Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.686/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_686/2007

Urteil vom 24. Juni 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
Z.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Sozialversicherungsgerichts des
Kantons Zürich vom 14. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Z.________, geboren 1966, erlitt am 14. Juli 2002 einen Autounfall. Dem Rapport
der Verkehrspolizei X.________ ist zu entnehmen, dass das vom Ehemann von
Z.________ gesteuerte Fahrzeug auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von
etwa 130 km/h mit der Leitplanke kollidierte, in die Luft geschleudert wurde,
sich mehrmals überschlug, auf dem Dach auf der Fahrbahn liegen blieb und etwa
vier Minuten später, nachdem sich Z.________ und ihr Ehemann aus dem Fahrzeug
befreit hatten, total ausbrannte. Gemäss Dr. med. T.________, Innere Medizin
FMH, welchen Z.________ am 4. September 2002 aufsuchte, hatte sie dabei ein
Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (HWS) erlitten mit posttraumatischem
cervicocephalem und lumbovertebralem Schmerzsyndrom sowie posttraumatischer
Verarbeitungsstörung (Bericht vom 28. Oktober 2002). Der Hausarzt veranlasste
eine neuropsychologische Untersuchung durch Frau Dr. med. O.________ (Bericht
vom 20. April 2003). Vom 3. bis zum 31. Oktober 2003 weilte Z.________ in der
Klinik Y.________ (Austrittsbericht vom 3. Dezember 2003) und wurde in der
Folge durch Dr. med. H.________, Institut für Psychotraumatologie, betreut
(Berichte vom 5. Dezember 2003 und vom 27. August 2004). Schliesslich
veranlasste die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) eine
Begutachtung durch die medizinische Begutachtungsstelle A.________ (Gutachten
vom 30. August 2005 sowie Ergänzung vom 17. November 2005 zur Stellungnahme des
Dr. med. H.________ vom 27. September 2005). Mit Verfügung vom 18. Januar 2006
anerkannte die SUVA ihre Leistungspflicht dem Grundsatz nach, schloss den Fall
ab und stellte die Versicherungsleistungen per 1. Februar 2006 ein mit der
Begründung, dass gemäss Gutachten der medizinischen Begutachtungsstelle
A.________ keine behandlungsbedürftigen Unfallfolgen mehr vorliegen würden und
die Voraussetzungen für ihre Haftung für die psychischen Beschwerden nicht
erfüllt seien. Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 28. September 2006).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 14. September 2007 ab.

C.
Z.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechltichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an
die Verwaltung zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht sie um unentgeltliche
Rechtspflege.

Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Mit Eingabe vom 1. April 2008 äussert sich die SUVA hinsichtlich der
präzisierten Schleudertrauma-Praxis; die Beschwerdeführerin hat von der ihr
eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
des obligatorischen Unfallversicherers bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen
und Berufskrankheiten (Art. 6 Abs. 1 UVG) vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen)
richtig wiedergegeben. Ebenfalls zutreffend dargelegt ist die Rechtsprechung
über den zusätzlich zum natürlichen Kausalzusammenhang erforderlichen adäquaten
Kausalzusammenhang. Danach spielt im Sozialversicherungsrecht die Adäquanz als
rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang
ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv
ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate
weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103
mit Hinweisen). Anders verhält es sich bei natürlich unfallkausalen, aber
organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden. Hier ist bei der
Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es
sind je nachdem weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 117 V 359
E. 6 S. 366 ff. und 369 E. 4 S. 382 ff., 115 V 133 E. 6 S. 138 ff.). Bei
psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall werden diese Adäquanzkriterien unter
Ausschluss psychischer Aspekte geprüft (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140), während
bei Schleudertraumen (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367) und äquivalenten Verletzungen
der HWS (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2) sowie Schädel-Hirntraumen (BGE 117 V
369 E. 4b S. 383) auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen
Komponenten verzichtet wird (vgl. zum Ganzen auch BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103
und SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, U 277/04, E. 2 ff., je mit Hinweisen).

Anzufügen bleibt, dass das Bundesgericht jüngst die sogenannte
Schleudertrauma-Praxis in zweierlei Hinsicht präzisiert hat: Zum einen wurden
die Anforderungen an den Nachweis einer natürlich unfallkausalen Verletzung,
welche die Anwendung dieser Praxis bei der Prüfung des adäquaten
Kausalzusammenhangs rechtfertigt, erhöht. Zum anderen wurden die Kriterien,
welche abhängig von der Unfallschwere gegebenenfalls in die Adäquanzbeurteilung
einzubeziehen sind, teilweise modifiziert (BGE 134 V 109 E. 9 und 10 S. 121
ff.). Die bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätze
liess das Bundesgericht hingegen unverändert bestehen (E. 6.1 des erwähnten
Urteils [S. 116]).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass auf das Gutachten der
medizinischen Beratungsstelle A.________, vom 30. August 2005 wegen
Befangenheit des Dr. med. L.________ nicht abgestellt werden könne. Sie beruft
sich dabei auf die Tatsache, dass die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch
den begutachtenden Neurologen Dr. med. B.________ nicht nur im Hauptgutachten,
sondern auch in der ergänzenden Stellungnahme der Dres. med. G.________ und
L.________ vom 17. November 2005 nicht richtig, das heisst nach unten
korrigiert, wiedergegeben werde; es sei daher davon auszugehen, dass eine
Konsensbesprechung gar nie stattgefunden habe.

2.2 Ein Gutachter gilt als befangen, wenn Umstände vorliegen, welche geeignet
sind, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu erwecken. Bei der Befangenheit
handelt es sich allerdings um einen inneren Zustand, der nur schwer bewiesen
werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung eines Experten nicht
nachgewiesen zu werden, dass dieser tatsächlich voreingenommen ist. Es genügt,
wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der
Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung und Gewichtung
solcher Umstände kann indessen nicht auf das subjektive Empfinden des
Exploranden abgestellt werden. Das Misstrauen in den Experten muss vielmehr in
objektiver Weise als begründet erscheinen (vgl. BGE 120 V 357 E. 3a S. 365;
RKUV 1999 Nr. U 332 S. 193, U 212/97, E. 2a/bb).

2.3 Die Vorinstanz hat sich zum Vorwurf der unrichtigen Wiedergabe der
Einschätzung aus neurologischer Sicht im Hauptgutachten - 20 % statt 20-30 % -
einlässlich und richtig dahingehend geäussert, dass aufgrund des unkorrekten
Zitierens durch den fallführenden Arzt nicht von dessen Befangenheit auszugehen
ist. Ebenfalls kann anhand des Umstands, dass auch der Psychiater in seiner
ergänzenden Stellungnahme die Angaben im Haupt- und nicht diejenigen im
Teilgutachten wiedergibt, nicht darauf geschlossen werden, dass eine
Gesamtbeurteilung durch alle begutachtenden Ärzte gar nie stattgefunden habe.
Der Einwand der Beschwerdeführerin ist daher nicht stichhaltig.

2.4 Die Beschwerdeführerin rügt des Weiteren, dass die Gutachter zu Unrecht
davon ausgegangen seien, sie habe erst sieben Wochen nach dem Unfall einen Arzt
aufgesucht. Das kantonale Gericht hat sich auch dazu eingehend geäussert; den
diesbezüglichen zutreffenden Erwägungen ist nichts beizufügen.

2.5 Auf das Gutachten der medizinischen Begutachtungsstelle A.________ ist
damit grundsätzlich abzustellen.

3.
Ob ein Vorzustand vorgelegen hat - was die Beschwerdeführerin unter Berufung
darauf, dass sie vor dem Unfall zu 100 % arbeitsfähig gewesen sei, geltend
macht - konnte die Vorinstanz zu Recht offen lassen, da zumindest die adäquate
Kausalität der heute noch geklagten Beschwerden mit dem Ereignis vom 14. Juli
2002 zu verneinen ist.

3.1 Die Adäquanzprüfung erfolgte unbestrittenerweise nach der Rechtsprechung zu
den psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133).

3.2 Die Qualifikation des Ereignisses vom 14. Juli 2002 als Unfall im mittleren
Bereich ist mit Blick auf die in vergleichbaren Fällen, insbesondere
Autounfällen, ergangene Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wobei für die
Beurteilung der Unfallschwere der augenfällige Geschehensablauf mit den sich
dabei entwickelnden Kräften, nicht jedoch Folgen des Unfalls oder
Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können,
massgebend ist (BGE 115 V 133 E. 6 S. 138 ff.; SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07,
E. 5.3.1; in BGE 129 V 323 nicht publizierte E. 3.3.2 des Urteils U 161/01 vom
25. Februar 2003 und dort zitierte Urteile). Die Beschwerdeführerin beruft sich
in diesem Zusammenhang auf die medizinischen Stellungnahmen des behandelnden
Arztes Dr. med. H.________ und die Unrichtigkeit des Gutachtens der
medizinischen Begutachtungsstelle A.________; damit lässt sich indes die
Rechtsfrage nach dem adäquaten Kausalzusammenhang nicht beantworten.

3.3 Es sind daher weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen, wobei allein
die Schwere, Dauer und ärztliche Behandlung der somatischen, nicht jedoch der
psychisch bedingten Beschwerden einzubeziehen sind (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S.
140 ; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116). Die Vorinstanz hat sich dazu
einlässlich und zutreffend geäussert. Da kein Kriterium in besonders
ausgeprägter Weise erfüllt ist - insbesondere auch nicht die Eindrücklichkeit
des Ereignisses - ist die Adäquanz mit dem kantonalen Gericht zu verneinen.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne
der Befreiung von den Gerichtskosten; Art. 64 Abs. 1 BGG) und Verbeiständung
(Art. 64 Abs. 2 BGG) kann gewährt werden, weil die Bedürftigkeit aktenkundig
ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist und die Vertretung
durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war. Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte
Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im
Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Michael Ausfeld, Zürich, wird als unentgeltlicher Anwalt der
Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Juni 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Durizzo