Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.737/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_737/2007/bri

Urteil vom 14. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Heinz Ottiger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung, verminderte Schuldfähigkeit, bedingter Strafvollzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 11. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte am 2. Dezember 2005
X.________ wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Veruntreuung usw. zu 2
Jahren und 6 Monaten Zuchthaus.

B.
Auf Appellation des Verurteilten bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern
am 11. Juli 2007 den erstinstanzlichen Schuldspruch im Wesentlichen und fällte
eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren aus.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, Ziff. 2 und 3.7 des
vorinstanzlichen Urteils seien aufzuheben, und er sei mit 16 Monaten
Freiheitsstrafe zu bestrafen, wobei der Vollzug aufzuschieben sei. Zudem sei
die gegen ihn verfügte Schriftensperre aufzuheben und der sichergestellte
Schweizer Reisepass sei ihm auszuhändigen. Eventuell sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ stellt im Übrigen
den Antrag, es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Erwägungen:

1.
Im Zusammenhang mit der Strafzumessung macht der Beschwerdeführer zunächst
geltend, die Vorinstanz habe sein Geständnis nicht berücksichtigt und deswegen
das Strafmass nicht reduziert.

1.1 Im vorinstanzlichen Urteil wird festgehalten, der Beschwerdeführer habe
nichts zur Vereinfachung oder Verkürzung des Verfahrens sowie zur
Wahrheitsfindung beigetragen. In Anlehnung an sein Schlusswort könne nicht
unbedingt von einer Einsicht in das Unrecht seiner Straftaten und von einer
Geständnisbereitschaft gesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe sich
vielmehr dahingehend geäussert, dass er genug habe, nicht mehr möge und seinen
Frieden haben wolle. Die Zugaben im Plädoyer der Verteidigung seien wohl eher
in Anbetracht der erdrückenden Beweislage erfolgt. Mit seinen Äusserungen bei
der Befragung habe der Beschwerdeführer gezeigt, dass er die effektive Sachlage
nach wie vor verkenne und die Schuld auf Dritte wie Vermittler, Drittfirmen,
Strafverfolgungsbehörden abzuschieben versuche. Sein Teilgeständnis stelle
weder ein kooperatives Verhalten dar noch erscheine es als Ausdruck besonderer
Einsicht oder gar Reue. Es komme ihm daher nicht jene Qualität zu, die nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Strafminderung rechtfertigen würde. Aus
diesen Gründen sei eine Strafmassreduktion infolge des vor Obergericht
teilweise abgelegten Geständnisses klar fehl am Platz.

1.2 Ein Geständnis kann bei der Analyse des Nachtatverhaltens zugunsten des
Täters einbezogen werden, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht oder
auf Reue schliessen lässt (vgl. BGE 121 IV 202 E. 2d/cc S. 205). Diese Praxis
fusst auf der Überlegung, dass Geständnisse zur Vereinfachung und Verkürzung
des Verfahrens und zur Wahrheitsfindung beitragen können. Ein Verzicht auf
Strafminderung kann sich demgegenüber aufdrängen, wenn das Geständnis die
Strafverfolgung nicht erleichtert hat, namentlich weil der Täter nur auf Grund
einer erdrückenden Beweislage oder gar erst nach Ausfällung des
erstinstanzlichen Urteils geständig geworden ist (Urteil 6S.531/2006 vom 24.
Januar 2007, E. 3.6.3 mit Hinweisen).

1.3 Im Lichte dieser Rechtsprechung durfte die Vorinstanz auf eine
Strafminderung wegen des erst im zweitinstanzlichen Verfahren abgelegten
Geständnisses verzichten. Dies war um so berechtigter, als der Beschwerdeführer
die fraglichen Straftaten selbst vor der Vorinstanz nicht in einer Weise
anerkannte, die auf echte Einsicht und Reue schliessen lässt. Dass seine
entsprechenden Äusserungen die Vorinstanz nicht überzeugten, kann
offensichtlich nicht einfach mit fehlender Eloquenz oder Intelligenz erklärt
werden, wie das der Beschwerdeführer darzutun versucht. Jedenfalls durfte die
Vorinstanz davon ausgehen, es fehle an der für eine Strafreduktion
erforderlichen Qualität seines Geständnisses, ohne dabei ihr weites Ermessen zu
überscheiten. Die Rüge ist unbegründet.

2.
Der Beschwerdeführer bemängelt die Qualität des psychiatrischen Gutachtens, auf
Grund dessen die Vorinstanz zu einer bloss leicht verminderten Schuldfähigkeit
gelangt sei. Das Gutachten sei sowohl formal als auch in seinen
Schlussfolgerungen mangelhaft. Die vorinstanzliche Feststellung, er habe durch
fehlende Kooperation die ungenügende Begutachtung selbst zu verantworten, sei
einzig durch die Bemerkungen des Gutachters gestützt, werde aber durch seine
Aussagen und seinem Beweisantrag auf genaue Abklärung seiner
Persönlichkeitsstörung widerlegt. Sie sei deshalb willkürlich.

2.1 Die Vorinstanz erachtete das psychiatrische Gutachten von Dr. med.
A.________ als schlüssig und nachvollziehbar. Das Gericht dürfe in Fachfragen
nicht ohne triftige Gründe von Gutachten abweichen. Umstände, welche die
Glaubhaftigkeit des Inhalts des Gutachtens ernsthaft erschüttern könnten, seien
nicht ersichtlich und würden vom Beschwerdeführer auch nicht im von der
Rechtsprechung verlangten Ausmasse dargetan.

2.2 Der psychiatrische Experte hält in seinem Gutachten vom 12. Juni 2003 fest,
der Beschwerdeführer sei zur Zeit nicht bereit, sich einer eigentlichen
Begutachtung zu unterziehen, und er sei nur nach einer eindringlichen
Aufforderung durch den Untersuchungsrichter zu einem kurzen Gespräch
erschienen. Die Ausführungen im Gutachten würden somit eher einem
Aktengutachten entsprechen. Im erstinstanzlichen Urteil, auf welches die
Vorinstanz verweist, wird erwähnt, es habe eine persönliche Exploration durch
den Sachverständigen stattgefunden, auch wenn diese nur ca. 45 Minuten gedauert
habe. Der konkrete Aufwand für die Exploration bestimme sich u.a. auch nach dem
Gesprächsverhalten des Beschwerdeführers. Diesem fehle immer wieder die
Bereitschaft, sich einer eigentlichen Begutachtung zu unterziehen. Beim
Gutachter handle es sich um eine erfahrene Fachperson, die sich trotz des
renitenten Verhaltens des Beschwerdeführers in der Lage sah, dessen
Zurechnungsfähigkeit einzuschätzen. Angesichts des persönlichen Eindrucks, den
man vom Beschwerdeführer vor Kriminalgericht habe gewinnen können, sowie seiner
aktuellen Lebensumstände würden ernsthafte Anzeichen fehlen, die den bisherigen
Erkenntnisstand über die Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt zu verändern
vermöchten. Eine Notwendigkeit für weitere Abklärungen in Bezug auf die
Zurechnungsfähigkeit würde demzufolge nicht bestehen (Urteil Kriminalgericht S.
72/73).

2.3 Was der Beschwerdeführer gegen diese Erwägungen vorbringt, überzeugt nicht.
Soweit er die Feststellung der Vorinstanz bestreitet, er sei nicht bereit
gewesen, an der Begutachtung mitzuwirken, bringt er eine unzulässige
appellatorische Kritik an (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Auf die Rüge ist nicht
einzutreten. Wenn sich die Vorinstanz wegen des unkooperativen Verhaltens auf
ein bloss summarisches Gutachten abstützt, ist dies nicht zu beanstanden.
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist das Gutachten ausreichend.
Der Experte sah sich durchaus in der Lage, die ihm gestellten Fragen auch unter
den besonderen Bedingungen zu beantworten. Er legt nachvollziehbar dar, weshalb
dem Beschwerdeführer eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zuzubilligen ist und
aus welchem Grund diese Verminderung nur leichtgradig ausfällt. Es kann deshalb
nicht gesagt werden, die Vorinstanz habe auf ein nicht schlüssiges Gutachten
abgestellt und damit Art. 9 BV verletzt. Schliesslich ist auch die Feststellung
im vor- bzw. erstinstanzlichen Urteil nicht zu beanstanden, es hätten keine
Zweifel hinsichtlich einer weiteren Einschränkung der Schuldfähigkeit
bestanden. Somit verletzte die Vorinstanz auch Art. 20 StGB nicht. Die
entsprechenden Rügen sind abzuweisen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht den teilbedingten
Strafvollzug abgelehnt. Er habe letztlich seine Schuld eingestanden und sich
keinerlei Straftaten mehr zuschulden kommen lassen. Dass er während der
Untersuchung teilweise die Aussage verweigerte und teilweise schwer
nachvollziehbare Erklärungsversuche lieferte, liege in seiner psychischen
Krankheit. Heute habe er sich von seiner früheren Geschäftstätigkeit klar
distanziert. Er arbeite im Geschäft seines Vaters, das mit Umbau und
Umzugsarbeiten befasst sei. Das revidierte Gesetz verlange eine begründete
Befürchtung, dass sich der Verurteilte nicht bewähren werde. Dies bedeute, dass
der bedingte Vollzug die Regel sein müsse.

3.1 Grundvoraussetzung für die teilbedingte Strafe im Sinne von Art. 43 StGB
ist, dass eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Zwar fehlt ein
entsprechender Verweis auf Art. 42 StGB, doch ergibt sich dies aus Sinn und
Zweck von Art. 43 StGB. Wenn und soweit die Legalprognose des Täters nicht
schlecht ausfällt, verlangt die Bestimmung, dass zumindest ein Teil der Strafe
auf Bewährung ausgesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass bei einer Schlechtprognose
auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe nicht gerechtfertigt ist. Denn wo
keinerlei Aussicht besteht, der Täter werde sich in irgendeiner Weise durch den
- ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub beeinflussen lassen, muss die
Strafe in voller Länge vollzogen werden. Die Auffassung, dass die subjektiven
Voraussetzungen von Art. 42 StGB auch für die Anwendung von Art. 43 StGB gelten
müssen, entspricht ganz überwiegender Lehrmeinung (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 S. 10
mit Hinweisen).

3.2 Die Vorinstanz geht in ihrem Urteil von einer ungünstigen Prognose aus.
Einerseits sei der Beschwerdeführer gemäss psychiatrischem Gutachten
massnahmebedürftig, aber nicht therapiewillig. Der Gutachter spreche von einer
hohen Rückfallsgefahr bezüglich Begehung von Wirtschaftsdelikten durch den
Beschwerdeführer. Anderseits sei der Beschwerdeführer einschlägig vorbestraft.
Selbst der Vollzug einer widerrufenen Gefängnisstrafe habe ihn nicht davon
abgehalten, ein strafrechtlich unauffälliges Leben zu führen. Er befinde sich
in einem unzureichend gefestigten Lebensumfeld. Bei einem Nettoeinkommen
zwischen Fr. 1'500.-- und Fr. 2'000.-- im Monate könne nicht gesagt werden, er
lebe in günstigen finanziellen Verhältnissen. Es fehle auch an Vermögen. Zudem
habe er beträchtliche Schulden. Er werde wegen seiner schlechten Bonität bei
den Banken kaum in der Lage sein, einen eigenen Betrieb zu eröffnen. Diese
Umstände würden Indizien dafür darstellen, dass er erneut versucht sein könnte,
das von ihm benötigte Geld durch illegale Tätigkeiten, insbesondere im
Wirtschaftsbereich, zu beschaffen. Ferner basiere der Betrieb seines Vaters, in
welchem der Beschwerdeführer erwerbstätig sei, auf ungenügend soliden
Aussichten. Der Beschwerdeführer sei zudem uneinsichtig. Auch eine
Bewährungshilfe und/oder die Erteilung von Weisungen würden kaum Anlass zur
ernsthaften Hoffnung auf Bewährung geben, da von aussen herangetragene,
unterstützende Massnahmen beim nicht einsichtigen Beschwerdeführer kaum
wirkungsvoll umgesetzt werden könnten. Der teilbedingte Vollzug der
Freiheitsstrafe von zwei Jahren (als Zusatzstrafe) sei daher abzulehnen.

3.3 Mit diesen Erwägungen, mit denen sich der Beschwerdeführer nur
unvollständig auseinandersetzt, verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht.
Aufgrund des ihr zustehenden weiten Ermessens durfte sie wegen der erwähnten
Umstände auf eine Schlechtprognose schliessen. Soweit der Beschwerdeführer
erneut die Feststellungen im psychiatrischen Gutachten in Frage stellt, ist er
nicht zu hören. Der Experte legt nachvollziehbar dar, weshalb eine
Wiederholungsgefahr angenommen werden muss. Die Vorinstanz durfte diese
Folgerung übernehmen und ihrem Entscheid zugrunde legen, ohne in Willkür zu
verfallen. Die Beschwerde ist deshalb auch im Zusammenhang mit der Verweigerung
des teilbedingten Vollzugs abzuweisen.

4.
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, selbst bei Abweisung seiner
Beschwerde sei die Auslieferung seines Reisepasses an die Vollzugsbehörde
unverhältnismässig und verletze seine Persönlichkeitsrechte. Die Anordnung sei
schikanös und deshalb willkürlich.
Entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers hatte das Kriminalgericht als
erste Instanz im Urteilsdispositiv unter Ziffer 3 lit. g die Schriftensperre
aufgehoben. Dabei wurde angeordnet, den sichergestellten Schweizer Reisepass
zwecks Sicherung des Vollzugs der Vollzugsbehörde auszuhändigen. Der
Beschwerdeführer focht diese Anordnung im vorinstanzlichem Verfahren nicht an
(Urteil Vorinstanz Ziff. 6 S. 55), weshalb sie ohne Begründung ins
Urteilsdispositiv übernommen wurde (als Ziffer 3.7). Das heutige Rechtsbegehren
des Beschwerdeführers ist deshalb neu und damit unzulässig (Art. 99 Abs. 2
BGG), weshalb darauf nicht einzutreten ist.

5.
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung kann infolge Aussichtslosigkeit der Begehren nicht stattgegeben
werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei
der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz