Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.644/2007
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6B_644/2007/bri

Urteil vom 25. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Donald Stückelberger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Veruntreuung (Art. 138 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 25. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 17. März
2006 wegen mehrfacher Veruntreuung zu 8 Monaten Gefängnis bedingt. Es hielt
folgenden Sachverhalt für erwiesen: X.________ war
einzelzeichnungsberechtigter Chief Executive Officer (CEO) der A.________ AG
(im folgenden: A.________), welche für die B.________ AG (im Folgenden:
B.________) das Präparat "C.________" durch verschiedene Ärzte prüfen liess.
Die B.________ überwies der A.________ insgesamt 273'420 Franken für
Honorarzahlungen an die Prüfärzte. X.________ liess diese Gelder im November
2003 und im Februar 2004 verabredungswidrig zur Begleichung laufender
Verbindlichkeiten der A.________ verwenden, ohne dass er in der Lage gewesen
wäre, sie rechtzeitig zu ersetzen und verabredungsgemäss die ab Mai 2004
fällig werdenden Honorare der Prüfärzte bezahlen zu können.

Auf Appellation von X.________ hin passte das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt das Urteil am 25. April 2007 dem neuen Recht an, indem es
anstelle der Gefängnisstrafe eine bedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu
Fr. 270.-- aussprach. Im Übrigen schützte es das erstinstanzliche Urteil
vollumfänglich.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das
appellationsgerichtliche Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Veruntreuung im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 StGB macht sich unter anderem
schuldig, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder
eines anderen Nutzen verwendet.

1.1 Bereits vor Appellationsgericht nicht mehr umstritten war, dass es sich
bei den von der B.________ der A.________ für die Begleichung der
Prüfarzthonorare überwiesenen Geldern um wirtschaftlich fremde, anvertraute
Vermögenswerte handelt und der Beschwerdeführer für ihre verabredungswidrige
Verwendung für die Verbindlichkeiten der A.________ verantwortlich war.
Strittig war und ist dagegen, ob der Beschwerdeführer sich bzw. die
A.________ unrechtmässig bereicherte.

1.2 Wer anvertrautes Gut dem Berechtigten an einem bestimmten Termin zur
Verfügung zu halten hat, bereichert sich unrechtmässig, wenn er es zu seinem
Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, es auf diesen Zeitpunkt hin
zu ersetzen (BGE 133 IV 21 E. 6.1.2; 118 IV 27 E. 3a). Ersatzfähigkeit darf
nur bejaht werden, wenn das Geld für den Täter griffbereit ist, nicht aber,
wenn er es sich erst bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung
verpflichtet sind, beschaffen muss. Da Prognosen über die Zahlungsfähigkeit
in der Zukunft naturgemäss unsicher sind, muss dabei genügen, wenn der Täter
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sicher damit rechnen kann, zum
verabredeten Zeitpunkt ersatzfähig zu sein. Blosse Aussichten, das für den
Ersatz benötigte Geld von Dritten zu erhalten, reichen nicht aus (118 IV 27
E. 3b).

1.3 Das Appellationsgericht hat im angefochtenen Entscheid erwogen (E. 3 S. 3
ff.), aus dem Revisionsstellenbericht für das Geschäftsjahr 2003 ergebe sich,
dass die gesamten Forderungen der A.________ aus Lieferungen und Leistungen
global zediert und damit nicht geeignet gewesen seien, die erforderliche
Liquidität zu gewährleisten. Zu den Beteiligungen der A.________ sei
ausdrücklich vermerkt, diese Unternehmen befänden sich in der Aufbauphase mit
entsprechender Verlustsituation per Ende Dezember 2003. Die Liquiditätslage
der A.________ werde als angespannt beurteilt, wobei der kurzfristige
Liquiditätsbedarf durch Überbrückungsfinanzierung der Bank und der Aktionäre
gesichert werde. Der Auftragseingang, die Pipeline sowie eine kurz vor
Abschluss stehende Finanzierungsrunde mit neuen Investoren lasse den Schluss
zu, die Liquiditätslage werde sich 2004 nachhaltig verbessern.

Das Appellationsgericht zieht aus diesem Revisionsstellenbericht den Schluss,
dass die A.________ 2003 mit Liquiditätsproblemen gekämpft hat und die
Prognose für eine Entspannung der Lage im Jahre 2004 auf vagen Hoffnungen
beruhte. Diese Einschätzung sieht es durch die Aussagen des Buchhalters
D.________ und des Chief Technology Officers E.________ und nicht zuletzt
durch eine Aktennotiz vom 9. Oktober 2003 bestätigt, in welcher der
Beschwerdeführer selber festhält, es sei mit höchster Priorität bis Ende Jahr
ein neuer Investor "an Land zu ziehen". Nichts anderes ergebe sich aus den
Aussagen des Verwaltungsratsmitglieds F.________ und des für die A.________
zuständigen Mitarbeiters der Basellandschaftlichen Kantonalbank, G.________.
Aus den vom Beschwerdeführer dem Appellationsgericht eingereichten Verträgen
mit bekannten Pharmafirmen ergebe sich nicht, dass der A.________ daraus im
massgeblichen Zeitpunkt (ab Mai 2004) mehr Mittel hätten zufliessen sollen,
als sie zur Deckung ihrer laufenden hohen Kosten verbrauchte.

1.4 Fest steht zunächst, dass die A.________ im Mai 2004, als die ersten
Prüfarzthonorare fällig wurden, nicht in der Lage war, die ihr von der
B.________ zu diesem Zweck überwiesenen, zwischenzeitlich aber
zweckentfremdeten Gelder zu ersetzen und die Forderungen der Ärzte zu
begleichen. Die Ersatzfähigkeit im Sinne der in E. 1.2 angeführten
Rechtsprechung war damit objektiv nicht gegeben. Zu prüfen ist somit, ob der
Beschwerdeführer Ende November 2003 und anfangs Februar 2004, als er die ihm
von der B.________ anvertrauten Mittel verabredungswidrig für die A.________
verbrauchte, fest damit rechnen konnte, in der Lage zu sein, die Gelder zu
ersetzen und die ab Mai 2004 fällig werdenden Honorarzahlungen an die
Prüfärzte zu leisten.

Dies ist nicht der Fall, wie die kantonalen Gerichte sorgfältig darlegen. Die
A.________ steckte nach dem schlüssigen Revisionsstellenbericht Ende November
2003 offensichtlich in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten und war
dringend auf neue Investoren angewiesen. Nichts deutet daraufhin, dass sich
die Lage im Februar 2004, als der Beschwerdeführer die zweite Tranche der
B.________-Gelder verbrauchte, massgeblich geändert hätte. Mit der
verabredungswidrigen Verwendung dieser Mittel hat er, wirtschaftlich
betrachtet, der A.________ (eigenmächtig) einen (kostenlosen)
Überbrückungskredit gewährt, um ihren Betrieb weiterzuführen, vorab um das
Personal bezahlen zu können. Die Kreditgewährung an ein Unternehmen, das sich
in einem Liquiditätsengpass befindet, mag zwar unter Umständen durchaus
Gewinnchancen beinhalten und unternehmerisch sinnvoll sein, ist aber
naturgemäss mit erheblichen Verlustrisiken verbunden. Eine Investition in die
A.________ war somit Ende November 2003 und Ende Februar 2004 eine
risikobehaftete, keine mündelsichere Anlage. Der Beschwerdeführer konnte
somit keineswegs sicher damit rechnen, dass er die zweckwidrig verwendeten
Gelder bei gewöhnlichem Lauf der Dinge würde zurückzahlen können, schon gar
nicht kurzfristig ab Mai 2004. Er hat somit die ihm anvertrauten
B.________-Gelder dem (erheblichen) unternehmerischen Risiko der A.________
ausgesetzt und sie dementsprechend gefährdet. Er hat zwar, wie schon vor
Appellationsgericht, verschiedene Gründe vorgebracht, aus denen die
A.________ aus damaliger Sicht ihre Schwierigkeiten hätte überwinden und
prosperieren sollen. Nur ergibt sich aus keinem von ihnen, inwiefern sie dem
Unternehmen ab Mai 2004 genügend Liquidität hätten verschaffen können, um die
B.________-Gelder pünktlich (oder wenigstens bloss mit einer kurzen, wenige
Tage dauernden Verspätung, wenn man dies nach dem vom Beschwerdeführer
angeführten obiter dictum im Entscheid 6S.580/1999, E. 2d/cc genügen lassen
wollte) zu ersetzen und für die Begleichung der Prüfarzthonorare zu
verwenden. Zwar besteht kein Anlass zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer
die B.________-Gelder ersetzen wollte. Dies ändert allerdings nichts daran,
dass er in strafwürdiger Absicht handelte, sich bzw. die A.________
ungerechtfertigt zu bereichern, da er nach dem Gesagten nicht darauf
vertrauen durfte, dazu in der Lage zu sein. Der Beschwerdeführer war damit
nicht ersatzfähig, womit seine Verurteilung wegen Veruntreuung nicht zu
beanstanden ist.

2.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi