Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.680/2007
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


6B_680/2007 /hum

Urteil vom 24. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Mehrfache Übertretung des Verkehrsabgabegesetzes,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 3. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich sprach X.________ am 19. Oktober
2006 vom Vorwurf der wiederholten einfachen Verletzung von Verkehrsregeln
frei und verurteilte ihn wegen mehrfacher Widerhandlung gegen § 15 i.V.m. §
18 des Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des
Strassenverkehrsrechts des Bundes vom 11. September 1966
(Verkehrsabgabengesetz) zu einer Busse von 500 Franken und auferlegte ihm die
Verfahrenskosten. Er erwog, es stehe nicht zweifelsfrei fest, dass X.________
die ihm vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen begangen habe. Hingegen sei
er als Halter des fraglichen Fahrzeugs nach § 15 des Verkehrsabgabengesetzes
verpflichtet, der Polizei den Lenker bekanntzugeben. Da er dies verweigere,
sei er wegen dieser Pflichtverletzung nach § 18 des Verkehrsabgabengesetzes
zu büssen.

Auf Berufung X.________s hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich
das erstinstanzliche Urteil am 3. September 2007.

B.
Mit "national wirksamer Beschwerde" beantragt X.________, ihn freizusprechen
und "Rechtsverzögerung, Rechtsverletzung und die Verletzung von
self-executing Verfahrensgarantien" festzustellen. Ausserdem ersucht er um
unentgeltliche Prozessführung und Vertretung.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die "national wirksame Beschwerde" ist der Sache nach eine Beschwerde in
Strafsachen und dementsprechend als solche zu behandeln.

2.
2.1§ 15 Abs. 1 des Verkehrsabgabengesetzes lautet: "Der Halter eines
Motorfahrzeuges oder Fahrrades ist verpflichtet, der Polizei Auskunft zu
geben, wer das Fahrzeug geführt oder wem er es überlassen hat. Vorbehalten
bleibt das Recht, der Polizei in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen der
Strafprozessordnung über das Zeugnisverweigerungsrecht die Auskunft zu
verweigern." Nach § 18 des Verkehrsabgabengesetzes werden Zuwiderhandlungen
gegen seine Bestimmungen mit Busse oder in leichten Fällen mit einem Verweis
bestraft.

2.2 Der Betrieb eines Motorfahrzeuges ist mit einem erheblichen
Gefährdungspotenzial verbunden. Es ist daher weder zu beanstanden, dass der
kantonale Gesetzgeber den Autohalter zur Rechenschaft verpflichtet, wer das
unter seiner Verantwortung stehende Fahrzeug wann lenkt, noch dass er die
Missachtung dieser Verpflichtung mit Verweis oder Busse bedroht. Straflos
bleibt dies gemäss ausdrücklichem Vorbehalt allerdings, wenn er die Auskunft
gestützt auf das in den §§ 128 ff. der Strafprozessordnung des Kantons Zürich
vom 4. Mai 1919 (StPO) statuierte Zeugnisverweigerungsrecht verweigern darf.
Das Gleiche muss für den Angeschuldigten gelten, der sein
Aussageverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 1 StPO wahrnimmt, da schon von
Verfassungs wegen niemand gehalten ist, sich in einem Strafverfahren selber
zu belasten.

2.3 Das Zeugnisverweigerungsrecht spielt in diesem Fall von vornherein keine
Rolle, da der Beschwerdeführer nie als Zeuge befragt wurde.

In Bezug auf das Aussageverweigerungsrecht ist festzustellen, dass der
Beschwerdeführer vom Einzelrichter in Bezug auf die ihm vorgeworfenen
Verkehrsregelverletzungen freigesprochen wurde; in diesem Punkt wurde das
Urteil nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig, wie dies
das Obergericht im angefochtenen Entscheid in Ziff. 1 seines Beschlusses (S.
8) deklaratorisch festhält. Spätestens am 15. Februar 2007, als der Antrag
der Staatsanwaltschaft auf Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils beim
Bezirksgericht einging, stand somit fest, dass der Freispruch unangefochten
bleiben würde und der Beschwerdeführer in Bezug auf die
Verkehrsregelverletzungen nicht mehr "angeschuldigt" war. Er hätte im
Berufungsverfahren in der Folge noch genügend Gelegenheit gehabt, seiner
Auskunftspflicht nach § 15 Verkehrsabgabengesetz nachzukommen und die Namen
der (möglicherweise) fehlbaren Lenker zu nennen, ohne Gefahr zu laufen, sich
dadurch einer strafrechtliche Verurteilung wegen Verletzung von
Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG auszusetzen. Daran ändert
nichts, dass er im Berufungsverfahren dazu nicht mehr ausdrücklich befragt
wurde. Die Pflicht, Auskunft über den Fahrzeugführer zu erteilen, dauerte an
und war dem Beschwerdeführer auch bekannt. Damit ergibt sich, dass er seine
Auskunftspflicht im Sinne von § 15 Verkehrsabgabengesetz auch nicht erfüllte,
als er dies frei vom Druck eines gegen ihn wegen Verkehrsregelverletzungen
hängigen Strafverfahrens hätte tun können. Andere beachtliche Gründe, die ihn
allenfalls zur Fortsetzung seines Schweigens hätten berechtigen können,
werden nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Damit ist seine
Verurteilung wegen Verletzung von § 15 Verkehrsabgabengesetz im Ergebnis
nicht zu beanstanden, die Beschwerde ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen, da seine
Bedürftigkeit nach der Bescheinigung der Sozialen Dienste der Stadt Zürich
vom 18. September 2007 ausgewiesen scheint und die Beschwerde nicht
aussichtslos war (Art. 64 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung
ist indessen gegenstandslos, da er ohne Mitwirkung eines Anwaltes selber
Beschwerde führte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird gutgeheissen.

2.2 Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Januar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi