Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.822/2007
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_822/2007

Urteil vom 5. August 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Parteien
Gerling-Konzern Allgemeine Versicherungs-AG, Dufourstrasse 46/48, 8034 Zürich,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Frey, Genferstrasse
24, 8002 Zürich,

gegen

OeKK Kranken- und Unfallversicherungen AG, Bahnhofstrasse 9, 7302 Landquart,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Schmid,
Hartbertstrasse 11, 7000 Chur,

K.________.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 13. November 2007.

Sachverhalt:

A.
K.________, geboren 1976, war seit 24. Juni 2002 bei der Firma V.________ AG
als Verkäuferin angestellt und in dieser Eigenschaft beim Gerling-Konzern
Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft (nachfolgend: Gerling-Konzern)
gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 12. März 2007 machte sie auf dem
Nachhauseweg einen Fehltritt. Frau Dr. med. W.________, Stationsärztin
Chirurgie/Orthopädie, Spital A.________, diagnostizierte am 13. März 2007 eine
Distorsion des oberen Sprunggelenkes (OSG) rechts mit lateraler
Seitenbandläsion Grad I bis II. Mit Verfügung vom 30. Mai 2007 lehnte der
Gerling-Konzern eine Leistungspflicht ab. Der Krankenversicherer von
K.________, die OeKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (nachfolgend: OeKK)
erhob Einsprache, welche der Gerling-Konzern am 5. Juli 2007 abwies.

B.
Die von der OeKK hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden mit Entscheid vom 13. November 2007 gut, hob die "zugrunde
liegende Verfügung" (recte: den Einspracheentscheid vom 5. Juli 2007) auf und
verpflichtete den Gerling-Konzern, K.________ für das Ereignis vom 12. März
2007 die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.

C.
Der Gerling-Konzern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die
Beschwerde vom 20. August 2007 abzuweisen. Das kantonale Gericht und die OeKK
schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Streitig ist, ob das Geschehen vom 12. März 2007 ein äusseres Ereignis im Sinne
der Rechtsprechung zu den unfallähnlichen Körperschädigungen (Art. 6 Abs. 2 UVG
in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV; BGE 129 V 466 mit Hinweisen) darstellt.

2.
Die Firma V.________ AG meldete am 19. März 2007, die Versicherte habe am 12.
März 2007 auf dem Nachhauseweg vom Geschäft einen Fehltritt gemacht.
Frau Dr. med. W.________ hielt am 13. März 2007 in der Krankengeschichte fest,
die Patientin habe am Vortag einen Fehltritt gemacht und seither Schmerzen
sowie eine leichte Schwellung im Bereich der lateralen Seitenbänder. Sie
diagnostizierte eine OSG-Distorsion rechts mit lateraler Seitenbandläsion Grad
I bis II und attestierte volle Arbeitsunfähigkeit bis 18. März 2007. Mit
Bericht vom 26. März 2007 bestätigte sie ihre Einträge vom 13. März 2007.
Gemäss Dr. med. E.________, Facharzt für Innere Medizin und Lungenkrankheiten,
hat die Versicherte am 12. März 2007 einen Fehltritt gemacht, welcher zur
Zerrung der lateralen Seitenbänder im rechten OSG führte und am 13. März 2007
im Notfall versorgt worden war. Er gab eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % vom
13. bis 19. März 2007 sowie von 50 % vom 20. bis 26. März 2007 an.
Aus dem Eintrag des Dr. med. P.________, Co-Chefarzt Chirurgie-Orthopädie,
Spital A.________, in die Krankengeschichte vom 12. April 2007 ergibt sich
nichts über den Hergang des Geschehens vom 12. März 2007.
Die Versicherte führte am 19. April 2007 im Fragebogen des Beschwerdeführers
wörtlich aus: "Bin beim Nachhausegehen auf dem Trottoir mit dem rechten Fuss
abgeknickt und (habe) mir dabei die Bänder am Fussgelenk überdehnt. ... Hatte
schon mehrmals Probleme mit den Bändern an den Fussgelenken. Seit der
Kindheit." Auf Nachfrage des Beschwerdeführers, welche äusseren Umstände zum
Ereignis führten, gab sie an: "Keine! Bin lediglich mit dem Fuss abgeknickt!"

3.
3.1 Bei unfallähnlichen Körperschädigungen nach Art. 9 Abs. 2 UVV müssen zur
Begründung der Leistungspflicht des Unfallversicherers mit Ausnahme der
Ungewöhnlichkeit die übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfalls erfüllt sein.
Besondere Bedeutung kommt hierbei der Voraussetzung des äusseren Ereignisses
zu, d.h. eines ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren,
sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfalles (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467). Die
schädigende äussere Einwirkung kann in einer körpereigenen Bewegung bestehen
(BGE 129 V 466 E. 4.1 S. 468 mit Hinweisen). Nicht erfüllt ist das Erfordernis
des äusseren schädigenden Faktors, wenn das (erstmalige) Auftreten von
Schmerzen mit einer blossen Lebensverrichtung einhergeht, welche die
versicherte Person zu beschreiben in der Lage ist. Der äussere Faktor mit
erheblichem Schädigungspotenzial ist jedoch zu bejahen, wenn die in Frage
stehende Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen und
psychologisch beherrschten Beanspruchung des Körpers, insbesondere seiner
Gliedmassen, gleichkommt. Deswegen fallen einschiessende Schmerzen als Symptome
einer Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV ausser Betracht, wenn sie allein bei
der Vornahme einer alltäglichen Lebensverrichtung auftreten, ohne dass hiezu
ein davon unterscheidbares äusseres Moment hineinspielt (BGE 129 V 466 E. 4.2.2
S. 470). Erfüllt ist demgegenüber das Erfordernis des äusseren schädigenden
Faktors bei Änderungen der Körperlage, die nach unfallmedizinischer Erfahrung
häufig zu körpereigenen Traumen führen können, etwa das plötzliche Aufstehen
aus der Hocke, die heftige und/oder belastende Bewegung und die durch äussere
Einflüsse unkontrollierbare Änderung der Körperlage (BGE 129 V 466 E. 4.2.3 S.
470). Bei Verrichtungen des täglichen Lebens ist für die Bejahung des äusseren
Faktors ein gesteigertes Schädigungspotenzial erforderlich. Entgegen der
Ansicht des Beschwerdeführers ist dies nicht nur bei einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage, sondern auch bei Hinzutreten eines zur
Unkontrollierbarkeit der Vornahme der alltäglichen Lebensverrichtung führenden
Faktors gegeben (BGE 129 V 466 E. 4.3 S. 471; vgl. auch Urteil U 60/04 vom 2.
Dezember 2004, E. 2.3).

3.2 Streitig ist, ob das Abknicken des Fusses während des Gehens auf dem
Trottoir einen äusseren Faktor im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung
darstellt. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass das blosse Gehen auf dem
Trottoir eine alltägliche Lebensverrichtung ist. Hier ist jedoch ein davon zu
unterscheidendes äusseres Moment in Form des Abknickens infolge des Fehltritts
hinzugekommen. Damit ist aber ein schädigender äusserer Faktor zu bejahen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass die Versicherte bereits seit ihrer Kindheit
Probleme mit den Bändern hatte. Denn auch bei einer degenerativen oder
krankheitsbedingten Vorschädigung des betroffenen Körperteils genügt es, wenn
ein äusseres Ereignis im Sinne eines Auslösungsfaktors hinzutritt (BGE 129 V
466 E. 2.2 S. 467). Demnach besteht der vorinstanzliche Entscheid zu Recht.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

4.2 Nach Art. 68 Abs. 3 BGG wird obsiegenden Behörden oder mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegen. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Bundesgericht der SUVA und den
privaten UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den
Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als
Organisationen mit öffentlichrechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind. Das
gilt grundsätzlich auch für die Trägerinnen oder Versicherer der beruflichen
Vorsorge gemäss BVG (BGE 126 V 143 E. 4a S. 150 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. August 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung i.V. Nussbaumer