Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.145/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_145/2007

Urteil vom 8. Januar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
K.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Gerold Meier, Haus zur Granate, Vordergasse 18,
8200 Schaffhausen,

gegen

IV-Stelle Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
vom 9. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 28. April 2006 und Einspracheentscheid vom 6. Oktober 2006
verneinte die IV-Stelle Schaffhausen einen Anspruch des K.________ auf eine
Invalidenrente mangels eines anspruchsbegründenden Invaliditätsgrades. Mit
Verfügung vom 6. Oktober 2006 lehnte die IV-Stelle die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das Einspracheverfahren ab.

B.
Der durch Rechtsanwalt Gerold Meier vertretene K.________ liess mit Eingabe vom
9. November 2006 beim Obergericht des Kantons Schaffhausen - als kantonales
Versicherungsgericht - gegen den Einspracheentscheid Beschwerde erheben und die
Zusprechung einer Invalidenrente beantragen. Er liess dabei das Obergericht
darum ersuchen, die Akten der IV-Stelle beizuziehen und ihm dann die
Gelegenheit zu geben, zu diesen Stellung zu nehmen. Mit Verfügung vom 16.
November 2006 teilte das Obergericht dem Anwalt mit, er habe die Akten selber
einzuholen. Zudem setzte es ihm Frist bis 18. Dezember 2006, um die Beschwerde
zu ergänzen. Bei unbenütztem Fristablauf werde Verzicht auf die Ergänzung des
Rechtsmittels angenommen und auf dieses nicht eingetreten. Das Obergericht
erstreckte die gesetzte Frist zweimal, zuletzt bis 28. Februar 2007.
Mit Entscheid vom 9. März 2007 trat das Obergericht auf die Beschwerde nicht
ein, da diese trotz Androhung der Säumnisfolge innert der angesetzten und
erstreckten Frist nicht ergänzt worden sei.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt K.________
beantragen, der Entscheid vom 9. März 2007 sei aufzuheben und das Obergericht
sei anzuweisen, das Beschwerdeverfahren durchzuführen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid stellt einen
verfahrensabschliessenden Entscheid dar, gegen den die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen steht (Art. 90 BGG). Auf die
Beschwerde ist einzutreten, da auch die übrigen Voraussetzungen hiefür erfüllt
sind.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht auf die gegen den
Einspracheentscheid vom 6. Oktober 2006, mit welchem die IV-Stelle einen
Rentenanspruch verneint hat, erhobene Beschwerde zu Recht nicht eingetreten
ist. Die ebenfalls am 6. Oktober 2006 ergangene Verfügung, mit der die
Verwaltung die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung verweigert hat,
bildete nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens und bedarf keiner
weiteren Erwähnung. Abweichendes wird auch nicht geltend gemacht.

3.
Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid damit, die Beschwerde sei innert der
unter Androhung der Säumnisfolgen angesetzten und erstreckten Frist nicht
ergänzt worden. Auf die Beschwerde sei daher in Anwendung von Art. 61 lit. b
ATSG in Verbindung mit Art. 40 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über den
Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz; nachfolgend:
VRG-SH) nicht einzutreten.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die im kantonalen Verfahren eingereichte
Beschwerde genüge auch ohne Ergänzung den gesetzlichen Anforderungen und sei
daher materiell zu beurteilen. Der angefochtene Entscheid sei überspitzt
formalistisch und verletze den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung.

4.
4.1 Gemäss Art. 36a VRG-SH behandelt das Obergericht als kantonales
Versicherungsgericht unter anderem Beschwerden auf dem Gebiet der
eidgenössischen Sozialversicherung (Abs. 1). Für das Verfahren gelten die
Vorschriften von Art. 56 - 61 ATSG in Verbindung mit den Art. 38 ff. VRG-SH
(Abs. 3). Laut Art. 40 VRG-SH müssen Rechtsmitteleingaben einen Antrag und
seine Begründung enthalten (Abs. 1). Genügt eine Rechtsmitteleingabe diesen
Anforderungen nicht, so setzt das Obergericht eine angemessene Frist zur
Verbesserung an und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf das
Rechtsmittel nicht eingetreten werde (Abs. 2). Auf ein mit der
Rechtsmitteleingabe eingereichtes Gesuch hin kann die Frist zur Begründung
angemessen verlängert werden (Abs. 3).
Nach Art. 61 lit. b ATSG muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des
Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt
sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der
Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und
verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten
wird.

4.2 Erfüllt eine Beschwerde die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht und
wird sie innert einer unter Androhung der Säumisfolgen angesetzten Frist nicht
verbessert, ist nach dem Gesagten auf sie nicht einzutreten. Indessen ginge es
nicht an, dass das Gericht bei formgerechter Beschwerde deren materielle
Beurteilung von einer Ergänzung des Rechtsmittels abhängig macht. Dies käme
einer formellen Rechtsverweigerung gleich. Das gilt selbst dann, wenn die
Beschwerde führende Person selber die Möglichkeit zur Beschwerdeergänzung
gewünscht hat (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 440/99
vom 29. Februar 2000 E. 2).

4.3 Im vorliegenden Fall genügt die beim Obergericht eingereichte Beschwerde
den gesetzlichen Mindestanforderungen (E. 4.1 hievor). Im angefochtenen
Entscheid wird denn auch mit keinem Wort begründet, inwiefern dies nicht der
Fall sein solle. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
Die Vorinstanz hat daher die Beschwerde materiell zu beurteilen.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten sind der
Beschwerdegegnerin als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 66 BGG; zur
Kostentragungspflicht der IV-Stellen: Urteil 8C_67/2007 vom 25. September 2007,
E. 6 mit Hinweis). Dem Beschwerdeführer steht eine Parteientschädigung zu (Art.
68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Schaffhausen vom 9. März 2007 aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz
zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der
IV-Stelle Schaffhausen vom 6. Oktober 2006 materiell entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle Schaffhausen auferlegt.

3.
Die IV-Stelle Schaffhausen hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Januar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz