Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.646/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_646/2007 /hum

Urteil vom 24. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Favre, Mathys,
Gerichtsschreiber Thommen.

Parteien
F.A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Werner E. Ott,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Einstellungsverfügung (fahrlässige Tötung),

Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Einzelrichteramt für
Zivil- und Strafsachen, vom 29. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Anfangs Februar 2002 wurde bei K.A.________ (geb. 11. März 1949) ein bösartiger
Dickdarmkrebs diagnostiziert. Am 11. März 2002 trat sie für eine Krebstherapie
ins Stadtspital Triemli, Zürich, ein. Im Hinblick auf die operative Entfernung
dieses Rektum-Karzinoms sollte sie im Rahmen einer präoperativen Therapie
während mehrerer Tage bestrahlt und ihr gleichzeitig der Wirkstoff
5-Fluorouracil ("5-FU") des deutschen Herstellers "B.________ Arzneimittel
GmbH" mittels Infusion verabreicht werden. Während der Therapie verschlechterte
sich ihr Zustand. Am 14. März 2002 um 23.00 Uhr wurde die Verabreichung des
Chemotherapeutikums gestoppt. Am 18. März 2002 verstarb K.A.________ an den
Folgen der Therapie.

B.
Am 30. April 2004 erstattete F.A.________, der Ehemann der verstorbenen
K.A.________, bei der Bezirksanwaltschaft Zürich Strafanzeige wegen
fahrlässiger Tötung. Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 reichte Dr. med. Morten
Keller-Sutter vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich ein im
Auftrag der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich erstelltes Aktengutachten
ein. Mit Verfügung vom 12. Juli 2005 stellte die Untersuchungsbehörde das
Strafverfahren mangels gewichtiger Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten
ein.

C.
Auf Rekurs von F.A.________ hob der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich
die Einstellungsverfügung am 3. Oktober 2005 auf und wies die Sache zur
weiteren Untersuchung an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese liess in der
Folge durch den Direktor der Onkologie-Klinik des Universitätsspitals Zürich,
Prof. Dr. med. A. Knuth, ein Obergutachten erstellen. Gestützt auf das am 20.
Februar 2006 erstattete Obergutachten sowie Gutachtensergänzungen wurde das
Strafverfahren mit Verfügung vom 21. August 2006 ein zweites Mal eingestellt.
Den von F.A.________ dagegen erhobenen Rekurs wies der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Zürich mit Verfügung vom 29. August 2007 ab.

D.
F.A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung der
einzelrichterlichen Verfügung vom 29. August 2007 und der Einstellungsverfügung
der Staatsanwaltschaft vom 21. August 2006. Die Strafsache sei an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, und diese zu verpflichten, nach
Vervollständigung der Untersuchung über eine Anklageerhebung wegen fahrlässiger
Tötung zu verfügen. Zudem ersucht F.A.________ um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung.

E.
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich verzichtet auf eine
Vernehmlassung. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich schliesst in
ihrer Vernehmlassung vom 28. Januar 2008 auf Abweisung der Beschwerde. Weitere
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG).
1.1
1.1.1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen
(Art. 78 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen und des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Die
Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese
entscheiden als Rechtsmittelinstanzen (Art. 80 Abs. 2 BGG).
1.1.2 Die Beschwerde richtet sich gegen die kantonal letztinstanzlich
bestätigte Einstellung einer Strafuntersuchung. Es geht somit um eine
Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG. Dass der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Zürich nicht als oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 80
Abs. 2 BGG urteilte, hindert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht. Nach den
"kantonalen Ausführungsbestimmungen" von Art. 130 Abs. 1 BGG erlassen die
Kantone auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer schweizerischen
Strafprozessordnung Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die
Organisation und das Verfahren der Vorinstanzen in Strafsachen im Sinne der
Art. 80 Abs. 2 und Art. 111 Abs. 3 BGG, einschliesslich der Bestimmungen, die
zur Gewährleistung der Rechtsweggarantie nach Art. 29 BV erforderlich sind. Ist
sechs Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes noch keine
schweizerische Strafprozessordnung in Kraft, so legt der Bundesrat die Frist
zum Erlass der Ausführungsbestimmungen nach Anhörung der Kantone fest. Art. 130
Abs. 1 BGG wurde nach Verabschiedung des Bundesgerichtsgesetzes am 17. Juni
2005 aber vor dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2007 abgeändert (vgl.
Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die Bereinigung und Aktualisierung der
Totalrevision der Bundesrechtspflege, AS 2006 4213; Botschaft, BBl 2006 3067).
Anstelle der ursprünglich vorgesehenen 5-jährigen Übergangsfrist müssen die
Kantone ihre Strafgerichtsorganisation nunmehr erst beim Inkrafttreten der
Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 den Vorgaben von Art.
80 Abs. 2 BGG anpassen. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die
gerichtsorganisatorischen Vorschriften von den Kantonen noch nicht umgesetzt
werden (vgl. immerhin § 402 StPO/ZH für nach dem 1. Januar 2007 verfügte
Einstellungen). Auch gegen Einstellungsverfügungen der unteren kantonalen
Instanzen, vorliegend des Bezirksgerichts, steht der Beschwerdeweg deshalb
grundsätzlich noch offen. Soweit der Beschwerdeführer indes die Aufhebung der
staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung vom 21. August 2006 verlangt,
wendet er sich nicht gegen den letztinstanzlichen Entscheid. Darauf ist nicht
einzugehen.
1.2
1.2.1 Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Erhebung einer Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat
(lit. b). Die beiden Voraussetzungen von lit. a und b müssen kumulativ erfüllt
sein. Das bedeutet einerseits, dass auch die in Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
beispielhaft aufgeführten Personen, die in der Regel beschwerdebefugt sind, im
Einzelfall ein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen haben. Anderseits sind auch
dort nicht aufgeführte Personen beschwerdebefugt, sofern sie ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids haben (BGE
133 IV 121 E. 1.1).
1.2.2 Zu den grundsätzlich beschwerdelegitimierten Personen gehört insbesondere
auch das Opfer, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner
Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Opfer ist
jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder
psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Art. 2 Abs. 1
OHG). Die Ehegatten von Opfern sind Opfern bei der Geltendmachung von
Verfahrensrechten gleichgestellt, soweit ihnen Zivilansprüche gegenüber dem
Täter zustehen (Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG).
1.2.3 Der Beschwerdeführer ist als Witwer des Opfers zur Beschwerde
legitimiert. Er hat die Einstellungsverfügung vor den kantonalen Gerichten
angefochten und ist in rechtlich geschützten Persönlichkeitsinteressen
betroffen. Als naher Angehöriger der Verstorbenen ist er durch den Entscheid
zweifellos in seinen zivilen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüchen betroffen
(Art. 45 und 47 OR). Auf seine Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
2.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht sowie behauptete Mängel in der Sachverhaltsfeststellung
nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
substantiiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E. 1).

2.2 Im ersten Teil der Beschwerdeschrift schildert der Beschwerdeführer unter
dem Titel 'III. Feststellung des Sachverhalts' lediglich seine Sicht der
Geschehnisse (Beschwerde S. 4-9), ohne Willkür in der vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen. Auf diese rein appellatorischen
Vorbringen ist nicht einzugehen. Dasselbe gilt für die pauschalen
Willkürvorwürfe im zweiten Teil der Beschwerdeschrift (vgl. Ziff. 11.10 zur
Meldung des Todesfalls und Ziff. 13 zum Beweiswert von Parteibehauptungen).
Auch die Bestreitung der Zulassung des verwendeteten Krebsmedikaments erweist
sich als rein appellatorisch (vgl. angefochtene Verfügung vom 29. August 2007,
S. 16).

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die vorinstanzliche Bestätigung der
Verfahrenseinstellung in Verletzung von Art. 117 StGB sowie der
bundesrechtlichen Vorschriften über die klinischen Heilmittelversuche von Art.
53 ff. HMG ergangen sei (Beschwerde S. 13 Ziff. 13).

3.1 Nach Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht.
Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens
aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht
nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht
nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen
Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Ein Schuldspruch wegen
fahrlässiger Tötung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch
Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Wo besondere Normen ein
bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden
Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 127 IV 34 E. 2a m.w.H.).

3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts richten sich die
Sorgfaltspflichten des Arztes im Allgemeinen nach den Umständen des
Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den
damit verbundenen Risiken, dem Beurteilungs- und Bewertungsspielraum, der dem
Arzt zusteht, sowie den Mitteln und der Dringlichkeit der medizinischen
Massnahme. Der Arzt hat indes nicht für jene Gefahren und Risiken einzustehen,
die immanent mit jeder ärztlichen Handlung und auch mit der Krankheit an sich
verbunden sind. Zudem steht dem Arzt sowohl in der Diagnose als auch in der
Bestimmung therapeutischer oder anderer Massnahmen oftmals ein gewisser
Entscheidungsspielraum zu. Er handelt unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen
nicht nach den durch die medizinische Wissenschaft aufgestellten und generell
anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht
entspricht (BGE 130 IV 7 E. 3.3 m.w.H.).

3.3 Jeder klinische Versuch mit Heilmitteln am Menschen muss nach den
anerkannten Regeln der Guten Praxis der klinischen Versuche durchgeführt werden
(Art. 53 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und
Medizinprodukte; Heilmittelgesetz; HMG; SR 812.21). Der Bundesrat umschreibt
die anerkannten Regeln der Guten Praxis der klinischen Versuche näher (Art. 53
Abs. 2 HMG; vgl. dazu Verordnung über klinische Versuche mit Heilmitteln vom
17. Oktober 2001; VKlin; SR 812.214.2; AS 2001 S. 3511 ff.). Nach Art. 54 Abs.
1 HMG ist die Durchführung klinischer Versuche nur zulässig, wenn die
Versuchspersonen über den Versuchszweck und Ablauf, die
Behandlungsalternativen, die Versuchsrisiken, ihren Entschädigungsanspruch und
ihr Widerrufsrecht aufgeklärt worden sind und aus freiem Willen schriftlich
eingewilligt haben (lit. a), die Entschädigung der Versuchspersonen für
versuchsbedingte Schäden gewährleistet ist (lit. b) sowie die zuständige
Ethikkommission den Versuch befürwortet (lit. c). Klinische Versuche sind vor
der Durchführung dem Schweizerischen Heilmittelinstitut zu melden (Art. 54 Abs.
3 HMG). Das Heilmittelgesetz definiert den klinischen Versuch nicht. Nach Art.
5 lit. a VKlin in der Fassung vom 17. Oktober 2001 (AS 2001 S. 3512) galt als
klinischer Versuch eine am Menschen durchgeführte Untersuchung, mit der
Sicherheit und Wirksamkeit sowie weitere Eigenschaften eines Heilmittels
systematisch überprüft werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt
im eidgenössischen Heilmittelrecht grundsätzlich jede systematische Forschung
am Menschen mit Heilmitteln als klinischer Versuch (Bundesgerichtsurteil 2A.522
/2004 vom 18. August 2005, E. 4.3; in: ZBl 107/2006 S. 651; zum Ganzen: D.
Sprumont/M.-L. Béguin, La nouvelle réglementation des essais cliniques de
médicaments, Bulletin des médecins suisses, 2002/83, S.894 ff.).

3.4 Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers sind die Vorschriften des
Heilmittelgesetzes zu den klinischen Heilmittelversuchen nicht einschlägig.
Vorliegend ging es nicht um eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit und
Sicherheit eines Heilmittels im Sinne von Art. 5 lit. a VKlin. Zwar lehnte sich
die Behandlungsmethode (präoperative Infusion) und die Dosierung (1000 mg/m2
5-FU pro 24 Stunden) an eine laufende deutsche Studie an, doch ist
unbestritten, dass K.A.________ daran nicht teilnahm und die Studie auch nicht
beim Schweizerischen Heilmittelinstitut gemeldet war. Es ging vorliegend um den
individuellen Einsatz eines Heilmittels zu Therapiezwecken ausserhalb einer
kontrollierten klinischen Versuchsreihe. Die qualifizierten Aufklärungs- und
Einwilligungsvoraussetzungen für klinische Versuche (vgl. Art. 54 HMG) sind
deshalb nicht anwendbar.

4.
Gemäss dem Beschwerdeführer ergibt sich die Sorgfaltspflichtsverletzung ferner
aus einem Verstoss gegen den Gefahrensatz. Die gewählte Behandlung habe nicht
dem medizinischen Standard entsprochen. In Anlehnung an eine damals laufende
deutsche Studie sei das Medikament in wesentlich höherer Dosierung als im
Kompendium und vom Hersteller vorgeschrieben eingesetzt worden.

4.1 Soweit der Beschwerdeführer die Zulassung des 5-FU von B.________
bestreitet, wendet er sich wie erwähnt (Erw. 2.2) gegen eine nicht willkürliche
Tatsachenfeststellung der Vorinstanz. Unbestritten ist hingegen, dass die
Arznei in einer höheren als im Beipackzettel und im Kompendium vorgesehenen
Dosierung verabreicht wurde (vgl. angefochtene Verfügung vom 29. August 2007,
S. 12). Wird ein Medikament ausserhalb der zugelassenen Indikation oder
Dosierung abgegeben, so liegt ein sog. "off-label use" vor ("Médicament
administré hors étiquette", vgl. BGE 130 V 532 E. 5.3; 131 V 349 E. 2 f.). Das
Heilmittelgesetz verbietet den "off-label use" von Arzneimitteln nicht. Er ist
bei Beachtung der allgemeinen heilmittelgesetzlichen Sorgfaltspflichten somit
grundsätzlich zulässig (vgl. Urs Jaisli, Basler Kommentar Heilmittelgesetz,
Art. 3 N 45; Peter Mosimann/Markus Schott, Basler Kommentar Heilmittelgesetz,
Art. 9 N 21; Frank T. Petermann, Off-Label - Rechtliche Betrachtungen zum
Off-Label Use von Pharmazeutika, in: Health Insurance Liability Law [Hill],
2007, Fachartikel Nr. 2). Art. 3 HMG statuiert für den Umgang mit Heilmitteln
eine allgemeine Sorgfaltspflicht, wonach alle Massnahmen getroffen werden
müssen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind,
damit die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird. Diese allgemeine
Sorgfaltspflicht wird für den Bereich der Arzneimittel in Art. 26 Abs. 1 HMG
konkretisiert: Bei der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln müssen
die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften
beachtet werden (vgl. Botschaft Heilmittelgesetz, BBl 1999 S. 3487; Heidi
Bürgi, Basler Kommentar Heilmittelgesetz, Art. 26 N 7 ff.; zur Bestimmung des
Stands der medizinischen Wissenschaft insb. Brigitte Tag, Der
Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und
lex artis, S. 229 ff.).

In diesem Sinne haben die Schweizerische Kantonsapothekervereinigung und die
Swissmedic in einer Stellungnahme festgehalten, dass es Ärzten im Rahmen ihrer
Therapiefreiheit möglich ist, Arzneimittel zu verschreiben oder anzuwenden, für
die keine Zulassung der Swissmedic vorliegt. Die Verantwortung für einen
solchen Arzneimitteleinsatz tragen alleine die behandelnden Ärzte, wobei sie
die ärztliche Sorgfaltspflicht im Allgemeinen und die anerkannten Regeln der
medizinischen Wissenschaften bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln
nach Art. 26 HMG im Besonderen beachten müssen. Sie müssen demnach insbesondere
eine hinreichende Aufklärung der betroffenen Patienten nachweisen und plausibel
darlegen können, weshalb - gestützt auf die anerkannten Regeln der
medizinischen Wissenschaften - ausnahmsweise ein Arzneimittel ohne behördliche
Zulassung eingesetzt wurde. Diese Verpflichtung ist umso stärker zu gewichten,
je weniger über den Einsatz eines Arzneimittels wissenschaftlich bekannt ist
(vgl. "Ausführungen der Schweizerischen Kantonsapothekervereinigung und der
Swissmedic betreffend des Einsatzes von Arzneimitteln im Sinne des off-label
use" vom 24. Juli 2006, Erw. D Ziff. 2; publiziert: www.swissmedic.ch).

4.2 Nach dem Ausgeführten haben sich Ärzte beim "off-label use" somit an die
anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften zu
halten. Vorliegend ist indes umstritten, ob solche anerkannten Regeln für die
gewählte Behandlung überhaupt schon bestanden, oder ob die hochdosierte 5-FU
Therapie damals mangels wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse noch rein
experimentellen Charakter hatte. Diese Unterscheidung ist insofern bedeutsam,
als medizinisch etablierte Standardeingriffe nach einhelliger Meinung in der
medizinrechtlichen Literatur weit weniger strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen
unterliegen als experimentelle Heilversuche, insbesondere hinsichtlich der
präinvasiven Aufklärungs- und Risikoabwägungspflichten (vgl. Daniel Bussmann,
Die strafrechtliche Beurteilung von ärztlichen Heileingriffen, Zürich 1984, S.
89 ff.; Erwin Deutsch, Medizinrecht, 4. Aufl., N 539 ff.; Monika Gattiker, das
Humanforschungsgesetz [HFG]: ein Gesetzesentwurf mit Lücken, AJP 2006, S. 1536;
Dieter Hart, Heilversuch, Entwicklung therapeutischer Strategien, klinische
Prüfung und Humanexperiment, MedR 1994 S. 94 ff.; Ders., MedR 1998 S. 8 ff.;
Schönke/Schröder-Eser, Kommentar Strafgesetzbuch, 26. Aufl. § 223 N 50a;
Hans-Ullrich Paeffgen, Nomos-Kommentar Strafgesetzbuch, 2. Aufl., § 228 N 87;
Franziska Sprecher, Medizinische Forschung mit Kindern und Jugendlichen, St.
Gallen 2007, S. 46 f.; Taupitz/Brewe/Schelling, in: Das
Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates, S. 412 f.; Marc
Thommen, Medizinische Eingriffe an Urteilsunfähigen, Basel 2004, S. 37 ff.;
Philippe Weissenberger, Die Einwilligung des Verletzten bei Delikten gegen Leib
und Leben, Basel 1996, S. 157 ff.; Hans Wiprächtiger, "Kriminalisierung" der
ärztlichen Tätigkeit?, in: A. Donatsch et. al [Hrsg.], Strafrecht und Medizin,
S. 61 ff.). Nachfolgend ist zu beurteilen, ob die hochdosierte 5-FU Abgabe im
Behandlungszeitpunkt als noch experimenteller oder schon etablierter Eingriff
einzustufen war.

4.3 Die Vorinstanz kommt in Anlehnung an das Obergutachten zum Schluss, dass es
sich um eine gängige Therapieform mit üblicher Dosierung handelte, welche im
Einklang mit dem damals aktuellen Stand der Medizin war. Ob eine
Behandlungsmethode, die noch Gegenstand einer laufenden grossangelegten
Vergleichsstudie war, bereits als etablierter Behandlungsstandard gelten kann,
erscheint grundsätzlich fraglich. Mangels wissenschaftlich abgesicherter
Erkenntnisse und angesichts ungewisser Risiken sind solche Verfahren
normalerweise den insoweit experimentellen Heilversuchseingriffen zuzuordnen.
Die Vorinstanz bringt indes gewichtige Argumente vor, weshalb die durchgeführte
Behandlung trotz damals laufender Studie als Standard einzustufen ist. Das
angewendete Medikament "5-FU B.________" sei aufgrund einer vom
Kantonsapotheker erteilten Sonderbewilligung zugelassen gewesen. Bereits im
Jahr 1997 habe eine schwedische Studie die Überlegenheit der präoperativen
Radio-Chemotherapie nachgewiesen. Bei der seit 1995 laufenden und 2004
publizierten deutschen Studie sei bei einem Patientenkollektiv von rund 800
Personen der präoperative Einsatz von 5-FU mit dem postoperativen verglichen
worden. Die Schweizer Onkologen seien über diese Studie und die dabei
angewandten Dosierungen auf dem Laufenden gewesen. Die übliche Verträglichkeit
der Dosierung von täglich 1000mg pro m2 Körperoberfläche sei schon aus der
Behandlung anderer Karzinome (Speiseröhre) bekannt gewesen. Vorliegend wurde
daher aufgrund der 1.52m2 Körperoberfläche der Patientin eine Dosierung von
1500mg/Tag verabreicht. Auf die grossen Unterschiede in der optimalen Dosierung
sei im Beipackzettel verwiesen worden. Ferner seien in der Studie auch
Abbruchkriterien festgelegt worden. Hätte sich die postoperative Behandlung als
überlegen erwiesen oder andere Erkenntnisse die Schädlichkeit des
therapeutischen Vorgehens belegt, so wäre die Studie bereits nach den ersten 50
Patienten abgebrochen worden. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern
vor diesem Hintergrund die Bejahung eines medizinischen Behandlungsstandards
willkürlich sein soll. Damit steht aber auch fest, dass mangels experimentellen
Charakters der Behandlung die qualifizierten Sorgfalts- und
Aufklärungspflichten für Heilversuche nicht herangezogen werden können. Zu
Recht verneint die Vorinstanz deshalb die Erforderlichkeit einer "speziellen
Einwilligung" zu einer Teilnahme an einem medizinischen Experiment ausserhalb
der damals bestehenden medizinischen Erkenntnisse (angefochtene Verfügung vom
29. August 2007, S. 12). Da sich die behandelnden Ärzte insbesondere
hinsichtlich der Dosierung und des präoperativen Einsatzes an die damals
etablierteste Behandlungsmethode hielten, kann ihnen auch nicht vorgeworfen
werden, die beim "off-label use" gemäss Heilmittelgesetz zu beachtenden
Sorgfaltspflichten verletzt zu haben. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.

5.
Der Beschwerdeführer macht in Bezug auf die möglichen Todesursachen
Sorgfaltspflichtsverletzungen geltend. Trotz Auftretens schwerer Nebenwirkungen
sei die hochdosierte Therapie nicht gestoppt worden. Die Kardio- und
Neurotoxizität von im Lösungsmittel "Tris" gelöstem 5-FU sei schon seit Jahren
bekannt gewesen. Es sei daher unhaltbar, daneben noch einen Enzymdefekt als
Todesursache zu erwägen. Zudem sei dieser Mangel nicht vorab abgeklärt worden.
Die Herstellerin, Ärzte und Spitalapotheker hätten mangelnde Sorgfalt walten
lassen. Es gehe nicht an, dass niemand verantwortlich gemacht werde (Beschwerde
S. 16).

5.1 Die Vorinstanz erwägt als möglicherweise todesursächliche
Sorgfaltspflichtverletzung den verspäteten Behandlungsabbruch. Sie schliesst
sich diesbezüglich jedoch in einer willkürfreien Beweiswürdigung den
gutachterlichen Ausführungen an. Danach sind Übelkeit und Durchfall häufige
Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten, welche für sich noch keinen
Behandlungsabbruch, sondern andere Gegenmassnahmen nahelegen. Erst das
Auftreten neurologischer Störungen habe den Verdacht auf die 5-FU Infusion
lenken müssen. Die Neurotoxizität hätte am 14. März 2002 bereits einige Stunden
vor 23 Uhr erkannt werden können. Gemäss der Vorinstanz hätte ein Absetzen auf
den tödlichen Verlauf indes keinen Einfluss mehr gehabt, da zu jenem Zeitpunkt
bereits ein grosser Teil der Gesamtdosis verabreicht worden war. Entgegen dem
Beschwerdeführer lässt sich somit nicht beanstanden, dass die Therapie trotz
Auftretens schwerer Nebenwirkungen nicht gestoppt wurde. Die Vorinstanz geht in
diesem Punkt zu Recht davon aus, dass es an der Kausalität der
Sorgfaltspflichtsverletzung fehlt.

5.2 Als weitere Todesursache zieht die Vorinstanz einen Enzymdefekt in
Betracht. Bei etwa 3-5 % der Bevölkerung sei die Dihydropyrimidin Dehydrogenase
(DPD) mangelhaft oder defekt. Das Fehlen dieses 5-FU abbauenden Enzyms könne zu
schweren Nebenwirkungen führen. Nach der gutachterlichen Feststellung, der sich
die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise anschliesst, gab es keine
Möglichkeit, den DPD-Mangel im Vorfeld des operativen Eingriffs in der Klinik
abzuklären (Obergutachten S. 3; angefochtene Verfügung S. 17). Wenn aber eine
bestimmte möglicherweise negative Prädisposition (DPD-Mangel) vorgängig nicht
abgeklärt werden kann, so ist nicht ersichtlich, welche strafrechtliche
Relevanz dieser Ursache noch zukommen soll. Wenn die Ärzte faktisch keine
Diagnosemöglichkeit haben, kann Ihnen die unterlassene Diagnose strafrechtlich
auch nicht zum Vorwurf gereichen. Damit bleibt als Todesursache nur noch die
Verunreinigung des Medikaments übrig (dazu sogleich E. 5.3). Weil nur noch eine
strafrechtliche relevante Ursache verbleibt, kann auch offen bleiben, ob bei
zwei unabhängigen, sich aber gegenseitig nicht ausschliessenden Ursachen aus
Kausalitätsüberlegungen zwingend einzustellen war (vgl. angefochtene Verfügung
S. 19-22; Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft S. 2 f.).

5.3 In Bezug auf die für den fatalen Behandlungsausgang mitursächliche
Verunreinigung beanstandet der Beschwerdeführer die Einstellung zu Recht. Die
Vorinstanz übernimmt die gutachterliche Einschätzung, wonach mit "überwiegender
Wahrscheinlichkeit (>50%) die toxischen Abbauprodukte im B.________ 5-FU
Präparat für den Krankheitsverlauf verantwortlich zu machen sind". Nach den
vorstehenden Erläuterungen ist die Toxizität nunmehr die einzig verbleibende,
strafrechtlich relevante Todesursache. Die diesbezüglichen Verantwortlichkeiten
sind daher näher abzuklären. Fest steht, dass der deutsche
Medikamentenhersteller - ohne darauf hinzuweisen - das Lösungsmittel "Tris"
verwendete. Spätestens seit einer Publikation aus dem Jahr 1994 war in der
Fachwelt bekannt, dass kardiotoxische Substanzen entstehen können, wenn 5-FU im
Lösungsmittel Tris gelöst wird. Aus diesem Grund wurde damals ein in Tris
gelöstes 5-FU Produkt des Herstellers R.________ in Frankreich aus dem Handel
gezogen (angefochtenes Urteil S. 18). Wer ein Krebsmedikament in Umlauf bringen
will, hat sich in der einschlägigen Fachliteratur auch über mögliche
Nebenwirkungen und negative Erfahrungen bei der Verwendung des Wirkstoffs zu
informieren. Die Strafbarkeit der Verantwortlichen bei der Herstellerin ist
daher näher zu untersuchen. Entgegen der Vorinstanz kann aber auch nicht offen
bleiben, ob der zuständige Apotheker und die Zulassungsbehörden von der
möglichen Toxizität wussten oder hätten wissen müssen. Auch dies ist näher
abzuklären. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich zusammenfassend noch nicht sagen,
dass ein genügender Tatverdacht nicht zu erhärten ist. Die Bestätigung der
staatsanwaltschaftlichen Einstellung erfolgte daher zu Unrecht. Die Beschwerde
ist insoweit gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben.

6.
Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache
selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann
die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden
hat (Art. 107 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer beantragt, die Sache an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und diese zur Vervollständigung der
Untersuchung sowie zur Anklageerhebung zu verpflichten (Rechtsbegehren Ziff.
2). Vorliegend besteht kein Anlass, die Sache unter Übergehung der Vorinstanz
direkt an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Vielmehr bleibt es der
Vorinstanz überlassen, die nach kantonalem Recht notwendigen Anordnungen zu
treffen.

7.
Im Rahmen seines teilweisen Unterliegens wird der Beschwerdeführer
grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt indes ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

7.1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten, sofern ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). Wenn es zur
Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen
Anwalt oder eine Anwältin. Diese haben Anspruch auf eine angemessene
Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung
nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann (Art. 64
Abs. 2 BGG).

7.2 Wie die vorstehenden Erwägungen gezeigt haben, bestand auch in Bezug auf
die nicht gutgeheissenen Vorbringen Anlass zur Beschwerde. Der Beschwerdeführer
war für die Wahrung seiner Rechte auf einen Vertreter angewiesen und seine
Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Das Gesuch ist daher zu bewilligen. Dem
Beschwerdeführer sind keine Kosten zu auferlegen. Im Rahmen seines Obsiegens
wird er vom Kanton mit Fr. 2'000.-- entschädigt (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die
restliche Entschädigung von Fr. 1'000.-- wird aus der Bundesgerichtskasse
ausgerichtet. Die Entschädigungen sind seinem Rechtsvertreter auszubezahlen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, die Verfügung des Bezirksgerichts
Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, vom 29. August 2007
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. iur. Werner E. Ott,
ist vom Kanton Zürich mit Fr. 2'000.--, aus der Bundesgerichtskasse mit Fr.
1'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Zürich, Einzelrichteramt
für Zivil- und Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Thommen