Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.601/2007
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6B_601/2007

Urteil vom 7. Dezember 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Strafverfahren betreffend mehrfache fahrlässige Beschäftigung von Ausländern
ohne Arbeitsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, vom 25. Juli 2007.
Sachverhalt:

A.
Die Präsidentin des Bezirksgerichts Bremgarten sprach X.________ am 22.
Januar 2007 des mehrfachen fahrlässigen Beschäftigens von Ausländern ohne
Arbeitsbewilligung im Sinne von Art. 23 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 3
ANAG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 2'000.-- respektive
bei schuldhafter Nichtbezahlung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen.

Auf Berufung hin bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau am 25. Juli
2007 das erstinstanzliche Urteil im Schuldpunkt, reduzierte die ausgefällte
Busse aber auf Fr. 1'000.-- bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage.

X. ________ wird zur Last gelegt, vom 27. Januar 2005 bis 3. Juli 2007 bzw.
vom 12. Juni 2006 bis 31. August 2006 bei der A.________ AG zwei Handwerker,
einen Plattenleger und einen Steinmetz, deutscher Nationalität beschäftigt zu
haben, die nicht über die erforderlichen Aufenthalts- bzw.
Arbeitsbewilligungen verfügten.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht mit dem
Antrag auf Freisprechung von Schuld und Strafe.

C.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

2.
Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen seine Verurteilung wegen mehrfachen
fahrlässigen Beschäftigens von Ausländern ohne Arbeitsbewilligung im Sinne
von Art. 23 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 ANAG. Er macht dabei
insbesondere geltend, keine Arbeitgeberstellung im Sinne von Art. 23 Abs. 4
ANAG innegehabt und auch nicht fahrlässig gehandelt zu haben. Im Übrigen habe
im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der ausländischen Arbeitskraft eine
gültige Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA vorgelegen. Unter
diesen Umständen könne ihm nicht vorgeworfen werden, gegen
aufenthaltsrechtliche Vorschriften, insbesondere aber gegen Art. 3 Abs. 3
ANAG, verstossen zu haben.

3.
Wer vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die nicht berechtigt sind, in der
Schweiz zu arbeiten, wird gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG zusätzlich zu einer
allfälligen Bestrafung nach Art. 23 Abs. 1 ANAG für jeden rechtswidrig
beschäftigten Ausländer mit einer Busse bis zu 5'000 Franken bestraft.
Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die Busse bis zu 3'000 Franken. In
besonders leichten Fällen kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden.
Wenn der Täter gewerbsmässig handelt, ist der Richter an diese Höchstbeträge
nicht gebunden. Nach Art. 3 Abs. 3 ANAG darf der nicht niedergelassene
Ausländer eine Stelle erst antreten und von einem Arbeitgeber zum Antritt nur
zugelassen werden, wenn ihm der Aufenthalt zum Stellenantritt bewilligt ist.

4.
Seit dem 1. Juni 2002 gilt das Abkommen zwischen der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit
(Freizügigkeitsabkommen, FZA, SR 0.142.112.631). Bürgerinnen und Bürger der
EU- und EFTA-Staaten haben danach das Recht, sich zur Aufnahme oder Ausübung
einer Erwerbstätigkeit im gesamten Hoheitsgebiet der Schweiz frei zu bewegen
und aufzuhalten. Gemäss Art. 2 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens wird zum
Nachweis des Rechts, sich im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei aufzuhalten,
eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt. Das Freizügigkeitsabkommen kennt
dabei zwei Arten von Aufenthaltsbewilligungen: Bei Arbeitsverhältnissen mit
einer Dauer von mehr als drei Monaten, aber weniger als einem Jahr werden
Kurzaufenthaltsbewilligungen EG erteilt, bei unbefristeten Arbeitsverträgen
oder solchen mit einer Dauer von mindestens einem Jahr
Daueraufenthaltsbewilligungen EG mit einer Gültigkeit von fünf Jahren (Art. 6
Anhang I des Freizügigkeitsabkommens, Art. 4 der Verordnung vom 22. Mai 2002
über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs, VEP, SR
142.203).

Diese in Anwendung des Freizügigkeitsabkommens ausgestellten Bewilligungen
haben nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) nicht rechtsbegründenden Charakter, sondern bloss
deklarative Bedeutung (Urteile des EuGH vom 5. Februar 1991 in der
Rechtssache C-363/89, Roux, Slg. 1991, I-273, Rz. 12 sowie vom 25. Juli 2002
in der Rechtssache C-459/99, Mouvement contre le racisme, antisémitisme et la
xénophobie [MRAX], Slg. 2002, I-6591, Rz. 74). Das bedeutet, dass der
Aufenthalt bzw. die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch bei fehlender
Bewilligung nicht rechtswidrig ist mit der Folge, dass der Arbeitgeber,
welcher EU- oder EFTA-Staatsangehörige in der Schweiz ohne Aufenthalts- bzw.
Arbeitserlaubnis beschäftigte, nicht nach Art. 23 Abs. 4 ANAG strafbar wäre.
Allerdings ist vor dem Hintergrund der etappenweisen Einführung der vollen
Personenfreizügigkeit zu beachten, dass die Erteilung von
Aufenthaltsbewilligungen - mit Ausnahme solcher für Arbeitseinsätze von
weniger als vier Monaten - für Erwerbstätige aus den alten EU-Mitgliedstaaten
sowie Zypern und Malta während der ersten fünf Jahre, also bis Ende Mai 2007,
kontingentiert war (Art. 10 des Freizügigkeitsabkommens; vgl. Art. 2 des
Protokolls zum Freizügigkeitsabkommen betreffend die Übergangsregelung für
Angehörige aus den neuen EU-Mitgliedstaaten). Soweit und solange die
Zulassung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Kontingentierung - einer
arbeitsmarktlichen Beschränkung im Sinne von Art. 10 des
Freizügigkeitsabkommens - untersteht, ist für den Stellenantritt
übergangsrechtlich doch noch eine Aufenthaltsbewilligung erforderlich (Art.
26 Abs. 2 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens). Die Arbeitsstelle darf und
kann somit während des Übergangsregimes legal erst angetreten werden, wenn
die entsprechende Bewilligung, welche gemäss Art. 6 Abs. 7 Anhang I des
Freizügigkeitsabkommens allerdings ohne Aufschub zu erteilen ist, vorliegt.
Wird sie nicht eingeholt, kann deshalb der Straftatbestand der Beschäftigung
ohne Bewilligung nach Art. 23 Abs. 4 ANAG erfüllt sein.

Im vorliegenden Fall geht es um unbefristete Arbeitsverhältnisse (act. 12
ff., 72 ff.), die der Kontingentierung unterstanden. Für den rechtmässigen
Stellenantritt wären daher nach dem Gesagten Aufenthaltsbewilligungen
erforderlich gewesen. Dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der
ausländischen Arbeitskraft eine gültige Zusicherung der
Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA vorgelegen hat, ändert daran nichts. Denn eine
solche Zusicherung stellt die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zur
Ausübung der Erwerbstätigkeit lediglich in Aus-sicht (Art. 8 VEP), berechtigt
die ausländische Person aber nicht per se zum Stellen- bzw. Arbeitsantritt.
Der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers erweist sich deshalb als
unbehelflich.

5.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, keine Arbeitgeberstellung im Sinne von
Art. 23 Abs. 4 ANAG eingenommen zu haben, erweist sich seine Beschwerde
ebenfalls als unbegründet.

5.1 In Art. 23 Abs. 4 ANAG ist zwar nicht ausdrücklich vom Arbeitgeber die
Rede. Wie jedoch die Formulierung "wer .....Ausländer ..... beschäftigt
......" sowie die Gesetzesmaterialien (siehe AB 1987 S 32 ff.; AB 1987 N 1240
ff.) zeigen, hat der Gesetzgeber mit Art. 23 Abs. 4 ANAG verstärkt Personen
bestrafen wollen, die Arbeiter rechtswidrig beschäftigen. Gemäss der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Anwendung der Norm indessen nicht
auf Arbeitgeber im zivilrechtlichen Sinne (Art. 319 ff. OR) beschränkt. Nicht
massgebend ist auch, von welchem Begriff des "Arbeitgebers" die Verordnung
über die Begrenzung der Zahl der Ausländer ausgeht. Der Anwendungsbereich von
Art. 23 Abs. 4 ANAG ist mit Rücksicht auf dessen Sinn und Zweck vielmehr weit
zu fassen. "Beschäftigen" im Sinne dieser Bestimmung bedeutet, jemanden eine
Erwerbstätigkeit ausüben zu lassen. Auf die Natur des Rechtsverhältnisses
kommt es nicht an (zum Ganzen BGE 128 IV 170 E. 4; vgl. schon BGE 99 IV 110).
Bei juristischen Personen hat diejenige Person als verantwortlicher
Arbeitgeber im Sinne des ANAG zu gelten, welche für die Personaleinstellung
zuständig ist, d.h. wer selbständig und ohne Bewilligung oder nachträgliche
Genehmigung eines Vorgesetzten die Stelle besetzen darf (BGE 99 IV 110 E. 4;
vgl. auch BGE 105 IV 172 E. 3; Valentin Roschacher, Die Strafbestimmungen des
Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), Diss.
Zürich 1991, S. 121).

5.2 Der Beschwerdeführer ist als Verwaltungsratspräsident der A.________ AG
mit Einzelunterschriftsberechtigung im Handelsregister eingetragen. Seit dem
Jahre 1991 gehört er der Geschäftsleitung an und zeichnet seit 1993 mit
Einzelunterschrift. Er ist für zahlreiche Belange der Unternehmungsführung
verantwortlich. Dazu gehört namentlich auch das Personalwesen (angefochtenes
Urteil, S. 5). Eigenen Angaben zufolge ist er für sämtliche
Administrativabläufe des Unternehmens zuständig, unter anderem auch für das
Einholen allfällig erforderlicher Arbeitsbewilligungen ausländischer
Arbeitskräfte (angefochtenes Urteil, S. 6). Vor diesem Hintergrund ist mit
der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner
Stellung und Funktion im Unternehmen befugt war, Arbeitsverträge
rechtsverbindlich abzuschliessen bzw. Arbeitskräfte selbständig einzustellen,
ohne einer weiteren Genehmigung einer übergeordneten Stelle zu bedürfen bzw.
unabhängig davon, ob die Anstellung mit oder ohne Einverständnis der übrigen
Verwaltungsratsmitglieder erfolgte. Der Beschwerdeführer hat mithin
Arbeitgeberstellung im Sinne von Art. 23 Abs. 4 ANAG innegehabt. Daran ändert
entgegen einem Einwand in der Beschwerde nichts, dass zwei weitere
Angestellte der A.________ AG ebenfalls einzelzeichnungsberechtigt sind und
am Einstellungsprozess der ausländischen Arbeitskräfte mitgewirkt haben. Auf
die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz kann - auch in Bezug auf Art. 29
StGB - verwiesen werden.

6.
Der Beschwerdeführer bestreitet, fahrlässig gehandelt zu haben. Er habe die
ausländische Arbeitskraft angewiesen, den Arbeitsvertrag zusammen mit der
Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA der Wohngemeinde bzw. der
kantonalen Fremdenpolizei zwecks Ausstellung der erforderlichen
Arbeitsbewilligung vorzulegen. Die neue Arbeitskraft habe vorgegeben, den
Behördengang während der Arbeitszeit zu erledigen, und habe die notwendige
Zeit dafür freigenommen. Unter diesen Umständen habe der Beschwerdeführer
annehmen dürfen, dass alles rechtens sei, zumal er für den Arbeitnehmer
während 1 1/2 Jahren Quellensteuern entrichtet habe und während dieser Zeit
nie darauf hingewiesen worden sei, dass mit der Anmeldung bzw. den Papieren
des Ausländers etwas nicht stimmen könnte.

6.1 Wer bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können, dass ein
kontrollpflichtiger Ausländer zum Stellenantritt eine Bewilligung braucht,
der von ihm beschäftigte Ausländer eine solche jedoch nicht besitzt, macht
sich des fahrlässigen rechtswidrigen Beschäftigens eines Ausländers im Sinne
von Art. 23 Abs. 4 ANAG schuldig (Roschacher, a.a.O., S. 123). Gemäss Art. 10
Abs. 1 BVO darf der Arbeitgeber keinen Ausländer eine Stelle antreten lassen,
ohne sich vorher durch Einsicht in den Ausländerausweis oder durch Nachfrage
bei der Fremdenpolizei zu vergewissern, dass der Arbeitnehmer zum Antritt
dieser Stelle berechtigt ist.

6.2 Der Beschwerdeführer durfte sich entgegen seiner Auffassung nicht einfach
auf die Zusicherung der ausländischen Arbeitskraft verlassen, sich zwecks
Ausstellung der Arbeitsbewilligung an die Gemeinde bzw. die Fremdenpolizei zu
wenden. Aus dem Umstand, für den ausländischen Angestellten Quellensteuern
abgerechnet und bezahlt zu haben, kann er im Hinblick auf die Einhaltung
aufenthaltsrechtlicher Vorschriften ebenfalls nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Als aufmerksamer Arbeitgeber hätte er sich durch Einsicht in den
Ausländerausweis oder Nachfrage bei der Fremdenpolizei vielmehr vergewissern
müssen, dass die ausländische Arbeitskraft über die erforderliche Bewilligung
verfügte und damit zum Stellenantritt tatsächlich berechtigt war (vgl.
Roschacher, a.a.O., 123). Dieser Sorgfaltspflicht ist der Beschwerdeführer
nicht nachgekommen. Die Vorinstanz ist daher zu Recht von einer fahrlässigen
Tatbegehung ausgegangen.

7.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind
die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Dezember 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill