Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.426/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_426/2007

Urteil vom 29. April 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Parteien
beco Berner Wirtschaft, Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, Lagerhausweg 10, 3018
Bern, Beschwerdeführer,

gegen

M.________, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8.
Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1966 geborene M.________ erhob am 3. April 2006 Anspruch auf Taggelder der
Arbeitslosenversicherung rückwirkend ab 1. März 2006. Sie gab an, eine
Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 50 bis 60 % zu suchen. Mit Verfügung vom
22. August 2006 verneinte das beco Berner Wirtschaft (nachfolgend: beco) nach
Einsichtnahme in die Akten der Invalidenversicherung die Vermittlungsfähigkeit
und damit den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 23. Mai 2006. Daran
wurde mit Einspracheentscheid vom 24. Oktober 2006 festgehalten.

B.
In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern den Einspracheentscheid auf (Entscheid vom 8. Juni 2007).

C.
Das beco führt Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der vorinstanzliche
Entscheid aufzuheben.
M.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde und ersucht um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet
auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die
Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 Abs. 1
AVIG) und bezüglich Behinderter (vgl. zu diesem Begriff ARV 1999 Nr. 19 S. 104,
E. 2) im Besonderen (Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV;
vgl. Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel/Genf/
München 2007, S. 2264 Rz. 279 ff.) sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung
(BGE 125 V 51 E. 6a S. 58, 123 V 214 E. 3 S. 216, je mit Hinweis) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig ist, ob eine objektive Vermittlungsfähigkeit ab 23. Mai 2006 besteht.

3.1 Im Lichte der kognitionsrechtlichen Grundsätze über die Abgrenzung von Tat-
und Rechtsfragen ergibt sich Folgendes: Als Ergebnis einer umfassenden und
sorgfältigen Beweiswürdigung hat das kantonale Gericht die
Vermittlungsfähigkeit ab 23. Mai 2006 als gegeben erachtet. Dem
vorinstanzlichen Entscheid ist zu entnehmen, dass die Einsatzmöglichkeiten der
Versicherten zwar beschränkt, Stellen, welche der Behinderung der
Beschwerdegegnerin gerecht werden, jedoch nicht ausgeschlossen sind.

3.2 Der letztinstanzlich vorgebrachte Einwand, das krankheitsbedingte Verhalten
der Beschwerdegegnerin sei in der Arbeitswelt nicht tragbar, was sich
insbesondere darin äussere, dass die Versicherte in den letzten zehn Jahren
(fünf Rahmenfristen) keine dauerhafte Anstellung zu finden vermochte, ist nicht
stichhaltig:
Den Akten ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin mehrere Beschäftigungen
ausgeführt hat. Es handelte sich dabei teilweise um befristete Anstellungen
oder um Arbeitsverhältnisse, die aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen
aufgelöst wurden. Gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden hingegen nicht als
Auflösungsgrund angegeben. Die Arbeitszeugnisse lassen mehrheitlich darauf
schliessen, dass die Arbeitgeber mit den Leistungen der Beschwerdegegnerin
zufrieden waren. Gestützt auf die Unterlagen kann deshalb nicht eine
Einschränkung der Vermittlungsfähigkeit aus gesundheitlicher Sicht oder wegen
des Verhaltens der Versicherten angenommen werden. Sodann ergibt sich aus deren
Hinweis in der Vernehmlassung vom 2. Oktober 2007, sie habe wiederum eine
Stelle angetreten, dass die Beschwerdegegnerin offensichtlich in der Lage ist,
Anstellungen zu finden, die ihren gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung
tragen. Die Vorinstanz konnte, ausgehend von einem nicht offensichtlich
unrichtig oder unvollständig festgestellten Sachverhalt, schliessen, dass die
Einsatzmöglichkeiten zwar reduziert, Stellen, welche die Beschwerdegegnerin
ausüben kann, indessen vorhanden sind. Die Schlussfolgerung des kantonalen
Gerichts, die Vermittlungsfähigkeit sei gegeben, verletzt demnach kein
Bundesrecht.

4.
Dem beco sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG; BGE 133 V
637 E. 4 S. 637 ff.). Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche
Prozessführung erweist sich als gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 29. April 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Fleischanderl