Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.282/2007
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


8C_282/2007

Urteil vom 8. Februar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

M.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 16. April 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1957 geborene M.________ arbeitete seit 1985 in der X.________ AG als
Betriebsmitarbeiter und war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 17. Februar 1993 erlitt er bei einem
Verkehrsunfall ein Hyperflexionstrauma der Brustwirbelsäule (BWS). Nach
verschiedenen Behandlungen bestand ab 15. März 1993 eine teilweise und ab
5. April 1993 eine volle Arbeitsfähigkeit. Die SUVA anerkannte ihre
Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlich vorgesehenen Leistungen,
insbesondere für weitere Therapien. Mit Verfügung vom 19. Juli 2001 lehnte
sie die Ausrichtung einer Invalidenrente sowie einer Integritätsentschädigung
ab, anerkannte jedoch die Kostenübernahme für Arztbehandlungen und bis Juli
2002 in reduziertem Umfang für Physiotherapiesitzungen. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 22. Februar 2002 teilweise fest, übernahm hingegen
die Kosten der therapeutischen Massnahmen im Rahmen der ärztlich empfohlenen
Frequenz, sodann werde über die Frage einer Integritätsentschädigung nach
Vornahme einer neurologischen Begutachtung entschieden. Dieser
Einspracheentscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

A.b Nach Durchführung der Begutachtung im Frühjahr 2003 arbeitete M.________
ab 5. Mai 2003 nicht mehr und nahm, nach verschiedenen gescheiterten
Arbeitsversuchen, keine Tätigkeit mehr auf. In der Folge meldete die
X.________ AG der SUVA am 23. Juni 2003 einen Rückfall. Im Anschluss an einen
stationären Aufenthalt in der Rehaklinik Y.________ (25. November bis
23. Dezember 2003) stellte die SUVA mit Verfügung vom 15. März 2004 die
Leistungen per 5. Mai 2003 ein und lehnte die Ausrichtung einer
Invalidenrente und einer Integritätsentschädigung ab. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 2. September 2005 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt nach Beizug der IV-Akten mit Entscheid vom 16. April 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde lässt M.________ beantragen, es sei, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids, die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen
Leistungen auszurichten.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Heilbehandlung
(Art. 10 Abs. 1 UVG) und Taggelder (Art. 16 Abs. 1 und 2 UVG) sowie die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE
119 V 335 E. 1 S. 337). Entsprechendes gilt für die von der Judikatur
entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im
Allgemeinen (BGE 125 V 456 E. 5a S. 461) sowie bei psychischen Unfallfolgen
im Besonderen (BGE 115 V 133) und zum Beweiswert medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig ist, ob das geklagte Zervikalsyndrom unfallbedingt und in natürlich
kausaler Weise auf den versicherten Unfall aus dem Jahr 1993 zurückzuführen
ist. Für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit ist nicht
ausschlaggebend, ob der Beschwerdeschub ab 2003 als Rückfall oder als Teil
des Grundfalls gesehen wird. Bei beiden Konstellationen muss die
beträchtliche Zeit nach dem Unfallereignis festgestellte Gesundheitsstörung
mit Auswirkung auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit in einem natürlichen und
in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfallereignis stehen; die
unterschiedliche Beweislastverteilung beim Nachweis der natürlichen
Kausalität wirkt sich im vorliegenden Fall letztlich nicht
entscheidwesentlich aus.

2.1 Laut angefochtenem Entscheid gehen die medizinischen Fachleute von einem
Zervikalsyndrom aus, welches den Beschwerdeführer zwar subjektiv stark
beeinträchtige jedoch ohne erhebliches organisches Substrat sei. Sodann habe
er weder eine Commotio cerebri noch eine milde traumatische Hirnverletzung
(MTBI) erlitten, demnach seien sich alle Ärzte einig, es liege beim
Beschwerdeführer keine unfallkausale, organisch bedingte gesundheitliche
Beeinträchtigung vor.

2.2 Der Beschwerdeführer behauptet hingegen, er habe anlässlich des Unfalls
eine HWS-Distorsion erlitten. Sodann äussere sich das MEDAS-Gutachten nicht
zur Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs. Ferner werde die adäquate
Kausalität zu Unrecht verneint, selbst wenn die Adäquanzprüfung nach BGE 115
V 133 erfolge.

2.3 Gestützt auf die medizinischen Akten ist unklar, ob der Beschwerdeführer
anlässlich des Verkehrsunfalls ein HWS-Distorsionstrauma erlitten hat.
Ursprünglich wurde ein thorakales Schmerzsyndrom behandelt (Arztzeugnis UVG
vom 16. März 1993). Erst im Oktober 1993 wurde eine Symptomatik an der HWS im
Bericht des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, vom
19. November 1993 erwähnt. Obschon eine HWS-Problematik unter dem Aspekt,
dass der Beschwerdeführer den Kopf stark angeschlagen hat, denkbar wäre, kann
die Frage offen gelassen werden (vgl. E. 2.4).
2.4 Auf Grund der klinischen Untersuchung von Dr. med. L.________, Facharzt
FMH für Neurologie (Gutachten vom 16. Mai 2003), ist höchstens ein
leichtgradiges Zervikalsyndrom nachweisbar. Deutlich hingegen seien die
neuroradiologischen Veränderungen im Bereich der HWS, wobei die Problematik
des linken Arms ursächlich unklar sei. Die Nackenproblematik sei sicherlich
unfallfremd, da auf degenerative Faktoren zurückzuführen, zumal sie
unmittelbar posttraumatisch nicht vorhanden gewesen seien. Bezüglich des
thorakalen Schmerzsyndroms sei die Ursache unklar, wobei sich der klinische
Befund auf druckdolente Dornfortsätze beschränke und die Beweglichkeit der
BWS nicht eingeschränkt sei. Die thorakal linkskonvexe Torsionsskoliose sei
ebenfalls eher unfallfremd, da der Beschwerdeführer bereits seit 13 Jahren im
linken Schuh eine Einlage trage. Auf Grund der divergierenden subjektiv
beklagten Schmerzen und den objektivierbaren Befunden schliesst Dr. med.
L.________ psychische Komponenten nicht aus. Zusammenfassend geht der
Neurologe bei der Wirbelsäulenaffektion von degenerativen Veränderungen aus
und schliesst eine Unfallkausalität aus. Die weiteren Beschwerden seien ohne
organisches Korrelat, weshalb kein unfallbedingter Befund vorliege.
Anlässlich der Beantwortung von Zusatzfragen hält Dr. med. L.________ im
Schreiben vom 9. Oktober 2003 fest, dass die zwischenzeitlich eingetretene
Arbeitsunfähigkeit aus somatischer Sicht nicht auf das Unfallereignis vom
7. Februar 1993 zurückzuführen sei. Sie würde offensichtlich auf
psychiatrischen Faktoren basieren. Dem Bericht des Dr. med. H.________,
Oberarzt, und der Frau Dr. med. E.________, Assistenzärztin, der Rehaklinik
Y.________ vom 10. Februar 2004 ist nach einem stationären Aufenthalt vom
25. November bis 23. Dezember 2003 zu entnehmen, der Beschwerdeführer leide
unter einem progredienten zervikozephalen Syndrom, einer vegetativen
Dysregulation und an neuropsychologischen Funktionsstörungen. Eine mögliche
Unfallkausalität wurde nicht erwähnt, jedoch gehen die Ärzte mittelfristig
von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit aus.
In der neurologischen Beurteilung vom 26. Juli 2005 fasst Frau Dr. med.
W.________, Fachärztin für Neurologie, SUVA, die Beschwerden und Befunde des
Beschwerdeführers überzeugend zusammen: Der enge Spinalkanal sei eine
Anlagestörung, wobei in den zehn Jahren nach dem Unfall weder objektivierbare
Störungen noch manifeste Ausfälle festgestellt worden seien. Bei den
vorliegend normalen Resultaten könne eine zervikale Myelopathie
ausgeschlossen werden. Anlässlich des stationären Aufenthalts in der
Rehaklinik Y.________ seien erstmals neuropsychologische Ausfälle
aufgetreten, wobei diese weder als Unfallfolgen noch als Rückfall in Frage
kämen. Schliesslich ist dem MEDAS-Gutachten vom 4. Dezember 2006 zu
entnehmen, der Beschwerdeführer klage über multiple und wechselnde
körperliche Symptome, die durch keine diagnostizierbar körperliche Krankheit
erklärt werden könnten. Die ständige Beschäftigung mit den Symptomen führe zu
einem andauernden Leiden und schliesslich zu einer Einschränkung in der
alltäglichen Lebensführung des Patienten. Insgesamt sei die Ätiologie der
Leistungseinschränkung unklar, wobei das Unfallereignis als Ursache
unwahrscheinlich sei.

3.
Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde durch die Vorinstanz richtig und
vollständig festgestellt. Unter Berücksichtigung sämtlicher für die
Beurteilung massgebenden Faktoren kann der natürliche Kausalzusammenhang
zwischen den vorhandenen Beschwerden und dem erlittenen Unfall nicht als mehr
denn eine blosse Möglichkeit erscheinen, was für die Begründung der
Leistungspflicht der Unfallversicherung nicht genügt (Urteil vom 8. Juni 2006
[U 147/05]). Eine unfallbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes
ist nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad nachgewiesen. Der Unfall stellt
weder die natürliche Ursache des Gesundheitsschadens dar, noch liegt ein die
Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin begründender Rückfall vor, weshalb
die vorinstanzlich bestätigte Leistungseinstellung auf den 5. Mai 2003 zu
Recht erfolgte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 8. Februar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Heine