Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.755/2007
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6B_755/2007

Urteil vom 8. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Briw.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jost Frigo,

gegen

Amt für Straf- und Massnahmenvollzug, An der Aa 6, 6300 Zug,
Beschwerdegegner.

Bedingte Entlassung (Art. 86 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug,
verwaltungsrechtliche Kammer, vom 23. Oktober 2007.
Sachverhalt:

A.
Am 11. September 2007 lehnte das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug das
Gesuch um bedingte Entlassung von X.________ ab.

B.
Die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 23. Oktober 2007 ab.

C.
Dagegen richtet sich die Beschwerde in Strafsachen von X.________, mit der er
beantragt, er sei umgehend bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen, und es
sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

D.
Das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1
Die Vorinstanz kommt in einer ausführlichen Begründung zum Schluss, dass sich
die Ablehnung des Antrags auf bedingte Entlassung durch das Amt für Straf-
und Massnahmenvollzug zum Zwei-Drittel-Termin aufgrund einer ungünstigen
Legalprognose insgesamt als angemessen und rechtmässig erweise. Das Vorleben
des Beschwerdeführers zeige auf, dass er über viele Jahre wiederholt
straffällig geworden sei, insbesondere auch, nachdem er im Jahre 2003 bereits
einmal unter Ansetzung einer zweijährigen Probezeit bedingt entlassen worden
sei. Der tadellose Führungsbericht der Strafanstalt Zug vermöge an der
negativen Gesamtbeurteilung nichts zu ändern (angefochtenes Urteil S. 14).

1.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe im Ergebnis allein auf
sein Vorleben abgestellt und das Schutzbedürfnis der Bevölkerung
verabsolutiert. Bei einer solchen Argumentation wäre die bedingte Entlassung
für jeden einschlägig Vorbestraften von vornherein ausgeschlossen. Das
widerspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Vorinstanz habe
ihren Ermessensspielraum überschritten und damit Art. 86 Abs. 1 StGB verletzt
(zusammenfassend Beschwerde S. 8).

2.
2.1 Im zu beurteilenden Fall ist unbestritten das neue Recht anwendbar (vgl.
BGE 133 IV 201 E. 2.1).
2.2 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate
verbüsst, ist er bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug
rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde in Freiheit weitere
Verbrechen oder Vergehen begehen (Art. 86 Abs. 1 StGB). Die zuständige
Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden
kann; dabei hat sie diesen anzuhören und einen Bericht der Anstaltsleitung
einzuholen (Abs. 2). Liegen ausserordentliche Gründe in der Person des
Gefangenen vor, kann die bedingte Entlassung ausnahmsweise bereits nach der
Verbüssung der Hälfte der Strafe, frühestens jedoch nach drei Monaten
erfolgen (Abs. 4).

Die Bestimmung über die reguläre bedingte Entlassung wurde somit in Bezug auf
die Legalprognose neu gefasst, indem nicht wie bisher positiv verlangt wird,
es müsse erwartet werden können, der Täter werde sich in Freiheit bewähren,
sondern negativ, dass zu erwarten ist, er werde in Freiheit keine Verbrechen
oder Vergehen mehr begehen. Jedenfalls tendenziell wurden mit dieser neuen
Formulierung die Anforderungen an die Legalprognose gesenkt. Stärker noch als
bisher wird man daher davon auszugehen haben, dass die bedingte Entlassung
die Regel und deren Verweigerung die Ausnahme darstellt. Abgesehen davon,
entspricht die neurechtliche Regelung im Wesentlichen der altrechtlichen von
Art. 38 Ziff. 1 StGB, weshalb die diesbezügliche Rechtsprechung massgebend
bleibt (BGE 133 IV 201 E. 2.2).

Die bedingte Entlassung stellt somit nach wie vor die vierte und letzte Stufe
des Strafvollzugs dar und bildet die Regel, von der nur aus guten Gründen
abgewichen werden darf. In dieser Stufe soll der Entlassene den Umgang mit
der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Diesem rein
spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit
gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die
gefährdeten Rechtsgüter sind. Die Prognose über das künftige Wohlverhalten
ist in eine Gesamtwürdigung zu stellen, welche nebst dem Vorleben, der
Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor
allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung
und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt.
Dabei steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das
Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussichten nur ein,
wenn die Vorinstanz ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht
und damit Bundesrecht verletzt hat. Eine Ermessensüberschreitung kann etwa
darin liegen, auf eine Gesamtwürdigung aller für die Prognose relevanten
Umstände zu verzichten und auf die Vorstrafen allein abzustellen (BGE 133 IV
201 E. 2.3 mit Hinweisen).

2.3 Der Vorinstanz stützt sich auf diese Erwägungen von BGE 133 IV 201
(angefochtenes Urteil S. 8 f.). Dabei geht sie zutreffend davon aus, dass
eine Ermessensüberschreitung vorliegen würde, wenn auf eine Gesamtwürdigung
aller für die Prognose relevanten Umstände verzichtet und allein auf die
Vorstrafen abgestellt würde (vgl. auch Günter Stratenwerth, Schweizerisches
Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2. Auflage, Bern 2006, § 4 N. 56; Andrea
Baechtold, Strafrecht I, Basler Kommentar, 2. Auflage, Basel 2007, Art. 86 N.
15).

Die Vorinstanz berücksichtigt das tadellose Verhalten im Strafvollzug zu
Gunsten des Beschwerdeführers. Auf der anderen Seite weist sie auf seine
zahlreichen Vorstrafen hin. Im Strafregister ist er seit 1995 mit acht
Eintragungen mit jeweils zahlreichen Schuldsprüchen vermerkt (Auszug vom 4.
September 2007). Nach dem Strafmass der Verurteilungen intensivierte er sein
deliktisches Verhalten ab dem Jahre 2001. Das weist auf ein erhöhtes
Verschulden hin. Sein Vorleben zeigt damit auf, dass er sich durch zahlreiche
Verurteilungen nicht davon abhalten liess, aus finanziellen Motiven immer
weitere und immer schwerwiegendere Delikte zu begehen. Schliesslich fällt für
die Prognose negativ ins Gewicht, dass er für die Zeit ab August 2003, das
heisst nur vier Monate nach einer bedingten Entlassung, bereits wieder wegen
gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls sowie Hausfriedensbruchs im
Strafregister vermerkt ist.

Diese auffallend zahlreichen Verurteilungen mit Schuldsprüchen vor allem im
Vermögensbereich und das Delinquieren während der Probezeit durften zu einer
ungünstigen Beurteilung der künftigen Legalbewährung führen (zustimmend
Stratenwerth, a.a.O., § 4 N. 57). Der Tragweite dieser zahlreichen und
erheblichen Vorstrafen vermag der Beschwerdeführer nichts Substanzielles
entgegenzuhalten. Er weist einzig darauf hin, dass die Verweisungsbrüche
"noch am verständlichsten" seien (Beschwerde S. 5 f.). Diese Schuldsprüche
stehen indessen nicht im Vordergrund. Die Erwägung der Vorinstanz, dass die
Verstösse gegen gerichtliche bzw. fremdenpolizeiliche Landesverweisungen
"ganz besonders ins Gewicht" fielen (angefochtenes Urteil S. 10 f.), sind
denn auch zu relativieren.

2.4 Im Weiteren berücksichtigt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer sich
keineswegs einsichtig oder gar reuig gezeigt hat. Erst bei der Gewährung des
rechtlichen Gehörs durch das Amt für Straf- und Massnahmevollzug am 10.
September 2007 habe er ausgeführt, dass es im Leid tue, was er gemacht habe;
er bitte um Entschuldigung (angefochtenes Urteil S. 11).

Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind auch die neuere Einstellung und der Grad
der Reife einer allfälligen Besserung zu berücksichtigen (BGE 124 IV 193 E.
3; Stratenwerth, a.a. O., § 4 N. 58). Aus BGE 124 IV 193 E. 5b/ee geht
hervor, dass von der Uneinsichtigkeit nicht notwendig auf eine ungünstige
Prognose geschlossen werden kann, weil dafür unterschiedliche Motive
verantwortlich sein können (zustimmend Stratenwerth, a.a.O., § 4 N. 58;
Baechtold, a.a.O., Art. 86 N. 9). Der Beschwerdeführer führt zutreffend aus,
er dürfe sich im Strafverfahren verteidigen. Er macht geltend, dass er nur
dort nicht geständig gewesen sei, wo kein konkreter Tatbeweis, sondern nur
die Anschuldigung eines Mittäters vorgelegen habe (Beschwerde S. 6). Wie sich
indessen den im Übrigen unbestritten Ausführungen der Vorinstanz entnehmen
lässt (angefochtenes Urteil S. 11), geht die mangelnde Einsicht des
Beschwerdführers über das von ihm erwähnte Mass hinaus. Unwidersprochen blieb
auch die Feststellung der Vorinstanz, dass er während der Hauptverhandlung
weder bezüglich der wiederholten Verweisungsbrüche noch der anderen
schwerwiegenden Delikte irgendeinen Anflug von Reue oder Einsicht gezeigt
habe. Eine Reflexion über sein Verschulden und dessen Bedeutung sei am 5.
Juli 2007 vor den Schranken des Strafgerichts nicht ersichtlich gewesen. Die
Vorinstanz weist auf das Schlusswort des Beschwerdeführers hin: "Ich möchte
alle anzeigen. Gegen Untersuchungsrichterin und Polizist" (Protokoll der
Hauptverhandlung vor dem Strafgericht des Kantons Zug, act. GD 8/2 S. 25).
Bei dieser Sachlage durfte die Vorinstanz dem Bekunden von Reue am 10.
September 2007 wenig Bedeutung beimessen und die Uneinsichtigkeit zu
Ungunsten des Beschwerdeführers gewichten.

2.5 Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, es sei für ihn nach dem
langen Strafvollzug schwierig, konkrete Lebenspläne anlässlich einer
Gerichtsverhandlung vorzulegen. Nach seinem der Beschwerde beigelegten
Schreiben vom 6. November 2007, bei dem es sich um ein nicht zu
berücksichtigendes neues tatsächliches Vorbringen handelt (vgl. BGE 133 III
638 E. 2), beabsichtigt er, im Kosovo mit seiner Lebenspartnerin ein
Restaurant zu eröffnen. Dem stehen die Feststellungen der Vorinstanz
entgegen, aus dem guten Verhalten im Strafvollzug allein könne nicht
abgeleitet werden, dass er eine positive Persönlichkeitsentwicklung
durchgemacht haben könnte und nunmehr willens wäre, sich von seiner
kriminellen Vergangenheit zu verabschieden und sich in seiner Heimat eine
legale Existenz aufzubauen. Es fehlten entsprechende Aussagen, Pläne oder
glaubwürdige Anzeichen (angefochtenes Urteil S. 13). Die voraussichtlichen
Lebensverhältnisse, die prognostisch wichtig wären (Stratenwerth, a.a.O., § 4
N. 60), sind damit zu unsicher, als dass sie zu einer günstigen Prognose
führen könnten.

2.6 Zusammenfassend ist eine Verletzung von Art. 86 Abs. 1 StGB zu verneinen.
Aufgrund der konstanten Delinquenz und Uneinsichtigkeit ist die Ausnahme von
der Zweidrittelsregel dieser Bestimmung begründet. Dass es sich nicht um
Straftaten gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität handelt
(Beschwerde S. 7), vermag an diesem Ergebnis nichts mehr zu ändern.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
abzuweisen, weil das Rechtsbegehren aussichtslos erschien (Art. 64 Abs. 1 und
2 BGG). Seiner finanziellen Lage kann mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr
Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Januar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Briw