Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.695/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_695/2007

Urteil vom 20. März 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Hofer,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
Postfach, 8085 Zürich, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 26. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1962 geborene R.________ betrieb ab 1998 in selbständiger Erwerbstätigkeit
eine Tennisschule und war bei der "Zürich" Versicherungsgesellschaft
(nachfolgend: Zürich) freiwillig nach UVG gegen Unfallfolgen versichert. Am 22.
Mai 2004 zog er sich eine Bänderverletzung am rechten Handgelenk zu. Die Zürich
anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und
erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 2. November 2005
forderte sie aufgrund einer Neuberechnung des versicherten Verdienstes die
erbrachten Taggeldleistungen teilweise zurück; die Rechtmässigkeit dieser
Verfügung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die IV-Stelle des Kantons Solothurn sprach dem Versicherten berufliche
Eingliederungsmassnahmen in Form einer im Februar 2005 beginnenden, von Mai bis
Dezember 2005 berufsbegleitend absolvierten Umschulung im KV-Bereich
(Bürofachdiplom AKAD) zu. In diesem Zusammenhang wurden dem Versicherten vom 5.
Februar bis 30. April 2005 und erneut ab 5. Dezember 2005 Taggelder der
Invalidenversicherung ausgerichtet.

Mit Verfügung vom 30. März 2006 lehnte es die Zürich ab, die Kosten für nach
dem 30. April 2005 durchgeführte Behandlungen in der Klinik X.________ (Faktura
vom 30. November 2005 über Fr. 277.40; Faktura vom 5. Januar 2006 über Fr.
40.85) zu übernehmen. Zur Begründung hielt der Versicherer fest, der
"medizinische Endzustand" werde auf den 1. Mai 2005 festgelegt. Ab diesem
Zeitpunkt bestehe kein Anspruch auf Taggelder und Heilbehandlung mehr. Daran
hielt die Zürich auch mit Einspracheentscheid vom 27. Juli 2006 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 26. September 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt R.________, die Zürich sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, die Kosten
für die Behandlung in der Klinik X.________ zu übernehmen.

Während die Zürich auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Streitig ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Übernahme der
Heilbehandlungskosten gemäss Rechnung vom 30. November 2005 im Umfang von Fr.
277.40 und gemäss Rechnung vom 5. Januar 2006 im Umfang von Fr. 40.85 hat. Da
damit Leistungen der Unfallversicherung streitig sind, ist trotz des geringen
Streitwertes auf die Beschwerde einzutreten (Art. 85 Abs. 1 BGG e contrario).

1.3 Da es sich bei der streitigen Leistung um eine Sach- und nicht um eine
Geldleistung handelt (vgl. Rudolf Ursprung/Petra Fleischanderl, Die Kognition
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nach dem Bundesgesetz über das
Bundesgericht (BGG), in: Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband,
Zürich 2005, S. 415 ff., S. 427), ist das Bundesgericht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG e contrario). Es kann daher die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur dann berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.4 Bei den vorinstanzlichen Erwägungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Die
entsprechenden Feststellungen des kantonalen Gerichts sind daher im
dargestellten Rahmen (E. 1.1 hiervor) für das Bundesgericht verbindlich.

2.
2.1 Gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG erbringt die Unfallversicherung grundsätzlich
Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und
Berufskrankheiten. Der Versicherte hat im Rahmen von Art. 10 UVG Anspruch auf
die zweckmässige Behandlung der Unfallfolgen, insbesondere auf die ambulante
Behandlung durch den Arzt, den Zahnarzt oder auf deren Anordnung durch eine
medizinische Hilfsperson sowie im weiteren durch den Chiropraktor (Art. 10 Abs.
1 lit. a UVG) und auf die der Heilung dienlichen Mittel und Gegenstände (Art.
10 Abs. 1 lit. e UVG).

2.2 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid,
so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 UVG). Der Rentenanspruch
entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte
Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann
und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV)
abgeschlossen sind. Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die
Taggeldleistungen dahin (Art. 19 Abs. 1 UVG). Der Bundesrat erlässt nähere
Vorschriften über die Entstehung des Rentenanspruchs, wenn von der Fortsetzung
der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des
Versicherten mehr zu erwarten ist, der Entscheid der IV über die berufliche
Eingliederung jedoch erst später gefällt wird (Art. 19 Abs. 3 UVG).

2.3 Nach der Festsetzung der Rente werden dem Bezüger die Pflegeleistungen und
Kostenvergütungen gemäss Art. 10-13 UVG unter anderem dann gewährt, wenn er zur
Erhaltung seiner verbleibenden Erwerbsfähigkeit dauernd der Behandlung und
Pflege bedarf (Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG).

3.
3.1 Die streitigen Arztkonsultationen fanden in der Zeit zwischen dem 16.
November und dem 7. Dezember 2005 statt. Gemäss Schreiben des Dr. med.
O.________ vom 15. März 2006 handelte es sich hierbei um eine spezialärztliche
Behandlung der Unfallfolgen. Wie dieser Arzt weiter ausführt, dürfte auch in
Zukunft immer wieder die Notwendigkeit therapeutischer Massnahmen auftreten,
zudem sei eine progrediente Verschlechterung zu erwarten. Es ist mithin davon
auszugehen, dass der Versicherte zur Erhaltung seiner verbleibenden
Erwerbsfähigkeit dauernd der Behandlung bedarf. Da dem Beschwerdeführer für den
Zeitraum, in dem die Behandlung stattfand, von der Invalidenversicherung in
Folge des Unfalles Eingliederungsmassnahmen in Form einer Umschulung
zugesprochen worden waren und dieser Anspruch eine Erwerbseinbusse von ca. 20 %
voraussetzt (BGE 124 V 108 E. 2b S. 110 f.; vgl. auch BGE 130 V 488 E. 4.2 S.
489 f.), ist es überwiegend wahrscheinlich, dass er eine
unfallversicherungsrechtlich rentenrelevante Einschränkung in der
Erwerbsfähigkeit erlitten hatte.

3.2 Erfüllt der Versicherte die strengeren Voraussetzungen, unter denen ein
Anspruch auf Heilbehandlung im Rahmen des Art. 21 UVG besteht, so kann
offenbleiben, ob sich sein Anspruch auf Übernahme der Kosten nach dieser Norm
oder nach Art. 10 UVG richtet. Da somit auch dann ein Anspruch besteht, wenn
die von der Beschwerdegegnerin auf den 1. Mai 2005 festgesetzte Einstellung der
Heilbehandlung im Sinne von Art. 10 UVG rechtens war, braucht deren
Rechtmässigkeit nicht überprüft zu werden; die Beschwerde ist dementsprechend
ohne Weiterungen gutzuheissen.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE
133 V 642 E. 5). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 26. September 2007 und der Einspracheentscheid der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft vom 27. Juli 2006 werden aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf die Übernahme der Kosten
der Rechnungen der Klinik X.________ vom 30. November 2005 über Fr. 277.40 und
vom 5. Januar 2006 über Fr. 40.85 durch die Zürich Versicherungs-Gesellschaft
hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. März 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer