Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.6/2007
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6B_6/2007 /hum

Urteil vom 30. Mai 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Borner.

B. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Annagreth
Fässler-Zehnder,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, 6430 Schwyz.

Entschädigungsbemessung für amtliche Opfervertretung,

Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons
Schwyz vom

7. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Das kantonale Strafgericht Schwyz sprach M.________ am 15. Dezember 2006 vom
Vorwurf der versuchten Vergewaltigung bzw. der sexuellen Nötigung zum
Nachteil von B.________ frei. Deren amtliche Pflichtverteidigerin, die einen
Arbeitsaufwand von 40 Stunden und Auslagen von Fr. 514.-- geltend gemacht
hatte, wurde pauschal mit Fr. 2'500.-- entschädigt.
Gegen diese Entschädigungsbemessung für amtliche Opfervertretung erhob
B.________ Beschwerde. Der Präsident des Kantonsgerichts Schwyz trat am 7.
Februar 2007 auf die Beschwerde nicht ein.

B.
B.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Der
angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1
BGG ist hier deshalb das Bundesgerichtsgesetz anwendbar.

2.
Dem Verfahren liegt ein Strafurteil (Anwendung des Strafgesetzbuches)
zugrunde. Es handelt sich folglich um eine Strafsache im Sinne von Art. 78
Abs. 1 BGG.

Der Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichtspräsidenten ist im Kanton
letztinstanzlich, womit auch die Eintretensvoraussetzung des Art. 80 Abs. 1
BGG erfüllt ist.

3.
Näher zu prüfen ist die Legitimation der Beschwerdeführerin. Mit der
Beschwerde in Strafsachen kann lediglich die Verletzung in rechtlich
geschützten Interessen gerügt werden (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Diese
Formulierung stammt aus der Rechtsprechung zu Art. 88 OG, welche nun auch bei
der Beschwerde in Strafsachen als Leitschnur dienen kann.

3.1 Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung war der amtliche
Verteidiger legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen,
sein Honorar sei willkürlich zu niedrig oder unter Verletzung von
Verfahrensgarantien festgesetzt worden (BGE 131 I 217, nicht veröffentlichte
E. 1; 109 Ia 107 nicht veröffentlichte E. 1b). Seit das BGG in Kraft ist,
kann er dieselben Rügen im Rahmen der Beschwerde in Strafsachen vorbringen
(Art. 95 lit. a BGG).

Im vorliegenden Fall hat jedoch die amtliche Verteidigerin nicht in eigenem
Namen, sondern ausschliesslich im Namen ihrer Mandantin Beschwerde erhoben.

3.2 Mandanten haben in aller Regel kein eigenes rechtliches Interesse an der
Anfechtung des Honorarbetrags, weil amtliche Verteidiger sich von der
verbeiständeten Partei auch nicht bezahlen lassen dürfen, wenn ihnen die
öffentlichrechtliche Entschädigung ungenügend erscheint (vgl. BGE 122 I 322
E. 3b S. 325 f.; 108 Ia 11 E. 1 S. 12 f.). Demzufolge trat das Bundesgericht
regelmässig auf staatsrechtliche Beschwerden von Mandanten gegen
Honorarfestsetzungen für ihre amtlichen Verteidiger nicht ein (vgl.
Entscheide des Bundesgerichts 1P.463/1992 vom 25. Februar 1994 E. 1b/aa;
1P.444/1990 vom 2. November 1990 E. 1b; 1P.705/1989 vom 26. März 1990 E. 2;
zur Nichtigkeitsbeschwerde: 6S.15/2005 vom 12. Mai 2005).

3.3 Immerhin hat das Bundesgericht in zwei unveröffentlichten Entscheiden
festgehalten, dass eine krass ungenügende Entschädigung für den amtlichen
Verteidiger mittelbar den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bzw. auf
eine effektive Verteidigung verletzen könne (Entscheide P.390/1984 vom 13.
September 1984 E. 4 und 1P.705/1989 vom 26. März 1990 E. 2; vgl. auch Robert
Levi, Schwerpunkte der strafprozessualen Rechtsprechung des Bundesgerichts
und der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: ZStrR 102/1985
S. 357).

Das Bundesgericht liess in diesen Entscheiden offen, ob diese Rüge auch von
der verbeiständeten Partei erhoben werden könne; Voraussetzung sei
jedenfalls, dass diese geltend mache, nicht hinreichend verteidigt worden zu
sein (1P.705/1989 vom  26. März 1990 E. 2).
Da die Beschwerdeführerin nichts Derartiges vorbringt, ist die Variante einer
mittelbaren Verletzung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege nicht
weiter zu prüfen.

3.4 Die Zivilprozessordnung des Kantons Schwyz vom 25. Oktober 1974 bestimmt
in § 81:
"Vermag eine Partei, der die unentgeltliche Prozessführung oder Vertretung
bewilligt wurde, die Kosten und die Entschädigung zu decken, so ist sie zur
Rückzahlung an die Gerichtskasse verpflichtet.
Die Rückzahlungspflicht erlischt 10 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des
Entscheides".

Nach dieser Bestimmung ist die Beschwerdeführerin während 10 Jahren dem
Kanton Schwyz zum Ersatz der Kosten der amtlichen Verteidigung verpflichtet,
wenn sie nicht oder nicht mehr bedürftig ist. Eine Gutheissung der Beschwerde
könnte allenfalls dazu führen, dass sich die Ersatzpflicht der
Beschwerdeführerin gegenüber dem Kanton Schwyz erhöhen würde. Das ist nicht
in ihrem Interesse. Deshalb ist sie auch nicht zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert.

4.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da
ihre Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch
abzuweisen (Art. 64 BGG). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch
ihren finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Strafsachen wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Schwyz und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Mai 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: