnisses auf die Beschwerde nicht ein. Am 2. März 2007
gelangte F.________ mit dem Gesuch um Wiederherstellung der Frist an das
Sozialversicherungsgericht. Mit Schreiben vom 13. März 2007 beschied ihm das
Gericht, dass der Nichteintretensentscheid vom 19. Februar 2007 nur mit der
in der Rechtsmittelbelehrung erwähnten Beschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden könne. An dieser Auffassung hielt das
Sozialversicherungsgericht mit einem weiteren Schreiben vom 19. März 2007
fest.

C.
F.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
die Sache zu neuer Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen; evtl.
sei die Sache zu neuer Entscheidung über das Fristwiederherstellungsgesuch an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf die Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 38 Abs. 1 ATSG beginnt eine Frist, die sich nach Tagen oder
Monaten berechnet und der Mitteilung an die Partei bedarf, am Tag nach ihrer
Mitteilung zu laufen. Nach Art. 38 Abs. 4 lit. c ATSG (in der seit 1. Januar
2007 in Kraft stehenden Fassung) stehen gesetzliche oder behördliche Fristen,
die nach Tagen oder Monaten bestimmt sind, vom 18. Dezember bis und mit dem
2. Januar still.
Nach der Rechtsprechung sind neue Verfahrensvorschriften vorbehältlich
anderslautender Übergangsbestimmungen grundsätzlich mit dem Tag des
Inkrafttretens sofort und in vollem Umfang anwendbar (BGE 129 V 113 E. 2.2
S. 115 mit Hinweisen; in BGE 133 V 96 nicht publizierte E. 4.2 des Urteils
U 337/05 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 16. Oktober 2006).
Nach Art. 82 Abs. 2 ATSG haben die Kantone ihre Bestimmungen über die
Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von 5 Jahren nach seinem Inkrafttreten
anzupassen. Bis dahin gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften. In BGE
132 V 361 E. 3.2.2 S. 366 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht u.a.
für den Bereich der Invalidenversicherung entschieden, dass auch während der
in Art. 82 Abs. 2 ATSG enthaltenen 5-jährigen (Übergangs-)Frist kein Raum für
die Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften bleibt, welche eine von
Art. 38 Abs. 4 und Art. 60 Abs. 2 ATSG abweichende Fristenstillstandsordnung
kennen oder einen bundesrechtlich vorgesehenen Fristenstillstand
ausschliessen.

2.
2.1 Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Art. 38 Abs. 4
lit. c ATSG in der auf den 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Fassung zur
Anwendung gelangt, wogegen kantonale Bestimmungen zum Fristenstillstand,
insbesondere auch § 13 Abs. 3 lit. c des Gesetzes über das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 7. März 1993 (GSVGer),
nicht massgebend sind.

2.2 Die Verfügung der IV-Stelle vom 15. Dezember 2006 wurde dem
Beschwerdeführer am 21. Dezember 2006, während des Fristenstillstandes,
zugestellt. Die Beschwerdefrist von 30 Tagen begann demnach nach Ablauf des
gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. c ATSG bis 2. Januar 2007 dauernden
Fristenstillstandes am 3. Januar 2007 zu laufen und endete am 1. Februar
2007. Die an diesem Tag der Post übergebene Beschwerde wurde somit
rechtzeitig eingereicht. Die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen
ist, wird über das Rechtsmittel materiell zu befinden haben.

2.3 Da die vorinstanzliche Beschwerde rechtzeitig eingereicht worden ist,
erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob das Sozialversicherungsgericht das
Fristwiederherstellungsgesuch hätte materiell prüfen müssen, wie dies der
Versicherte im Eventualantrag verlangt.

3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der IV-Stelle
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hätte dem obsiegenden
Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68
Abs. 1 und 2 BGG). Da der Versicherte in der Beschwerdeschrift ausdrücklich
auf eine Parteientschädigung verzichtet, falls diese von der IV-Stelle zu
entrichten wäre, ist entsprechend diesem Rechtsbegehren von der Zusprechung
einer Parteientschädigung abzusehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Entscheid vom 19. Februar
2007 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich zurückgewiesen, damit es über die Beschwerde des Versicherten vom
1. Februar 2007 materiell entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Zürich
auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Dezember 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer