Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.595/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_595/2007

Urteil vom 3. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Ronald Pedergnana, Rorschacher Strasse 21, 9000
St. Gallen.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
20. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a Die 1976 geborene S.________ ist gelernte Reprografin und war durch ihren
Arbeitgeber bei der Zürich-Versicherungs-Gesellschaft (Zürich) obligatorisch
gegen Unfälle versichert. Am 3. Juni 1999 war sie auf dem Fahrrad unterwegs,
als ihr ein sie überholendes Auto den Weg abschnitt, weshalb sie zu Fall kam
und auf den Hinterkopf stürzte. Sie erlitt eine okzipitale
Schädelkalotten-Fraktur, frontale und temporale Hirnkontusionen sowie einen
Abriss der Fila olfactoria, was einen definitiv persistierenden Geruchsverlust
zur Folge hatte. Die Zürich erbrachte Versicherungsleistungen. S.________ wurde
von verschiedenen Ärzten neuropsychologisch behandelt und begutachtet. Bei
einer ärztlich attestierten Arbeitsfähigkeit von 70 % unternahm die Versicherte
einen Versuch bei einer vollen Arbeitsfähigkeit, reduzierte diese aber ab
Oktober 2002 wieder auf 80 %. Sie litt weiterhin unter einer leicht
ausgeprägten Hirnfunktionsstörung.
A.b Am 17. Dezember 2002 wurde S.________ erneut Opfer eines Verkehrsunfalles,
als ein linksabbiegender Autolenker ihr Vortrittsrecht auf dem Fahrrad
missachtete. Im erstbehandelnden Spital wurde eine commotio cerebri, eine
laterale Claviculafraktur links, eine nicht dislozierte Basisfraktur des
Metacarpale des rechten Daumens und eine HWS-Distorsion diagnostiziert. Zu
jenem Zeitpunkt war S.________ bei der Firma D.________ AG tätig, einem
Folgebetrieb ihrer ehemaligen Arbeitgeberin, und bei der Allianz Suisse
Versicherungs-Gesellschaft (Allianz) obligatorisch gegen Unfälle versichert.
Das Arbeitsverhältnis wurde auf Ende September 2003 aufgelöst. Im Auftrag der
Invalidenversicherung unterzog sich die Versicherte im Sommer 2004 einer
polydisziplinären Begutachtung am Institut X.________. Die Expertise datiert
vom 4. Juli 2005. Bezug nehmend auf die im Gutachten gemachten Ausführungen
teilte die Allianz S.________ mit, dass sie ihre Leistungen mangels adäquatem
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 17. Dezember 2002 und den im
Gutachten diagnostizierten Beschwerden rückwirkend auf den 31. Juli 2004
einstelle (Verfügung vom 7. September 2005). Daran hielt die Versicherung auf
Einsprache hin fest (Entscheid vom 13. September 2005).

B.
Die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau gut. Es wies die Sache zur Festsetzung
der Leistungen an die Allianz zurück (Entscheid vom 20. Juni 2007). Während des
Rechtsmittelverfahrens wurden weitere Berichte des Dr. med. O.________,
Facharzt FMH für Neurologie, vom 25. September 2006 und vom 25. Oktober 2006
sowie ein neuropsychologisches Fachgutachten der Neuropsychologinnen Dr. phil.
C.________ und Dipl.-Psych. P.________, vom 7. März 2007 aufgelegt.

C.
Die Allianz führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.

Die Versicherte schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Urteil vom 19. Februar 2008 (BGE 134 V 109) hat das Bundesgericht die sog.
Schleudertrauma-Praxis bei organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden
präzisiert. Die Parteien hielten im Rahmen des ihnen zu dieser Präzisierung
gewährten rechtlichen Gehörs an ihren Rechtsbegehren fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor- und
Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche
Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual
abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder
Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante
des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren
Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden.
Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen
eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und
Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen
und daher weder End- noch Teilentscheide sind; sie können formell- und
materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige
Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs.
1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist
sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gut zu
machenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(lit. b).

1.2 Gelangt in einem Verwaltungsverfahren die Verwaltung zum Schluss, eine von
mehreren kumulativ zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen sei nicht erfüllt,
so ist es zulässig, dass sie ihre Leistungspflicht verneint, ohne die anderen
Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Auch im daran sich allenfalls
anschliessenden kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren wird in der Regel
lediglich das Vorliegen dieser einen Anspruchsvoraussetzung geprüft (vgl. BGE
125 V 413 E. 1a S. 414). Könnte die Verwaltung einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid, wonach diese eine Voraussetzung erfüllt ist,
nicht vor Bundesgericht anfechten, so hätte dies zur Folge, dass sie zur
Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen schreiten müsste und - sollten
diese zu bejahen sein - gezwungen wäre, eine ihres Erachtens rechtswidrige,
leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte sie in der Folge
nicht selber anfechten; da die Gegenpartei in der Regel kein Interesse haben
wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen Endentscheid anzufechten,
könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr korrigiert werden und würde zu
einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für die Verwaltung führen (vgl. BGE
133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.).

1.3 Das kantonale Gericht hat mit Entscheid vom 20. Juni 2007 den
Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 3. Juli 2006 aufgehoben, damit
diese über den von ihr gesetzten Zeitpunkt hinaus Versicherungsleistungen
erbringe. Über die Art und den Umfang der Leistungen habe sie zu verfügen.
Gleichzeitig bejahte das kantonale Gericht den rechtsgenüglichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 17. Dezember 2002 und den
über den 31. Juli 2004 anhaltend geklagten gesundheitlichen Beschwerden. Ein
rechtsgenüglicher Kausalzusammenhang ist eine Anspruchsvoraussetzung unter
anderen im Zusammenhang mit Leistungen der Unfallversicherung (vgl auch BGE 134
V 109 E. 3.2 S. 113). Der kantonale Entscheid ist demnach als Vorentscheid zu
qualifizieren. Hätte er Bestand, so wäre die Beschwerdeführerin unter Umständen
gezwungen, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen, womit sie
offensichtlich einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil erlitte (vgl. Urteil
8C_554/2007 vom 20. Juni 2008, E. 1.4). Auf ihre Beschwerde ist demnach
einzutreten.

2.
2.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3.
3.1 Strittig ist der von der Beschwerdeführerin verfügte Fallabschluss
(Einstellung sämtlicher Leistungen aus dem Ereignis vom 17. Dezember 2002) am
31. Juli 2004. Während diese hinsichtlich der über den genannten Zeitpunkt
hinaus die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und den von
der Versicherten geklagten Beschwerden verneint, gehen Vorinstanz und
Beschwerdegegnerin davon aus, der anhaltende Gesundheitsschaden stehe -
zumindest teilweise - in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang mit
dem versicherten Ereignis, womit die Beschwerdeführerin weiterhin
leistungspflichtig sei.

3.2 Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen der umstrittenen
Leistungspflicht des Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die
Rechtsprechung zu dem für diese vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang
im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) und bei
Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) oder äquivalenten
Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 335 E. 2b/aa S. 340; RKUV 2000
Nr. U 359 S. 29) sowie bei psychischen Gesundheitsschäden (BGE 115 V 133)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der
bei der Würdigung medizinischer Berichte allgemein geltenden Grundsätze und
ihres beweisrechtlichen Stellenwertes (BGE 125 V 352 E. 3a). Zu ergänzen ist,
dass die Leistungspflicht, wenn ein Versicherter erneut verunfallt, in Art. 100
UVV geregelt ist.

3.3 Die Leistungspflicht eines Unfallversicherers gemäss UVG setzt zunächst
voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht.
Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne
deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht
als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht
werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des
natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die
alleinige oder unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt,
dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche
oder geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt hat, der Unfall
mit anderen Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die
eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 129 V 181 E. 3.1, 406 E.
4.3.1, 119 V 337 E. 1, 118 V 289 E. 1b, je mit Hinweisen).
Vorliegend ist sämtlichen medizinischen Berichten und Gutachten zu entnehmen,
dass der hier zu beurteilende zweite Unfall vom 17. Dezember 2002 die seit dem
ersten Schädelhirn-Trauma vom 3. Juni 1999 vorbestehenden Beschwerden und
Schädigungen verschlimmert hat. Im Gutachten des Instituts X.________ wird klar
ausgeführt: "Das Unfallereignis vom 17.12.2002 führte zu einer
richtungsweisenden Veränderung des Vorzustands (). Weder ein Status quo ante
ist zu erreichen, noch ist ein Status quo sine postulierbar". Auch die
Beschwerdeführerin geht angesichts der ärztlichen Beurteilung von einer
natürlichen Kausalität zwischen dem bei ihr versicherten Ereignis und den
festgestellten Beschwerden aus.

3.4 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt im Weiteren voraus, dass
zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein adäquater
Kausalzusammenhang besteht. Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis dann als
adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen
Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses
Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 129 V
181 E. 3.2, 405 E. 2.2, 125 V 461 E. 5a mit Hinweisen). Bei organischen
Unfallfolgen deckt sich die adäquate, d.h. rechtserhebliche Kausalität
weitgehend mit der natürlichen Kausalität; die Adäquanz hat gegenüber dem
natürlichen Kausalzusammenhang praktisch keine selbstständige Bedeutung (BGE
127 V 103 E. 5b/bb, 118 V 291 E. 3a, 117 V 365 E. 5d/bb mit Hinweisen; RKUV
2004 Nr. U 505 S. 249 E. 2.1 [Urteil U. vom 6. Oktober 2003, U 116/03]; vgl.
BGE 128 V 172 E. 1c).

4.
4.1 Das kantonale Gericht gelangte zur Erkenntnis, die verbleibenden
Restbeschwerden der Versicherten seien organischer Natur und - wie dargelegt -
teilweise auf den Unfall vom 17. Dezember 2002 zurückzuführen. Da bei
organischen Verletzungsfolgen nicht zwischen dem natürlichen und dem adäquaten
Kausalzusammenhang unterschieden werde, sei die weitere Leistungspflicht der
Allianz zu bejahen.

4.2 Die Beschwerde führende Allianz ist der Ansicht, bei dem bei ihr
versicherten Unfall sei es lediglich zu einer milden traumatischen
Gehirnverletzung respektive einer Commotio cerebri gekommen. Dabei handle es
sich in aller Regel um eine vollständig reversible Funktionsstörung ohne
morphologische Veränderungen. Nach dem Unfall hätte bildgebend keine Ausweitung
der intrakraniellen Läsion festgestellt werden können. Die neuropsychologisch
festgestellte Verschlechterung der Hirnfunktionsstörung nach dem zweiten Unfall
vermöge den Nachweis der Organizität nicht zu erbringen. Damit habe eine
separate Adäquanzprüfung zu erfolgen, wobei die Unfallversicherung dafür die
Prüfungskriterien nach BGE 115 V 133 für psychische Unfallfolgen zur Anwendung
bringt, da ihres Erachtens eine "blosse" Commotio cerebri als leichtes
Schädel-Hirntauma nicht als Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) oder
äquivalenter Verletzungsmechanismus gelte.

4.3 Die Experten des Instituts X.________ kommen im Gutachten vom 4. Juli 2004
zum Ergebnis, die von der Patientin beklagten Beeinträchtigungen und
Beschwerden seien im Rahmen des Möglichen objektivierbar. Der erste Unfall mit
erheblichem Schädelhirntrauma und in der Folge Anosmie sowie auch anhand der
Magnetresonanz-Untersuchung objektivierbaren Kontusionszonen sei das Ereignis
mit dem deutlich höheren Verletzungspotential gewesen. Durch den zweiten Unfall
sei es deshalb zu einer erheblichen Vermehrung der vorbestehenden
Verletzungsfolgen gekommen, weil Patienten nach schweren Schädelhirntraumata
bei in der Folge reduzierter cerebraler Kompensationsfähigkeit spätere
Verletzungen auf organischer Basis schlechter verarbeiten können als Patienten
ohne einen derartigen Vorzustand. Zum selben Resultat kommt auch Dr. med.
O.________, Facharzt FMH für Neurologie, in seinem Gutachten vom 25. September
2006. Wegen der mangelhaften technischen Qualität der Kernspintomographien vom
1. Juli 1999 und vom 9. Juni 2000 lasse sich heute nicht mit der gewünschten
Bestimmtheit sagen, ob die in den entsprechenden Bildern vom 25. November 2003
feststellbaren erheblichen Verschlechterungen tatsächlich erst nach dem zweiten
Unfall vorlagen, oder ob sie auf den früheren Bildern nicht erkennbar waren.
Fest steht, dass ausgedehnte Kontusionen frontobasal beidseits sowie
temporomedial rechts tomographisch festzustellen sind. Gemäss Dr. O.________
sei klar, dass die Folgen der bei der Versicherten bestehenden traumatischen
Frontalhirnstörung "ohne Zweifel und ohne weitere Diskussion" einen organischen
Charakter habe. Psychoreaktive Störungen, etwa auch im Sinne einer Depression,
bestünden auf keinen Fall. Auch sei jegliche Ausweitung, Aggravation oder gar
Simulation auszuschliessen. Das Krankheitsbild werde durch eine
verletzungsbedingte hirnorganische frontale Verhaltensstörung gekennzeichnet,
welche genauso organisch anzusehen sei, wie etwa eine cerebrale Lähmung nach
Hirnschlag und nach einfacher reiner Verletzung von übrigem Körpergewebe, wie
etwa Knochen oder Weichteile. Schliesslich fügt der Experte an, zweifellos sei
durch den zweiten Unfall eine wesentliche Verschlechterung des
Gesundheitszustandes in bleibendem Ausmass eingetreten.

4.4 Auf Grund dieser medizinischen Aussagen, die in ihrer Eindeutigkeit keinen
Interpretationsspielraum lassen und denen auch keine anderen ärztlichen
Stellungnahmen gegenüberstehen, sind die bleibenden Behinderungen und
Beschwerden der Versicherten objektivierbar und organischer Natur. Entgegen der
Darstellung der Beschwerdeführerin ist es für den Beleg der Organizität von
Beschwerden ein entsprechendes Röntgenbild nicht unabdingbar. Das gilt umso
mehr, als hier entsprechende Bilder existieren und die Diskussion sich einzig
darum drehen kann, ob die darauf objektivierbaren Veränderungen einzig auf den
ersten oder auch auf den zweiten Unfall zurückzuführen sind. Gemäss
übereinstimmender ärztlicher Aussage ist der heutige Gesundheitszustand die
Quintessenz aus beiden Verletzungen, wobei gemäss Dr. med. O.________ weitere
Verletzungen von bereits geschädigten Hirnregionen sich kumulativ und nicht
(bloss) additiv verhalten. Damit bleibt für die beschwerdeführerische
Argumentation, dass bei bleibenden Folgen einer Hirnerschütterung mit einem
GCS-Wert von 13 bis 15 die Adäquanz nach der Rechtsprechung für psychische
Unfallfolgen zu ermitteln sei, kein Raum. Da einzig organische Unfallfolgen
vorliegen, entspricht der natürliche Kausalzusammenhang dem adäquaten. Beide
sind gegeben.

5.
Der Umstand, dass die Gesundheitsschädigung bei gegebener Unfallkausalität
nicht mit Sicherheit oder überwiegender Wahrscheinlichkeit einem von mehreren
Unfallereignissen zugeordnet werden kann, darf nicht dazu führen, dass eine
Leistungspflicht des Unfallversicherers entfällt und die Kosten vom
Versicherten zu tragen sind. Denn anders als beim Beweis des Unfallereignisses
(RKUV 1996 Nr. U 247 S. 171 E. 2a) und der Unfallkausalität als solcher (RKUV
1994 Nr. U 206 S. 328 E. 3b) rechtfertigt es sich nicht, den Versicherten die
Folgen der Beweislosigkeit tragen zu lassen, wenn eine eindeutige Zuordnung der
Gesundheitsschädigung zu mehreren versicherten Unfällen aus medizinischer Sicht
nicht möglich ist, die Unfallkausalität aber mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit feststeht (RKUV 2003 Nr. U 469 S. 522 E. 3a S. 528).

6.
Die Gerichtskosten werden der Allianz als unterliegender Partei auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin zudem eine
Parteientschädigung zu entrichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat S.________ für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 1500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer