Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.786/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_786/2007 /hum

Urteil vom 15. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Marie-Christine Müller Leu,

gegen

Schweizerische Bundesanwaltschaft,
Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Bedingter Strafvollzug,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 19.
September 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Bundesstrafgericht verurteilte X.________ am 19. September 2007 wegen
versuchten Einführens falschen Geldes zu einer Freiheitsstrafe von 16 1/2
Monaten, wovon es 6 Monate unbedingt und 10 1/2 Monate bedingt aussprach.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, Ziffer 2 des
vorinstanzlichen Urteils sei aufzuheben und ihm sei - bei einer Probezeit von 3
Jahren - der bedingte Strafvollzug zu gewähren. Zudem stellt er den Antrag auf
unentgeltliche Rechtspflege.

C.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, während die
Bundesanwaltschaft in ihrer Stellungnahme beantragt, die Beschwerde sei
gutzuheissen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz gehe zu Recht davon aus,
dass ihm keine ungünstige Prognose ausgestellt werden könne. Er habe sich seit
dem Vorfall vom 16. Mai 2004 wohlverhalten. Der Strafaufschub nach Art. 42 StGB
sei die Regel. Die Vorinstanz halte in ihrer Begründung lapidar fest, ihn würde
ein grosses Verschulden treffen. Diesem Verschulden sei jedoch bereits bei der
Höhe der Strafe Rechnung getragen worden. Es könne nicht angehen, dass ihm
deswegen auch noch der bedingte Strafvollzug teilweise verwehrt werde. Ein
teilbedingter Vollzug sei nur zu bejahen, wenn der Aufschub wenigstens eines
Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht verlange, dass der andere Teil
vollzogen werde. Diese Frage habe die Vorinstanz nicht geprüft und damit auch
die Begründungspflicht verletzt.

1.1 Bei Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43
StGB (zwischen einem und zwei Jahren) ist der Strafaufschub nach Art. 42 StGB
die Regel, die grundsätzlich vorgeht. Der teilbedingte Vollzug bildet dazu die
Ausnahme. Sie ist nur zu bejahen, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der
Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil
unbedingt ausgesprochen wird. Damit verhält es sich ähnlich wie bei der
Beurteilung der Bewährungsaussichten im Fall eines Widerrufs einer bedingt
ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Ergeben sich - inbesondere aufgrund früherer
Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die
bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch
nicht zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs
den teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst
ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat
die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des
gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere
Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der
Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich
erscheint. Das trifft nicht zu, solange die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art. 42
Abs. 4 StGB), spezialpräventiv ausreichend ist. Diese Möglichkeit hat das
Gericht vorgängig zu prüfen (BGE 134 IV 1 E. 5.5.2 S. 14 f., mit Hinweisen).

1.2 Die Vorinstanz hält in ihrem Entscheid fest, nach heutiger Sicht sei beim
Beschwerdeführer von einer nicht ungünstigen Prognose auszugehen. Ein
unbedingter Vollzug sei nicht notwendig, um ihn von weiteren Verbrechen und
Vergehen abzuhalten. Der Beschwerdeführer sei innerhalb der letzten fünf Jahre
vor der Tat zu keiner Strafe gemäss Abs. 2 des Art. 42 StGB verurteilt worden.
Das Kriterium der Schadenbehebung sei vorliegend nicht von Belang. Die
Voraussetzungen einer bedingten Strafe würden somit vorliegen. Den
Beschwerdeführer treffe jedoch ein grosses Verschulden, welches eine
vollständig bedingte Strafe nicht mehr rechtfertigen könne, weshalb die Strafe
teilbedingt auszusprechen sei.

1.3 Mit dieser Begründung steht die Vorinstanz nicht im Einklang mit der neuen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Sie geht selbst davon aus, dem
Beschwerdeführer könne keine ungünstige Prognose gestellt werden. Aufgrund
ihrer Erwägungen bestehen keine Bedenken an seiner Legalbewährung. Somit ist
ein teilweiser Vollzug der Strafe nicht notwendig, um ihn von der Begehung
weiterer Delikte abzuhalten. Weil es nach der erwähnten Rechtsprechung auf das
Verschulden nicht ankommen kann, sind die Voraussetzungen für den bedingten
Strafvollzug nach Art. 42 Abs. 1 StGB erfüllt. Indem die Vorinstanz den Vollzug
der Freiheitsstrafe von 16 1/2 Monaten nur teilweise aufschob, verletzte sie
Bundesrecht.

2.
Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen. Da dem obsiegenden Beschwerdeführer
bei diesem Ausgang keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 66 Abs. 1 BGG), wird
sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Nachdem die
Bundesanwaltschaft wegen ihres Antrages auf Gutheissung der Beschwerde nicht
unterliegt, rechtfertigt es sich, den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus
der Bundesgerichtskasse zu entschädigen (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 sowie Art.
64 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom
19. September 2007 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos
abgeschrieben.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Schneider Binz