Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.88/2007
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6B_88/2007 /rom

Urteil vom 7. Juni 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Y.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher X.________,

gegen

A.________,
B.________,
C.________,
Beschwerdegegner,
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern.

Nichteintretensbeschluss (Verleumdung, ev. üble Nachrede),

Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Bern, Anklagekammer, vom 12. Februar 2007.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit Antrag eines Untersuchungsrichters und Zustimmung eines Prokurators des
Kantons Bern wurde am 15. September 2006 beschlossen, auf eine von X.________
und Y.________ gegen A.________, B.________ sowie C.________ gerichtete
Strafanzeige wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede nicht einzutreten. Einen
dagegen gerichteten Rekurs wies die Anklagekammer des Obergerichts des
Kantons Bern mit Beschluss vom 12. Februar 2007 ab.

X. ________ und Y.________ wenden sich mit Beschwerde in Strafsachen ans
Bundesgericht und beantragen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben.

Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. A.________,
B.________ und C.________ beantragen, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Der Generalprokurator hat sich
nicht vernehmen lassen.

2.
Zur Beschwerdelegitimation machen die Beschwerdeführer zunächst geltend, der
angefochtene Entscheid verletze ihren Anspruch auf "ungeschmälerte Achtung
des Strafantragsrechts" (Beschwerde S. 5 Ziff. 11). Ein Anwendungsfall von
Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG liegt jedoch nicht vor, weil es in der
Beschwerde nicht um das Strafantragsrecht gemäss Art. 30 StGB als solches
geht.

Weiter rügen die Beschwerdeführer, der angefochtene Entscheid verletze ihren
Anspruch "auf Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf Beachtung des Verbots der
Rechtsverweigerung, auf einen wirksamen Rekurs und auf ein faires Verfahren"
(Beschwerde S. 5 Ziff. 11). Ob die Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids im
Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG haben, kann insoweit offen bleiben, als
die Rügen den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht genügen.
Dies gilt für die Ausführungen unter "Allgemeines", "Sachverhaltsgrundlage",
"Kleine Prozessgeschichte" und "Sachverhalt der Beschwerde" (Beschwerde S. 8
- 19).

Schliesslich rügen die Beschwerdeführer unter dem Titel "Die Verfassungs- und
Konventionsverletzungen", das Obergericht habe ihnen die Vernehmlassungen der
Beschwerdegegner sowie die Anträge des Generalprokurators und deren
Begründung verschwiegen, damit das rechtliche Gehör verweigert und Art. 29
Abs. 2 BV, Art. 26 Abs. 2 KV/BE und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt (Beschwerde
S. 19 - 23). Zu dieser Rüge sind die Beschwerdeführer legitimiert. Nach
ständiger Rechtsprechung können sie als Geschädigte die Verletzung von
Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben sie  - unter
Vorbehalt von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen zum Schutz
überwiegender Geheimhaltungsinteressen - Anspruch darauf, von jeder dem
Gericht eingereichten Stellungnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu äussern
zu können, unabhängig davon, ob diese neue Tatsachen oder Argumente enthält
und ob sie das Gericht tatsächlich zu beeinflussen vermag. Es obliegt den
Parteien zu entscheiden, ob sie zu einer Eingabe Bemerkungen anbringen wollen
oder nicht (BGE 1A.56/2006 vom 11. Januar 2007 E. 4; 132 I 42 E. 3.3.2 und
3.3.3).

Der Beschwerdegegner A.________ hat sich im kantonalen Verfahren ausführlich
zum Rekurs der Beschwerdeführer geäussert (KA act. 199 - 204). Er machte
geltend, teilweise liege kein gültiger, fristgerecht gestellter Strafantrag
vor (KA act. 200) und das Verhalten der Beschwerdeführer habe es
gerechtfertigt, dass er im Sinne eines Parteistandpunktes auf die
möglicherweise fehlende Prozessfähigkeit der Beschwerdeführer habe hinweisen
dürfen (KA act. 202). Die Vernehmlassung betraf Punkte, die im
Rekursverfahren zu behandeln waren (vgl. angefochtenen Entscheid S. 6 unten
betreffend Gültigkeit des Strafantrages, S. 11 ff. betreffend
Prozessfähigkeit). Aus den Akten ergibt sich nicht, dass die Vorinstanz den
Beschwerdeführern von der Vernehmlassung Kenntnis gegeben hätte. Sie
behauptet dies vor Bundesgericht denn auch nicht (act. 11). Hat die
Vorinstanz den Beschwerdeführern vom Eingang der Vernehmlassung aber keine
Kenntnis gegeben, konnten sie auch nicht beurteilen, ob sie sich dazu äussern
wollten. Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist unter diesen Umständen zu
bejahen. Dass sich die Beschwerdeführer nach Ansicht der Beschwerdegegner
rechtsmissbräuchlich verhalten (act. 12 und act. 14), vermag daran nichts zu
ändern. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

3.
Da die Beschwerdeführer obsiegen, sind ihnen für das bundesgerichtliche
Verfahren keine Kosten aufzuerlegen. Da auf die Beschwerde jedoch in weiten
Teilen mangels hinreichender Begründung nicht eingetreten werden konnte, hat
ihnen der Kanton Bern nur eine herabgesetzte Entschädigung zu bezahlen. Die
Beschwerdegegner haben den Verfahrensfehler der Vorinstanz nicht zu
vertreten. Es sind ihnen deshalb ebenfalls keine Kosten aufzuerlegen. Da sie
unterliegen, steht ihnen keine Parteientschädigung zu.

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, der
Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Anklagekammer, vom 12. Februar
2007 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Bern hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Generalprokurator des Kantons
Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Anklagekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juni 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: