Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.575/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

8C_575/2007
{T 0/2}

Urteil vom 3. Juni 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiber Flückiger.

Parteien
V.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Beat Müller-Roulet,
Schwarztorstrasse 28, 3007 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14.
August 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene V.________ meldete sich im August 2000 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle zog verschiedene
medizinische Berichte bei und führte eine Abklärung in der beruflichen
Abklärungsstelle X.________ durch. In der Folge verneinte sie mit Verfügung vom
10. Oktober 2001 einen Anspruch auf weitere Leistungen. Auf Beschwerde hin hob
das Verwaltungsgericht des Kantons Bern diese Verfügung auf und wies die Sache
zur Ergänzung der Abklärungen an die Verwaltung zurück.
Die IV-Stelle traf weitere medizinische Abklärungen. Insbesondere holte sie ein
Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle am Inselspital Bern (MEDAS) vom
23. Dezember 2004 ein. Anschliessend lehnte sie es - nach Einholung einer
Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 4. April 2005 - mit
Verfügung vom 6. April 2005 ab, dem Versicherten eine Rente auszurichten. Der
ermittelte Invaliditätsgrad betrug 31%. An dieser Beurteilung hielt die
IV-Stelle (nunmehr auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 32.49%) mit
Einspracheentscheid vom 9. September 2005 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab
(Entscheid vom 14. August 2007).

C.
V.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie
subsidiäre Verfassungsbeschwerde führen. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheids und die Zusprechung einer Rente der
Invalidenversicherung, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
oder die IV-Stelle.
Das überdies gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
wurde mit Verfügung vom 2. April 2008 abgewiesen.
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen den vorinstanzlichen Entscheid ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) zulässig. Mit dieser
kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich
Verfassungsrecht) und von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG).
Für eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG bleibt in
dieser Konstellation kein Raum. Die Rechtsschrift vom 20. September 2007 ist
vollumfänglich als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu
behandeln.

1.2 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dementsprechend legt das
Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Tatsächlicher Natur und damit im dargestellten
Rahmen grundsätzlich verbindlich sind insbesondere auch die Feststellungen zur
Arbeits(un)fähigkeit, welche das kantonale Gericht gestützt auf medizinische
Untersuchungen trifft (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398).

2.
2.1 Am 1. Januar 2008 sind die Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung (IVG) und anderer Erlasse wie des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2006 (5.
IV-Revision, AS 2007 5129 ff.) in Kraft getreten. Auf den vorliegenden Fall
sind noch die früheren Gesetzesfassungen anwendbar (vgl. BGE 132 V 215 E. 3.1.1
S. 220 mit Hinweisen).

2.2 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff
der Invalidität (Art. 8 IVG; BGE 130 V 343 E. 3.3.1 und 3.3.2 S. 347) sowie die
Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der
bis Ende 2003 und in der seit 1. Januar 2004 gültigen Fassung) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig sind auch die vorinstanzlichen
Erwägungen zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343
E. 3.4.2 S. 349; 128 V 29 E. 1 S. 30; 104 V 135 E. 2a und b S. 136),
insbesondere zur Bestimmung des Valideneinkommens (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S.
224) und des Invalideneinkommens, einschliesslich des Abstellens auf die so
genannten Tabellenlöhne (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475; 126 V 75 E. 3a/bb S.
76).

3.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör. Diese erblickt er darin, dass sich alle Instanzen geweigert
hätten, seinem Antrag auf Durchführung einer Evaluation der funktionellen
Leistungsfähigkeit (EFL) zu entsprechen. Die Vorinstanz durfte jedoch von
derartigen Untersuchungen absehen, nachdem sie zum Ergebnis gelangt war, die
vorhandenen Unterlagen böten eine hinreichend zuverlässige Grundlage für die
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und des Invaliditätsgrades. In einer solchen
antizipierten Beweiswürdigung liegt kein Verstoss gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94, 122 V 157 E. 1d S. 162; SVR 2001
IV Nr. 10 S. 27 E. 4b, I 362/99).

4.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch. Der Beschwerdeführer lässt gegen
die Ermittlung des Invaliditätsgrades von 32.5% verschiedene Einwände erheben.

4.1 Nachdem Verwaltung und Vorinstanz zum Ergebnis gelangten, der
Invaliditätsgrad liege bereits aufgrund der aktuellen Verhältnisse, ohne
Durchführung von Eingliederungsmassnahmen, unter 40%, konnten sie
zulässigerweise über die Rente entscheiden (vgl. Urteil I 151/05 vom 9. August
2005, E. 1.1). Die in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Verletzung des
Grundsatzes "Eingliederung vor Rente" liegt nicht vor.

4.2 Die Vorinstanz bezifferte das Valideneinkommen bezogen auf das Jahr 2000
mit Fr. 54'600.- und bezogen auf das Jahr 2004 mit Fr. 58'101.-. Sie stützte
sich dabei auf die Angaben der Arbeitgeberin vom 27. September 2000 und
berücksichtigte die anschliessende Nominallohnentwicklung. Dieses Vorgehen ist
korrekt. Der kantonale Entscheid wird denn auch in der Beschwerdeschrift
diesbezüglich nicht beanstandet.

4.3 Für die Ermittlung des Invalideneinkommens gingen IV-Stelle und Vorinstanz
davon aus, dem Beschwerdeführer sei aus medizinischer Sicht bei optimalen
Arbeitsbedingungen sowie ausgebauter Schmerztherapie eine mechanisch leichte,
wechselbelastende Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsfähigkeit von 90% zumutbar.
Diese Feststellung wird durch das MEDAS-Gutachten vom 23. Dezember 2004
jedenfalls insofern gestützt, als sie nicht als offensichtlich unrichtig
bezeichnet werden kann. Sie ist deshalb für das Bundesgericht verbindlich (E.
1.2 hiervor am Ende). Ausgehend von dieser Umschreibung der verbleibenden
Arbeitsfähigkeit, welche ein relativ weites Spektrum von Einsatzmöglichkeiten
eröffnet, ging das kantonale Gericht rechtsprechungsgemäss vor, wenn es das
Invalideneinkommen gestützt auf die Werte der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) festsetzte (vgl. BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475; 126
V 75 E. 3a/bb S. 76). Eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit ist
in derartigen Konstellationen nicht Voraussetzung für die rechtskonforme
Bemessung des Invaliditätsgrades. Nicht beanstanden lässt sich auch das
Heranziehen des Zentralwerts (Total) der im privaten Sektor mit einfachen und
repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Männer. Die
praxisgemäss (BGE 126 V 75 E. 7a S. 81) erforderlichen Anpassungen
(wöchentliche Arbeitszeit, Nominal-lohnentwicklung) wurden ebenfalls
vorgenommen. Den prozentualen Abzug, mit welchem einer zu erwartenden
leidensbedingten Verdienst-einbusse sowie allfälligen weiteren lohnmindernden
Faktoren Rechnung getragen werden soll, setzten Verwaltung und Vorinstanz auf
25% fest, was dem durch die Rechtsprechung definierten Maximum entspricht (BGE
129 V 472 E. 4.2.3 S. 481 mit Hinweisen). Eine Korrektur dieses Abzugs zu
Gunsten des Beschwerdeführers ist daher ebenfalls ausgeschlossen.

4.4 Zusammenfassend lassen sich die Invaliditätsbemessung und die Verneinung
eines Rentenanspruchs durch IV-Stelle und Vorinstanz bundesrechtlich nicht
beanstanden.

5.
In der Beschwerde wird ferner verlangt, es sei die dem unentgeltlichen
Rechtsbeistand für das kantonale Verfahren zugesprochene Entschädigung zu
erhöhen. Dieser Antrag wird namens des Beschwerdeführers gestellt. Sein
Rechtsvertreter hat weder eine separate Beschwerde eingereicht noch in der für
den Klienten verfassten Rechtsschrift ausdrücklich erklärt, er führe
hinsichtlich der Entschädigung in eigenem Namen Beschwerde. Nach der
Rechtsprechung ist der Versicherte dann in eigenem Namen beschwerdelegitimiert,
wenn die Frage streitig ist, ob für ein bestimmtes Verfahren bzw. einen
bestimmten Verfahrensabschnitt überhaupt Anspruch auf unentgeltliche
Verbeiständung besteht. Geht es jedoch nur um die Höhe der Entschädigung, ist
einzig der Rechtsvertreter selbst zur Anfechtung befugt, während dem
Versicherten eine entsprechende Legitimation fehlt (RKUV 1999 KV Nr. 96 S. 519
E. 9b, K 99/98; ARV 1997 Nr. 27 S. 151, C 232/93). Da der Anwalt des
Beschwerdeführers vorliegend keine eigene Beschwerde erhoben hat, ist auf den
entsprechenden Antrag nicht einzutreten.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Juni 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Flückiger