Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.379/2007
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8C_379/2007

Urteil vom 22. Januar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Holzer.

S. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Ivo Zellweger, Stadtturmstrasse 19, AZ Hochhaus, 5400 Baden,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 8. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. April 1996 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau dem
1952 geborenen S.________ bei einem Invaliditätsgrad von 100 % ab dem 1.
September 1994 eine ganze Invalidenrente zu. Diese Verfügung erwuchs
unangefochten in Rechtskraft. Im Rahmen der darauffolgenden
Revisionsverfahren wurde die ganze Rente am 11. September 1997 und am 21.
November 2000 bestätigt. Am 18. Mai 2004 verunfallte der Versicherte erneut.
Aufgrund der daraufhin eingeholten medizinischen Unterlagen setzte die
IV-Stelle mit der gestützt auf den Vorbescheid vom 11. August 2006 erlassenen
Verfügung vom 8. Dezember 2006 revisionsweise die ganze Rente des
Versicherten per 1. Februar 2007 auf eine Viertels-Rente (Invaliditätsgrad:
44 %) herab.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 8. Mai 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt S.________, es sei ihm unter Aufhebung der Verfügung
vom 8. Dezember 2006 und des kantonalen Gerichtsentscheides weiterhin eine
ganze IV-Rente auszurichten.

Während die IV-Stelle und die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde
schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2007 hat das Bundesgericht das Gesuch des
S.________ um unentgeltliche Prozessführung abgewiesen, da die Gewerkschaft
Unia dem Versicherten mit Schreiben vom 21. Juni 2007 eine Kostengutsprache
für das bundesgerichtliche Verfahren erteilt hatte.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten,
wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann
die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht
nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung.
Gemäss dem anwendbaren Art. 132 Abs. 1 BGG prüft das Bundesgericht nur, ob
das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde. Es kann gemäss Art.
105 Abs. 2 BGG die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsververletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht.

1.3 Die Vorinstanz verletzt materielles Recht, wenn sie nicht alle relevanten
Tatsachen ermittelt, die zu seiner Anwendung nötig sind. Soweit es um die
Anwendung von Bundesrecht geht, ist die unvollständige
Sachverhaltsfeststellung somit eine Verletzung von Bundesrecht im Sinne von
Art. 95 lit. a BGG (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG],
Bern 2007, N. 24 zu Art. 97 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf
eine Invalidenrente vor und nach dem 1. Januar 2004 (Art. 28 Abs. 1 IVG in
der jeweils anwendbaren Fassung), zur Invalidität (Art. 8 ATSG), zur Aufgabe
der medizinischen Fachpersonen bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256
E. 4 S. 261) und zu den Voraussetzungen für eine Revision der Invalidenrente
(Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 87 ff. IVV) zutreffend
wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

Insbesondere hat die Vorinstanz zutreffend erwogen, dass nach der
Rechtsprechung die Rente nicht nur bei wesentlicher Veränderung des
Gesundheitszustandes revidierbar ist, sondern auch dann, wenn sich die
erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitsschadens
erheblich verändert haben (BGE 105 V 29). Unerheblich ist die
unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen
Sachverhaltes (BGE 112 V 371 E. 2b S. 372). Zu ergänzen ist, dass für die
Prüfung einer anspruchserheblichen Änderung im Rahmen eines
Revisionsverfahren  die letzte der versicherten Person eröffnete
rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des
Rentenspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und
Durchführung eines Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten für eine Änderung
in den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitszustandes) beruht, den
zeitlichen Referenzpunkt bildet (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114).

3.
Das kantonale Gericht hat nach umfassender Würdigung der medizinischen Akten
für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Versicherte zum
Zeitpunkt der angefochtenen Revisionsverfügung, mithin im Dezember 2006,
unter Mitberücksichtigung der Folgen des Ereignisses vom 18. Mai 2004 in
einer leichten Arbeit zu 70 % arbeitsfähig ist. Gestützt darauf ermittelte
die Vorinstanz einen Invaliditätsgrad von 44 %. Der Beschwerdeführer hat
diese Feststellung sowie die Bemessung der Invalidität nicht als falsch
gerügt; es ist kein Grund ersichtlich, diese von Amtes wegen zu überprüfen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt, es liege kein Revisionsgrund vor. Der
unterschiedliche Invaliditätsgrad gemäss Verfügung vom 17. April 1996 (100 %)
und gemäss Verfügung vom 8. Dezember 2006 (44 %) beruhe nicht auf einer
Veränderung des Sachverhaltes, sondern bloss auf einer unterschiedlichen
Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhaltes.

4.1 Das kantonale Gericht hat bezüglich der Sachlage im Zeitpunkt der ersten
Verfügung vom 17. April 1996 einzig festgehalten, dem Versicherten sei eine
ganze Invalidenrente zugesprochen worden. Damit traf es lediglich eine
Feststellung darüber, wie der Sachverhalt damals von der Verwaltung gewürdigt
wurde. Keine Feststellung hat die Vorinstanz dazu getroffen, wie sich der
Sachverhalt im Jahre 1996 bzw. bei der letzten Überprüfung der Rente im
November 2000 präsentierte. Eine solche Feststellung ist aber nötig, um
beurteilen zu können, ob der nunmehr auf 44 % festgesetzte Invaliditätsgrad
auf einem veränderten Sachverhalt oder auf einer unterschiedlichen
Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhaltes
beruht. Das kantonale Gericht hat damit nicht alle relevanten Tatsachen
ermittelt, die zur Anwendung von Bundesrecht notwendig sind; damit hat es im
Sinne von Art. 95 lit. a BGG Bundesrecht verletzt.

4.2 Beruht die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG, so kann das Bundesgericht ihn von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen (Art. 107 Abs. 2 BGG).

4.2.1 Gemäss dem Bericht des Dr. med. M.________, Oberarzt an der
Neurologischen Klinik des Spitals X.________, vom 28. März 1995 bestand aus
somatischer Sicht eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % für schwere körperliche
Arbeiten, bei denen die Schultermuskulatur eingesetzt werden muss. Für
leichtere Arbeiten mit vorwiegendem Einsatz der Hände bestand keine
Arbeitsunfähigkeit. Gemäss dem Bericht der Ärzte der Klinik B.________ vom
22. Dezember 1995 litt der Beschwerdeführer an einer mittelgradigen
depressiven Störung und an einer chronifizierten Somatisierungsstörung.
Obwohl während der Hospitalisation eine Aufhellung der depressiven Störung
und ein erholsameres Schlafverhalten erreicht werden konnte, war der
Versicherte aufgrund seiner psychosomatischen Erkrankung als 100 %
arbeitsunfähig zu betrachten.

4.2.2 Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers kann nicht gesagt
werden, ihm sei trotz einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer leichten
Tätigkeit eine volle Invalidenrente zugesprochen worden. Aufgrund der
echtzeitlichen Akten erscheint vielmehr die Annahme des Dr. med. R.________
laut MEDAS-Gutachten vom 11. Juli 2006, dass die ursprüngliche Berentung
aufgrund der psychischen Beschwerden erfolgte, als nachvollziehbar und
plausibel. Von ihr ist somit auszugehen.

4.2.3 Der Beschwerdeführer hat letztinstanzlich noch einmal bestätigt, dass
er in der Zeit unmittelbar vor dem Unfall vom 18. Mai 2004 beabsichtigte,
eine Taxifahrerausbildung zu absolvieren und diesen Beruf alsdann mindestens
teilzeitlich auszuüben. Er wurde in diesem Bestreben von seinem Hausarzt, Dr.
med. E.________ (FMH für Allgemeinmedizin), unterstützt. Wie dieser Arzt in
seinem Schreiben vom 5. Januar 2005 festhält, hat der Unfall im Jahre 2004
diese Pläne indessen mindestens vorübergehend zu nichte gemacht.

4.2.4 Der Versicherte fühlte sich somit in der Zeit vor dem Unfall vom 18.
Mai 2004 subjektiv in der Lage, mindestens teilzeitlich eine Erwerbstätigkeit
aufzunehmen. Auch wenn sich daraus noch nicht ergibt, dass die psychischen
Beschwerden ganz überwunden waren, ist doch anzunehmen, dass nunmehr die
Ressourcen für eine mindestens teilzeitliche Arbeitsaufnahme vorhanden waren,
hätte doch ansonsten der Hausarzt den Beschwerdeführer nicht in seinem
Bestreben unterstützt. Damit lag eine erhebliche Verbesserung des psychischen
Gesundheitszustandes gegenüber dem Zustand, wie er von den Ärzten der Klinik
B.________ am 22. Dezember 1995 beschrieben wurde, vor. Daraus folgt, dass in
der Zeit vor dem 18. Mai 2004 ein Revisionsgrund bestanden hat.

4.3 Auch wenn das Ereignis vom 18. Mai 2004 zu einer erneuten
Verschlechterung des Gesundheitszustandes geführt hat, so entfällt der
Revisionsgrund nicht nachträglich. Zudem ist laut MEDAS-Gutachten in der Zeit
zwischen dem Unfallereignis und der Revisionsverfügung erneut eine erhebliche
Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten. Bei einem solchen
Geschehnisverlauf kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass der Zustand
zwischen dem Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenzusprache (17. April 1996)
bzw. der letzten Überprüfung der Rente (21. November 2000) und demjenigen der
Revisionsverfügung (8. Dezember 2006) im Wesentlichen gleich geblieben wäre.
Aus hausärztlicher Sicht war denn auch nach dem Unfall eine Tätigkeit als
Taxifahrer mindestens teilweise zumutbar. Da die Revisionsverfügung erst nach
dem Unfallereignis erging, sind auch die andauernden Folgen dieses
Ereignisses in die Gesamtwürdigung des Gesundheitszustandes einzubeziehen.

4.4 Da ein Revisionsgrund vorgelegen hat und der Invaliditätsgrad im Dezember
2006 unter Mitberücksichtigung der andauernden Folgen des Ereignisses vom 18.
Mai 2004 nur noch 44 % betrug, waren die Revisionsverfügung vom 8. Dezember
2006 und der vorinstanzliche Entscheid vom 8. Mai 2007 im Ergebnis rechtens;
die Beschwerde ist abzuweisen.

5.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Januar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer