Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.56/2007
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{T 0/2}
6B_56/2007 /rom

Urteil vom 4. Mai 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Favre, Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Störi.

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner.

Bedingte Entlassung aus der Verwahrung; Begutachtung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 7. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 19. Mai
1998 u.a. wegen mehrfachen versuchten Mordes, mehrfacher schwerer
Körperverletzung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher
Schändung zu 17 Jahren Zuchthaus, schob den Vollzug dieser Strafe indessen
auf und ordnete die Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB (in
der Fassung vom 18. März 1971) an.

X. ________ befindet sich seit dem 15. November 2000 zum Vollzug der
Verwahrung in der Strafanstalt Pöschwies. Seit dem 2. Oktober 2001 lehnt er
die Betreuung durch den Psychiatrisch-Psychologischen Dienst (PPD) ebenso wie
Besuche von dessen Mitarbeitern und eine deliktsorientierte Therapie ab.

Mit Verfügung vom 26. Juli 2006 lehnte das Amt für Justizvollzug die
probeweise Entlassung X.________s aus der Verwahrung unter Hinweis auf das
mangels therapeutischer Behandlung nach wie vor bestehende Rückfallrisiko ab.

X. ________ rekurrierte gegen diese Verfügung und beantragte, es sei zur
Frage der Gemeingefährlichkeit ein neues Gutachten zu erstellen, er sei
probehalber aus der Verwahrungsmassnahme zu entlassen und es sei ihm für die
Begutachtung und das Überprüfungsverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
zu gewähren. Die Direktion der Justiz und des Innern wies den Rekurs am 26.
September 2006 ab und verweigerte X.________ die Gewährung eines
unentgeltlichen Rechtsbeistandes.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde X.________s am
7. Februar 2007 teilweise gut und hob die Verfügung der Direktion der Justiz
und des Innern vom 26. September 2006 und die Verfügung des Amts für
Justizvollzug vom 16. Juli 2006 insofern auf, als darin die Begutachtung des
Beschwerdeführers durch eine unabhängige sachverständige Person abgelehnt
bzw. nicht angeordnet worden war. Es wies die Sache ans Amt für Justizvollzug
zurück, "um die Frage der bedingten Entlassung nach den Vorschriften des seit
1. Januar 2007 geltenden Strafrechts, insbesondere Art. 64b Abs. 2 StGB, zu
prüfen". Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, ebenso wie das Gesuch um
Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 14. März 2007 beantragt das Amt für
Justizvollzug, seine Verfügung vom 26. Juli 2006 zu bestätigen.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über den Vollzug
einer Massnahme, gegen den die Beschwerde in Strafsachen gegeben ist (Art.
78, Art. 80 Abs. 1 BGG). Fraglich ist zunächst, ob das Amt für Justizvollzug
berechtigt ist, sie zu erheben.

1.1 Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Erhebung einer Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat
(lit. b). Die beiden Voraussetzungen von lit. a und b müssen nach klarem
Wortlaut und Sinn kumulativ erfüllt sein. Das bedeutet einerseits, dass auch
die in Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG beispielhaft aufgeführten Personen, die in
der Regel beschwerdebefugt sind, im Einzelfall ein Rechtsschutzinteresse
nachzuweisen haben. Anderseits sind auch dort nicht aufgeführte Personen
beschwerdebefugt, sofern sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung des angefochtenen Entscheids haben (Botschaft zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege vom 28. Febr. 2001, BBl 2001 4318). Art. 81 Abs. 2 BGG
regelt die Beschwerdebefugnis der Bundesanwaltschaft, während Abs. 3 die
Regelung von Art. 103 lit. b OG übernimmt, wonach das Beschwerderecht auch
der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht
es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zusteht, wenn der
angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich
verletzen kann. Da sich die Bestimmung nur auf Beschwerden gegen Entscheide
über den Vollzug von Strafen und Massnahmen bezieht, ist nach Abs. 3 einzig
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beschwerdebefugt.

1.2 Das Amt für Justizvollzug leitet seine Beschwerdeberechtigung aus Art. 81
Abs. 1 BGG ab.

Das Verwaltungsgericht bezeichnet das Amt für Justizvollzug im Rubrum zwar
als Beschwerdegegner und führt dieses damit als Partei auf. Dementsprechend
holte es von ihm auch eine "Beschwerdeantwort" ein, nicht eine
"Vernehmlassung" wie von der Direktion der Justiz und des Innern. Ob das Amt
für Justizvollzug am Verwaltungsgerichtsverfahren im Sinne von Art. 81 Abs. 1
lit. a BGG teilgenommen hat oder nicht, ist indessen eine Frage des
Bundesrechts. Es ist daher unerheblich, ob das Zürcher Verfahrensrecht einen
Rollenwechsel des Amts für Justizvollzug von der erstinstanzlich verfügenden
Behörde zur Partei im gegen seinen Entscheid angehobenen
Rechtsmittelverfahren vorsieht bzw. zulässt. Von der Sache her besteht dafür
jedenfalls keine Notwendigkeit, handelt es sich doch grundsätzlich um ein
Einparteienverfahren, mit welchem der verwahrte Beschwerdeführer die
Gewährung von Vollzugslockerungen beantragte. Es erscheint daher fraglich, ob
das Amt für Justizvollzug als Teilnehmer am verwaltungsgerichtlichen
Verfahren im Sinn von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG zu betrachten wäre. Es kann
jedenfalls nicht Sinn dieser Bestimmung sein, alle Vorinstanzen auf Grund
ihrer Verfahrensteilnahme zur Beschwerde zuzulassen.

Das Amt für Justizvollzug vertritt sodann ausschliesslich öffentliche
Interessen, es fehlen ihm eigene, rechtlich geschützte Interessen, die es
nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG zur Beschwerde berechtigen könnten. Es ist
zwar durch den angefochtenen Entscheid beschwert, indem es den
Beschwerdegegner gegen seine Überzeugung begutachten lassen muss, und hat
dementsprechend ein faktisches Interesse an der Aufhebung des
Verwaltungsgerichtsentscheids. Dies genügt indessen nicht zur Ergreifung
einer Beschwerde in Strafsachen. Der Wahrung rein öffentlicher Interessen
dient die Behördenbeschwerde, welche nach Art. 81 Abs. 3 BGG dem
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zusteht. Dieses ist
beschwerdebefugt, weil ihm diese Befugnis vom Verfahrensrecht ausdrücklich
zuerkannt wird. Das bedeutet umgekehrt, dass allen anderen Behörden, die an
der Erhebung einer Beschwerde interessiert sein könnten, aber nicht über eine
entsprechende gesetzliche Ermächtigung verfügen, die Beschwerdelegitimation
abgeht. Das Amt für Justizvollzug ist damit von der Beschwerdeführung
ausgeschlossen (Art. 81 Abs. 3 BGG e contrario)
1.3 Auf die Beschwerde ist somit bereits mangels Legitimation des
beschwerdeführenden Amtes für Justizvollzug nicht einzutreten. Dazu kommt,
dass der angefochtene Rückweisungsentscheid das Verfahren nicht abschliesst.
Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der nur anfechtbar wäre, wenn dem
beschwerdeführenden Amt ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohte (Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG). Diesem droht indessen einzig, eine möglicherweise
überflüssige Begutachtung des Beschwerdegegners durchführen zu müssen. Darin
liegt ein allenfalls unnötiger Aufwand, kein nicht wieder gutzumachender
Nachteil. Auf die Beschwerde wäre somit auch mangels eines tauglichen
Anfechtungsobjekts nicht einzutreten.

2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs.
4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich, 4. Abteilung, sowie dem Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Mai 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: