Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.736/2007
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6B_736/2007

Urteil vom 6. Februar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Thommen.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Adrian Blättler,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 i.V.m.
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 22. August 2007.
Sachverhalt:

A.
X. ________ wird vorgeworfen, zusammen mit Y.________ und Z.________ in den
Heroinhandel verstrickt gewesen zu sein sowie Heroin konsumiert zu haben.

B.
Am 16. Mai 2006 befand das Bezirksgericht Zürich X.________ bezüglich der
sichergestellten Menge von 630 Gramm Heroin schuldig der Verbrechen im Sinne
von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 - 6 i.V.m. Art. 19 Ziff. 2 lit. a des
Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) sowie des mehrfachen Betäubungsmittelkonsums
(Art. 19a Ziff. 1 BetmG). Von den übrigen Vorwürfen der Verbrechen gegen das
Betäubungsmittelgesetz wurde er freigesprochen. Er wurde bestraft mit 18
Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Vollzugs.

C.
Mit Berufungsurteil vom 22. August 2007 bestätigte das Obergericht des
Kantons Zürich die Verurteilung wegen Betäubungsmittelkonsums sowie den
erstinstanzlich erfolgten Freispruch. Es befand X.________ der Widerhandlung
gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
für schuldig. Hinsichtlich des Vorwurfs, in der Zeit vom Juli 2005 bis 1.
September 2005 eine 50 Gramm übersteigende Menge Heroin verkauft zu haben,
wurde er freigesprochen. Es bestrafte ihn mit 16 Monaten bedingter
Freiheitsstrafe.

D.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen, mit der er die Aufhebung der
Ziffern 1, 3, 5 und 7-9 des angefochtenen Urteils sowie die Rückweisung der
Sache zur Neubeurteilung verlangt. Überdies ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

E.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes und des
rechtlichen Gehörs.

1.1 Entgegen seinen Einwänden sei die Vorinstanz auf folgenden Abschnitt aus
der Anklageschrift nicht eingegangen: "Aus dem Bunker behändigte Y.________ 7
Knittersäcke mit Heroingemisch von insgesamt 348,3 gr., welches er bei der
Verhaftung auf sich trug". In diesem Abschnitt werde kein strafrechtlich
relevanter Vorwurf gegen ihn erhoben. Gleichwohl nehme die Vorinstanz
Mitbesitz in Bezug auf die genannte Menge an. Damit gehe die Vorinstanz über
den Prozessgegenstand hinaus und verletze das Immutabilitätsprinzip.

1.2 Der Anklagegrundsatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und
den Gerichten andererseits. Der Anklageschrift kommt eine doppelte Bedeutung
zu. Zum einen dient sie der Bestimmung des Prozessgegenstandes
(Umgrenzungsfunktion). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens können nur
Sachverhalte sein, die dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfen
werden. An diese Anklage ist das Gericht gebunden (Immutabilitätsprinzip;
Niklaus Schmid, Strafprozessordnung, 4. Auflage, N 145 ff.). Zum anderen
vermittelt sie dem Angeklagten die für die Durchführung des Verfahrens und
die Verteidigung notwendigen Informationen (Informationsfunktion). Beide
Funktionen sind von gleichwertiger Bedeutung (BGE 126 I 19 E. 2a; 120 IV 348
E. 2c).

1.3 Die Vorinstanz hat weder das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers
verletzt, noch hat sie den Anklagegegenstand verändert oder erweitert. Es
geht nicht an, einzelne den Beschwerdeführer nicht namentlich erwähnende
Sätze aus der Anklageschrift herauszulösen und diesbezüglich das Fehlen
strafrechtlich relevanter Anklagevorwürfe zu rügen. Aus dem vorangehenden
Anklageabschnitt geht eindeutig hervor, dass dem Beschwerdeführer ein
gemeinsames Vorgehen mit Y.________ vorgeworfen wird: "Y.________ ging
daraufhin zu den Bunkern, um dort Heroin zu holen und davon gemeinsam mit
X.________ die von Z.________ gewünschte Menge von mindestens 50 gr.
Heroingemisch abzuwägen, weiter zu strecken und zu portionieren". Im Rahmen
dieses Anklagevorwurfs kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass es die Aufgabe
von Y.________ war, dass Heroingemisch aus dem Versteck zu holen, während der
Beschwerdeführer in der Wohnung wartete und die für das geplante gemeinsame
Strecken, Abwägen und Verpacken notwendigen Utensilien bereithielt. Vor
diesem Hintergrund könne der Mitbesitz des Beschwerdeführers am
beschlagnahmten Heroin als erstellt gelten (angefochtenes Urteil S. 23). Die
Beanstandungen erweisen sich als unbegründet.

2.
Der Beschwerdeführer rügt Willkür in der Beweiswürdigung und eine Verletzung
der Unschuldsvermutung.

2.1 Aus dem Umstand, dass auf verschiedenen Gegenständen in der Wohnung
DNA-Spuren von ihm gefunden worden seien, könne nicht auf eine über seinen
zugestandenen Konsum hinausgehende Beteiligung am Drogenhandel geschlossen
werden. Im Zweifel sei daher nur von seinem Konsum auszugehen.

2.2 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor,
wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem
offenkundigen Fehler beruhen (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a).

Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als
Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem
für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so
verwirklicht hat (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a).

2.3 Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Fest steht,
dass auf den im Waldversteck und bei Y.________ sichergestellten
Knittersäcken mit Betäubungsmitteln DNA-Spuren des Beschwerdeführers gefunden
wurden. Ebenso wurden auf den Bedienungstasten der in der Wohnung gefundenen
Elektrowaage DNA-Spuren des Beschwerdeführers nachgewiesen. Dass diese Spuren
nur von einem Konsum am Vortag der Verhaftung herrühren sollen, hält die
Vorinstanz zu Recht für unglaubwürdig. So ist nicht plausibel, weshalb für
den Konsum einer "Kleinmenge" mehrere Beutel geöffnet wurden. Ferner konnte
für die Spuren auf der Waage keine Erklärung vorgebracht werden. Soweit der
Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Verletzung der
Unschuldsvermutung geltend macht, verkennt er, dass rein theoretische Zweifel
an der Sachverhaltsinterpretation sich nach ständiger Rechtsprechung nicht zu
seinen Gunsten auswirken (BGE 124 IV 86 E. 2a).

3.
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, welchem infolge
Aussichtslosigkeit der Begehren nicht stattgegeben werden kann (Art. 64 Abs.
1 und 2 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Thommen