Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.572/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_572/2007

Urteil vom 5. August 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
SKBH Kranken- und Unfallversicherung, Rue du Nord 5, 1920 Martigny,
Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin,

betreffend K.________.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 13. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 4. Oktober 2005 lehnte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihre Leistungspflicht für einen ihr im März
2005 gemeldeten Rückfall zum Unfall vom 7. Oktober 2004 des K.________, geboren
1976, rückwirkend ab, nachdem sie zunächst ab 29. Januar 2005 formlos
Versicherungsleistungen (Taggelder und Heilbehandlung) erbracht hatte. Zur
Begründung führte sie an, dass die Kausalität nach eingehenderen Abklärungen zu
verneinen sei. Gleichzeitig informierte die Anstalt die Mutuel Assurances als
Krankenversicherer mit einer Verfügungskopie darüber, dass sie Heilungskosten
von Fr. 19'312.- rückfordern werde. An dieser Auffassung hielt sie auch auf
Einsprachen hin fest (Einspracheentscheid vom 18. November 2005).

B.
Die dagegen von K.________ und von der SKBH Kranken- und Unfallversicherung als
Krankenversicherer erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern mit Entscheid vom 13. August 2007 ab.

C.
Die SKBH führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und des
Einspracheentscheides vom 18. November 2005.

Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten K.________
und das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG von
der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V 466 E. 2c S. 469 mit
Hinweisen) erlassen. Die für die Wiedererwägung rechtskräftiger Verfügungen
vorausgesetzte zweifellose Unrichtigkeit liegt praxisgemäss vor, wenn kein
vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Die
Unrichtigkeit kann sich sowohl auf die Rechtsanwendung als auch auf die
Sachverhaltsfeststellung beziehen (BGE 127 V 14). Die Wiedererwägung darf
jedoch nicht zu einer voraussetzungslosen Überprüfung zugesprochener Leistungen
führen. Es darf nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der
Verfügung - möglich sein (BGE 126 V 399 E. 2b/bb S. 401, 125 V 383 E. 6a S. 393
oben; SVR 2005 ALV Nr. 8 S. 25, C 214/03, E. 3.1.1; vgl. auch Thomas Locher,
Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. A. Bern 2003, S. 470 Rz 16; Kieser,
ATSG-Kommentar, N 20 zu Art. 53). Rechtsprechungsgemäss ist die Rückforderung
unabhängig davon möglich, ob die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen
förmlich oder formlos verfügt worden sind (für den Bereich des
Arbeitslosenversicherungsrechts: BGE 129 V 110 E. 1.1 mit Hinweisen; Kieser,
ATSG-Kommentar, N 19 zu Art. 53).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass nach einlässlicher
medizinischer Abklärung des Versicherten eine natürliche Kausalität der mit
Rückfallmeldung vom 30. März 2005 geltend gemachten Schwindelbeschwerden mit
dem Unfall vom 7. Oktober 2004 zu verneinen ist, da sich die anfänglich
gestellte Verdachtsdiagnose einer Vestibulopathie als nicht zutreffend erwies.
Sie macht indessen geltend, dass der Zeitpunkt der Anerkennung der
Rückfallkausalität für die Beurteilung der zweifellosen Unrichtigkeit
massgebend sei. Die SUVA habe daher ihre Leistungen zu Unrecht rückwirkend
eingestellt und von ihr - der Beschwerdeführerin - unrechtmässig Heilbehandlung
über Fr. 19'312.- zurückgefordert.

2.2 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Wiedererwägung dient der Korrektur einer
anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung, unter Einschluss unrichtiger
Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts (BGE 117 V 8 E. 2c S. 17).
Grundlage der Wiedererwägung bildet also zwar der ursprüngliche Sachverhalt,
wie er im Zeitpunkt des Erlasses der ersten Verfügung bestand. Dass erst
aufgrund späterer Abklärungen eine Unrichtigkeit festgestellt wird, schliesst
eine Wiedererwägung praxisgemäss nicht aus. So wurde die Annahme zweifelloser
Unrichtigkeit in der Praxis auch schon gestützt auf nach Verfügungserlass
eingeholte Gutachten geschützt (BGE 110 V 291; vgl. auch Urteil U 183/96 vom
16. Mai 1997, E. 3). Ein solcher Fall liegt hier vor, stand doch erst nach der
Abklärung in der Rehaklinik B.________ (Austrittsbericht vom 21. Juni 2005)
fest, dass nicht eine Vestibulopathie - wie ursprünglich aufgrund des
neurologischen Berichts des Dr. med. W.________ vom 29. März 2005 angenommen -
Grund für die Schwindelbeschwerden ist, sondern eine stark somatisierte
Angststörung, welche in keinem Zusammenhang mit dem erlittenen Unfall steht. Es
war somit keine Ermessensfrage, die zur Annahme der Kausalität führte, sondern
es hat sich aus medizinischer Sicht die zunächst gestellte Verdachtsdiagnose
nicht bestätigt. Der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin ist somit
ebenfalls unzutreffend. Schliesslich kann die Verwaltung, da es ihr freisteht,
ob sie eine Wiedererwägung vornehmen will oder nicht, auch über die zeitlichen
Wirkungen derselben bestimmen (BGE 110 V 291 E. 3c S. 294 ff.; Kieser,
ATSG-Kommentar, N 25 zu Art. 53), weshalb es nicht zu beanstanden ist, dass die
SUVA ihre Leistungspflicht rückwirkend verneint hat.

3.
Die erwähnte Rückforderung von Fr. 19'312.- gegenüber der Beschwerdeführerin
ist nicht Gegenstand des Einspracheentscheides vom 18. November 2005 und hier
daher nicht zu beurteilen.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung zugunsten des
obsiegenden Beschwerde führenden Unfallversicherers wird gemäss Art. 68 Abs. 3
BGG nicht zugesprochen (vgl. die zu Art. 159 Abs. 2 OG ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 126 V 143 E. 4a S. 150).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. August 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung i.V. Lanz