Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.35/2007
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


8C_35/2007

Urteil vom 18. Februar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiber Lanz.

M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Sven Marguth,
Aarbergergasse 21, 3011 Bern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
22. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene M.________ war als Bäcker/Konditor in der Firma A.________
AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten
versichert. Am 13. April 2000 wurde an der Klinik für Rheumatologie und
klinische Immunologie/Allergologie des Spitals B.________ ein Asthma
bronchiale bei Nikotinabusus und Sensibilisierung auf Roggen- und Weizenmehl,
7 Getreidesorten, Alpha-Amylase, sowie grenzwertiger Sensibilisierung auf
Vollkorn- und Maismehl, Bäckereistaub und Gluten diagnostiziert. Hierauf
erklärte die SUVA den Versicherten mit rechtskräftiger Verfügung vom 29.
August 2000 für gesundheitsbedingt nicht geeignet, die Tätigkeit eines
Bäcker/Konditors auszuüben. Eine von der Invalidenversicherung (IV) in die
Wege geleitete, am 28. Mai 2001 begonnene Umschulung zum polymechanischen
Mitarbeiter in der Firma H.________ musste im Herbst 2001 wegen
gesundheitlichen Beschwerden abgebrochen werden. Nach einer am 29. Juli 2002
von der IV verfügten dreimonatigen Abklärung in der Behindertenwerkstätte
konnte M.________ dort eine Erwerbstätigkeit als Chauffeur für Kleinlastwagen
aufnehmen. Am 2. Juni 2004 sprach die SUVA dem Versicherten für den Zeitraum
1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2004 Übergangsentschädigungsleistungen von
Fr. 54'819.35 zu. Aufgrund des von M.________ am 27. Juli 2004 bei der SUVA
gestellten Begehrens um eine UVG-Invalidenrente wurde eine fachärztliche
Begutachtung bei Dr. med. E.________, Spezialarzt für Innere Medizin und
Lungenkrankheiten FMH, veranlasst. Dieser gelangte gemäss Expertise vom 29.
Oktober 2004 zum Ergebnis, für Arbeiten in einer lufthygienisch nicht stark
belasteten Umgebung bestehe rein aufgrund der Lungenerkrankung bzw. der
vorliegenden Lungenfunktion eine normale Arbeitsfähigkeit. Mit Verfügung vom
25. Juli 2005 eröffnete die SUVA M.________, die Voraussetzungen für die
Gewährung von Rentenleistungen seien nicht erfüllt, weil kein die
Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesundheitsschaden vorliege. Daran hielt
die SUVA auf Einsprache des Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom
14. November 2005).

B.
Die von M.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern mit Entscheid vom 22. Januar 2007 ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde - recte: Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - führen mit dem Rechtsbegehren, ihm
sei ab 1. Januar 2005 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 22 %
zuzüglich gesetzlichem Verzugszins seit wann rechtens zuzusprechen.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur Sache
zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Da der Entscheid der Vorinstanz am 22. Januar 2007 und somit nach
Inkrafttreten des Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG;
SR 173.110) erging, ist dieses anwendbar. Mit dem BGG wurde das bisherige
Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch die in Art. 82 ff. BGG
geregelte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ersetzt
(Ulrich Meyer, Der Einfluss des BGG auf die Sozialrechtspflege, in: SZS 2007
S. 222 ff., S. 224). Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels schadet
indessen nicht (BGE 133 I 308 E. 4.1 S. 314). Dieses ist als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen. Im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens kann dabei auch jede unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 97 Abs. 2
BGG).

2.
Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden, als die
Zusprechung von Verzugszins verlangt wird, bildete doch diese nicht
Gegenstand des kantonalen Verfahrens.

3.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer an einer Berufskrankheit leidet, welche
den Anspruch auf eine Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung
begründet.

Das kantonale Gericht hat zunächst das Vorliegen einer Berufskrankheit
geprüft. Im Weiteren hat es sich einlässlich und mittels einer historischen
Auslegung unter Beizug von Gesetzesmaterialien mit der Frage der
Rentenberechtigung einer von einer Nichteignungs-Verfügung betroffenen Person
auseinandergesetzt. Beides kann indessen offen bleiben, da wie unten
dargelegt wird, ein Rentenanspruch ohnehin mangels der erforderlichen
Mindestinvalidität zu verneinen ist.

4.
Die Umschulung zum polytechnischen Mitarbeiter in der Firma H.________ AG
musste wegen Rückengebrechen sowie Fussbeschwerden und mithin aus Gründen
abgebrochen werden, die mit der Nichteignungs-Verfügung und einer allfälligen
Berufskrankheit des Beschwerdeführers nichts zu tun haben (Bericht der
IV-Stelle Bern vom 20. November 2001). Wenn der Versicherte wegen den
genannten Leiden letztlich nur eine Tätigkeit als Chauffeur für
Kleinlastwagen aufnehmen konnte, so entspricht das von ihm dort erzielte,
gegenüber demjenigen eines polymechanischen Mitarbeiters niedrigere Gehalt
nicht dem zumutbaren Invalideneinkommen, das für die Ermittlung des aufgrund
einer möglichen Berufskrankheit gegebenen Invaliditätsgrades massgebend ist.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ohne die nicht mit
der Berufskrankheit zusammenhängenden Leiden ein Einkommen erzielen könnte,
das dem eines polymechanischen Mitarbeiters entspricht. Eine solche Tätigkeit
wurde mit der Umschulungsmassnahme der IV anvisiert. Der Einwand des
Beschwerdeführers, dass er seine Tätigkeit als Bäcker nicht wegen des
Rückenleidens habe aufgeben müssen, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn
die Umschulungsmassnahme musste ja gerade wegen einer allfälligen
Berufskrankheit eingeleitet werden. Nicht massgebend ist auch der während der
Umschulungsmassnahme tatsächlich erzielte Verdienst von Fr. 4'800.-- pro
Monat, da dieser nicht dem Lohn nach absolvierter Umschulung entspricht.

Nach der Umschulung vom 28. Mai 2001 bis 31. Mai 2003 hätte der
Beschwerdeführer als polymechanischer Mitarbeiter in der Firma H.________ AG
Fr. 5200.-- im Monat (x 13) verdient. Für das Jahr 2004 wäre somit unter
Berücksichtigung eines durchschnittlichen Nominallohnanstieges von 0,9 % (Die
Volkswirtschaft, Heft 12/2007, S. 99 Tabelle B10.2) auf dem ab Juni 2003 in
Aussicht gestellten, auf ein Jahr hochgerechneten Gehalt ein
Invalideneinkommen von Fr. 68'208.40 (Fr. 5200.-- x 13 x 1.009) erzielbar
gewesen. In Beziehung gesetzt zu dem zwischen den Parteien unbestrittenen
Valideneinkommen von Fr. 74'700.-- ergibt sich ein Invaliditätsgrad von
gerundet (BGE 131 V 121) 9 %. Dieser Wert liegt unter dem gemäss Art. 18 Abs.
1 UVG für eine Rentenberechtigung mindestens erforderlichen Invaliditätsgrad
von 10 %.

5.
Selbst wenn das von der H.________ AG nach Abschluss der Umschulungsmassnahme
in Aussicht gestellte Gehalt als zu wenig repräsentativ für die Bestimmung
des Invalideneinkommens betrachtet würde, wäre auch bei Beizug der
Tabellenlöhne gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) kein
Invaliditätsgrad von 10 % gegeben. Nach erfolgter Umschulungsmassnahme zum
polymechanischen Mitarbeiter wäre der Beschwerdeführer am ehesten im
Maschinen- und Fahrzeugbau tätig gewesen. Im Anforderungsniveau 3 (Berufs-
und Fachkenntnisse vorausgesetzt) hätte er bei 40 Arbeitsstunden einen
Monatslohn von Fr. 5862.-- erzielen können (LSE 2004, S. 53 Tabelle TA 1).
Umgerechnet auf ein Jahr (x 12) sowie auf die durchschnittliche
Wochenarbeitszeit im Jahr 2004 von 41,6 Stunden (Die Volkswirtschaft, Heft
12/2007, S. 98 Tabelle B9.2) ergibt sich ein Jahreslohn von Fr. 73'157.75 und
ein Invaliditätsgrad von weit unter 10 %.

Der rentenberechtigende Mindestinvaliditätsgrad würde aber auch dann nicht
erreicht, wenn nach erfolgter Umschulungsmassnahme von einer Tätigkeit in der
Metallbe- und -verarbeitung auszugehen wäre. Der hiefür ausgewiesene
Durchschnittslohn beträgt Fr. 5471.-- im Monat (LSE 2004, S. 53 Tabelle TA1,
Anforderungsniveau 3). Die Umrechnung auf ein Jahr (x 12) und auf 41,6
Wochenarbeitsstunden führt zu einem Jahreseinkommen von Fr. 68'278.10 und zu
einem Invaliditätsgrad von gerundet lediglich 9 %. Die Beschwerde ist somit
abzuweisen.

6.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Februar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz