Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.2/2007
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8C_2/2007

Urteil vom 10. Januar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Hochuli.

D. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alex Beeler,
Frankenstrasse 3, 6003 Luzern,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Postfach, 8085 Zürich, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
11. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
D. ________, geboren 1939, war in der Bildbearbeitung für die von ihm und
seinem Sohn gegründete Firma E.________ AG erwerbstätig und bei der "Zürich"
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: "Zürich" oder Beschwerdegegnerin)
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Er litt unter anderem
an chronischer Migräne sowie an bereits 1986 spezialärztlich abgeklärten,
wiederholt auftretenden Kopfschmerzen bei einem Status nach ventraler
Diskektomie und interkorporeller Aufrichtung mit Composit-Cages zwischen den
Halswirbelköpern 5 und 6 vom 18. Dezember 1996. Am 6. Oktober 1998 fuhr er
bei einem Parkiermanöver im Rückwärtsgang mit seinem Jeep Cherokee gegen
einen Laternenpfosten. Zuerst verspürte er keine wesentlichen Beschwerden.
Fünfzehn Stunden nach dem Unfall begann er über Schwindel, Übelkeit sowie
Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlungen in den linken Arm und die linke
Hand zu klagen. In der Folge übernahm die "Zürich" die Heilbehandlung und
erbrachte ein Taggeld.

Die von der "Zürich" einspracheweise auf den 30. August 2001 festgesetzte
Einstellung sämtlicher Versicherungsleistungen hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit in Rechtskraft
erwachsenem Entscheid vom 15. Juli 2003 auf und wies die Sache zur
polydisziplinären Begutachtung und anschliessenden Neuverfügung an die
Verwaltung zurück. Gestützt auf das Gutachten der Medizinischen
Abklärungsstelle (MEDAS) des Kantonsspitals Basel vom 15. November 2004
(nachfolgend: MEDAS-Gutachten) hielt die "Zürich" mit Verfügung vom 21.
Januar 2005 und Einspracheentscheid vom 9. Juni 2005 an der
Leistungseinstellung per 30. August 2001 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des D.________ wies das kantonale Gericht
mit Entscheid vom 11. Januar 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt D.________
unter Aufhebung des kantonalen Gerichts- und des Einspracheentscheides die
Ausrichtung einer Invalidenrente sowie einer Integritätsentschädigung durch
die "Zürich" beantragen.

Während die "Zürich" auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Da sich
das Rechtsmittel gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung
von Geldleistungen (Art. 15 ATSG) der obligatorischen Unfallversicherung
richtet, kann überdies auch jede unrichtige oder unvollständige Feststellung
des Sachverhalts gerügt werden (Art. 97 Abs. 2 BGG). Dementsprechend ist das
Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden
(Art. 105 Abs. 3 BGG). Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen
und ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche
Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2
BGG).

2.
Im kantonalen Entscheid sowie im Einspracheentscheid werden die nach der
Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und
dem eingetretenen Schaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181), insbesondere
bei Schleudertraumen und schleudertraumaähnlichen Verletzungen der HWS (BGE
117 V 359 ff.; RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317 E. 3, U 160/98; SVR 1995 UV Nr. 23
S. 67), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Strittig ist, ob die im Zeitpunkt der von der "Zürich" verfügten Einstellung
der Leistungen per 30. August 2001 geklagten Beschwerden des Versicherten
noch in einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang mit dem Ereignis vom 6.
Oktober 1998 standen. Während Verwaltung und Vorinstanz die Adäquanz des
Kausalzusammenhanges nach BGE 117 V 359 prüften und verneinten, vertritt der
Beschwerdeführer bei zu Recht unbestrittener Anwendung derselben Praxis die
gegenteilige Auffassung.

3.1 Zum Hergang des Unfalles vom 6. Oktober 1998 ist den Akten zu entnehmen,
dass der Versicherte als Lenker eines Jeep Cherokee Geländewagens bei einem
Parkiermanöver im Rückwärtsgang gegen einen Laternenpfosten fuhr, wobei es zu
einer ruckartigen Bewegung im Bereich der HWS kam. Insbesondere fehlen in den
echtzeitlichen Unterlagen des Jahres 1998  -  entgegen späteren
Sachverhaltsdarstellungen des Beschwerdeführers  -  Anhaltspunkte dafür, dass
die Kollision mit dem Laternenpfosten bei erheblichem Tempo erfolgte. Mit
Blick auf den augenfälligen Geschehensablauf ist dieses Ereignis im Rahmen
der für die Adäquanzbeurteilung vorzunehmenden Einteilung (BGE 117 V 359 E.
6a S. 366) höchstens als mittelschwerer Unfall im Grenzbereich zu den
leichten zu qualifizieren. Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist
demzufolge zu bejahen, wenn entweder ein einzelnes der von der Rechtsprechung
entwickelten Kriterien (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367) besonders ausgeprägt
vorliegt oder die Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffallender Weise
erfüllt sind (BGE 117 V 359 E. 6b S. 368 oben).

3.2 Das Unfallereignis vom 6. Oktober 1998 war weder von besonderer
Eindrücklichkeit noch ereignete es sich unter dramatischen Begleitumständen.
Demgegenüber kann das Kriterium der Verletzungen besonderer Art oder Schwere
unter den gegebenen Umständen bei einer operativ sanierten, jedoch vor dem
Unfall angeblich beschwerdefrei gewesenen Halswirbelsäule sowie einer
anlässlich der in Schritttempo erfolgten Kollision seitlich abgedrehten
Kopfstellung (RKUV 1998 Nr. U 297 S. 245 E. 3c, U 16/97) als  -  nicht in
besonders ausgeprägter Form  -  erfüllt angenommen werden. Dasselbe trifft
nach übereinstimmenden Einschätzungen des Versicherten und des kantonalen
Gerichts zu hinsichtlich des Kriteriums von Grad und Dauer der
Arbeitsunfähigkeit (vgl. zur diesbezüglichen Praxis RKUV 2001 Nr. U 442
S. 544 f., U 56/00). Zu einer ärztlichen Fehlbehandlung, welche die
Unfallfolgen erheblich verschlimmert hätte, kam es entgegen der erstmals vor
Bundesgericht geäusserten Behauptung des Beschwerdeführers nicht. Inwieweit
es sich dabei um ein unzulässiges, im letztinstanzlichen Verfahren
unbeachtliches neues Tatsachenvorbringen (Art. 99 Abs. 1 BGG; Ulrich Meyer,
Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N. 6 zu Art. 99 BGG)
handelt, kann offen bleiben. Nicht erfüllt ist sodann das Kriterium der Dauer
der ärztlichen Behandlung: Nach der Periduralanalgesie vom 2. Dezember 1998
fand nach Lage der Akten  -  abgesehen von einem stationären Aufenthalt in
der Klinik Z.________ vom 22. Februar bis 14. März 2000 - keine
kontinuierliche, mit einer gewissen Planmässigkeit auf die Verbesserung des
Gesundheitszustandes gerichtete ärztliche Behandlung (vgl. Urteil U 479/05
vom 6. Februar 2007, E. 8.3) mehr statt. Die Kontrolluntersuchungen bei den
Dres. med. W.________, und S.________, die Verabreichung von Schmerzmitteln
sowie gelegentliche Physiotherapie genügen für die Bejahung des Kriteriums
nicht (vgl. RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236 E. 5.2.4 S. 238 f., U 380/04, mit
Hinweisen). Auch das Kriterium der Dauerbeschwerden ist nicht erfüllt. Denn
die subjektiv anhaltend und unabhängig von sämtlichen therapeutischen
Bemühungen geklagten Befindlichkeitsstörungen standen zumindest teilweise im
Widerspruch zu den objektiv feststellbaren Heilbehandlungserfolgen. So
berichtete die Physiotherapeutin am 22. Juli und 23. September 1999 über die
beim Aufbautraining erreichte Erhöhung der muskulären Belastbarkeit und eine
entsprechende deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes. Laut
MEDAS-Gutachten (S. 11) traten die subjektiv geklagten Schmerzen vor allem
bei längerem Tragen von Lasten und bei längerem Sitzen in derselben Position
auf. Der Neurologe Dr. med. O.________, fand am 28. August 2002 einen frei
beweglichen Kopf ohne Blockierungen der HWS, lediglich mit einer Irritation
auf Höhe C2 rechts, mit einem Hartspann und einer Druckdolenz der Musculi
scaleni und des Musculus levator scapulae ohne Triggerpunkte. Diesen Befund
bezeichnete der Spezialarzt als nicht aussagekräftig, da er auch bei gesunden
Exploranden ohne Traumavorgeschichte erhoben werden könne. Unter den
gegebenen Umständen kann auch nicht von einem schwierigen Heilungsverlauf
oder erheblichen Komplikationen gesprochen werden, weil die hierfür über das
Fortbestehen der Beschwerden hinaus verlangten besonderen Gründe (Urteil U
479/05 vom 6. Februar 2007, E. 8.5) nicht gegeben sind.

3.3 Bei nur zwei erfüllten Kriterien und einem Unfall, welcher höchstens als
mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Ereignissen zu qualifizieren
ist, haben die "Zürich" und das kantonale Gericht die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs zwischen den ab 31. August 2001 geklagten
Gesundheitsstörungen und dem Unfall vom 6. Oktober 1998 mit Recht verneint.
Die Beschwerde ist abzuweisen.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art.
68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Januar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Widmer Hochuli