Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.545/2007
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6B_545/2007

Urteil vom 30. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Wehrli,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Metzger,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, vom 25. Juli 2007.
Sachverhalt:

A.
Mit Strafbefehl vom 24. März 2005 bestrafte das Bezirksamt Rheinfelden
X.________ wegen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB mit einer
bedingten Gefängnisstrafe von 17 Tagen und einer Busse von 2'000 Franken. Es
hielt für erwiesen, dass er am 11. Januar 2004, um ca. 00:45 Uhr, den
parkierten Personenwagen der Marke Chevrolet von A.________ mit einem
unbekannten Gegenstand zerkratzt hatte.

Der Vizegerichtspräsident von Rheinfelden verurteilte X.________ auf dessen
Einsprache hin am 11. Oktober 2006 wegen Sachbeschädigung im Sinne von Art.
144 Abs. 1 StGB zu einer Busse von 1'000 Franken. Es verpflichtete ihn zudem,
A.________ 3'300 Franken zuzüglich 5 % Zins ab dem 11. Januar 2004
Schadenersatz sowie die Parteikosten zu bezahlen und auferlegte ihm die
Verfahrenskosten.

Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Berufung X.________s am 25. Juli
2007 ab. Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten und verpflichtete ihn,
A.________ die Hälfte seiner zweitinstanzlichen Parteikosten zu ersetzen.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des
Obergerichts aufzuheben, ihn unter Kostenfolge zu Lasten des Staates
freizusprechen und die Zivilforderung abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur
Neubeurteilung an die erste oder zweite Instanz zurückzuweisen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht im Wesentlichen auf der Aussage
des Zeugen B.________, der durch das Türfenster seiner Haustüre gesehen haben
will, dass dieser den schräg gegenüber auf der anderen Strassenseite
parkierten Chevrolet A.________s zerkratzte. Das Obergericht hält diese
Aussage für glaubhaft, währenddem die Aussagen der Zeugen C.________ und
D.________, wonach sich der Beschwerdeführer zur fraglichen Zeit in einem
Restaurant im süddeutschen Raum aufgehalten habe, nicht überzeugten.

Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe durch die Abweisung
von Beweisanträgen sein rechtliches Gehör verletzt sowie die Beweise
willkürlich und unter Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo"
gewürdigt.

1.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

1.2 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet (vgl.
dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 f.; 124 IV 86 E. 2a S. 88; 120 Ia 31 E. 2c und
d S. 36).

In seiner Funktion als Beweislastregel auferlegt der Grundsatz "in dubio pro
reo" der Anklagebehörde, die Schuld des Angeklagten zu beweisen. Er ist
verletzt, wenn der Richter den Angeklagten verurteilt mit der Begründung, er
habe seine Unschuld nicht bewiesen. Als Beweiswürdigungsregel besagt der
Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich der Strafrichter nicht von einem für
den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so
verwirklicht hat (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Die Maxime ist
verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des Angeklagten hätte zweifeln
müssen. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend,
weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden
kann. Es muss sich um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln,
d.h. um solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Inwiefern
der Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt ist, prüft das Bundesgericht unter
dem Gesichtspunkt der Willkür, d.h. es greift nur ein, wenn der Sachrichter
den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des
Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu
unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden.

1.3 Nach den aus Art. 29 BV fliessenden Verfahrensgarantien sind alle Beweise
abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung
erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1). Das
hindert aber den Richter nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er in
willkürfreier Überzeugung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung
gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er
überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten
Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr
geändert (BGE 130 II 351 E. 3.3.3; 122 V 157 E. 1d; 119 Ib 492 E. 5b/bb).

2.
2.1 Nach den Aussagen, die B.________ gegenüber der Polizei machte und die er
als Zeuge vor Bezirksgericht bestätigte, hat sich der fragliche Vorfall wie
folgt abgespielt: Er habe in der fraglichen Nacht ferngesehen, als er um ca.
00:45 Uhr die Metalltüre der Einstellhalle gehört habe. Das (zu laute)
Zuschlagen dieser Türe sei Thema der Eigentümerversammlung gewesen, weshalb
er nachschauen gegangen sei. Vom Küchenfenster aus habe er gesehen, wie die
Familie E.________ aus der Einstellhalle gekommen und zu ihrem Haus gegangen
sei. Gleichzeitig habe er beobachtet, wie der Beschwerdeführer seinen roten
Smart auf seinem Hausplatz abgestellt habe. Er habe sich einen Apfel geholt
und das weitere Geschehen durch das Fenster seiner Haustüre verfolgt. Von
dort habe er gesehen, wie der Beschwerdeführer in sein Haus gegangen und ca.
2 Minuten später mit seinem Hund wieder herausgekommen sei. Er sei
zielstrebig auf den Chevrolet zu- und mit abgewinkelter Hand nahe daran
vorbeigegangen. Gleichzeitig habe er ein Kratzgeräusch gehört, er sei sicher,
dass der Beschwerdeführer die rechte Seite des Chevrolets zerkratzt habe. Die
Szene habe sich in etwa 20 m Entfernung abgespielt, und der Bereich, in dem
der Chevrolet gestanden habe, sei gut ausgeleuchtet gewesen.

2.2 Das Obergericht erwog im angefochtenen Entscheid (E. 4.2 S. 6 ff.), der
Zeuge habe das Kerngeschehen in beiden Befragungen gleichlautend und
detailreich geschildert. Er habe auch plausibel erläutert, weshalb er
überhaupt vom Fernseher aufgestanden sei und nachgeschaut habe. Es hat
keineswegs verkannt, dass zwischen dem Beschwerdeführer und verschiedenen
Nachbarn ein eher gespanntes Verhältnis herrschte. Dessen Pitbull soll die
Katze einer Nachbarin getötet haben, und er sei bereits früher im Verdacht
geraten, Autos von Nachbarn zerkratzt zu haben. Es hat indessen erwogen,
allein der Umstand, dass der Zeuge zu A.________ ein gutnachbarschaftliches
Verhältnis pflege und zum Beschwerdeführer "gar kein Verhältnis" habe, biete
keinen ausreichenden Grund zur Annahme, der Zeuge und A.________ hätten gegen
ihn ein Komplott geschmiedet. Es glaubte dem Zeugen, dass er den
Beschwerdeführer - auch anhand des mitgeführten Pitbulls - auf die
Beobachtungsdistanz von rund 20 m erkannte und beobachten konnte, wie er mit
abgewinkelter Hand an der Autoseite vorbei strich und diese zerkratzte.

Nicht überzeugend fand dagegen das Obergericht die Aussagen der Zeugen
C.________ und D.________. Diese haben am 11. April 2004 zunächst
gleichlautende Erklärungen unterschrieben, wonach sich der Beschwerdeführer
in der fraglichen Nacht im Restaurant Sonne aufgehalten habe. Dieses sei bis
02:00 Uhr geöffnet gewesen, weshalb sich der Beschwerdeführer zur Tatzeit
nicht am Tatort befunden haben könne. Den Bescheinigungen ist indessen nicht
ausdrücklich zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer bis um 02:00 Uhr im
Lokal aufgehalten hat. Dies behaupteten indessen Beide als Zeugen an der
Verhandlung vor dem Bezirksamt Rheinfelden. Frau C.________ erklärte, der
Beschwedeführer sei in der fraglichen Nacht bis kurz vor 02:00 Uhr im
Restaurant gewesen. Es seien auch noch ein paar Stammgäste dagewesen, sie
wisse aber nicht mehr, welche. D.________ bestätigte ebenfalls, dass sich der
Beschwerdeführer bis um 02:00 Uhr im Restaurant aufgehalten habe. Die
ebenfalls noch anwesenden Gäste seien neu gewesen, er wisse nicht mehr genau,
wer dies gewesen sei. Zur Verhandlung des Bezirksgerichts erschienen beide
unentschuldigt nicht. Für das Obergericht sind die Aussagen in Bezug auf die
anwesenden Gäste widersprüchlich und im Übrigen unpräzise, weshalb es auf sie
nicht abstellte.

2.3 Das Obergericht hat eingehend und plausibel begründet, weshalb es sich
von den Aussagen C.________ und D.________ nicht überzeugen liess und auf die
Darstellung des Zeugen B.________ abstellte. Was der Beschwerdeführer dagegen
vorbringt, ist nicht geeignet, diese Würdigung verfassungswidrig erscheinen
zu lassen.

2.3.1 So stimmen die Aussagen C.________ und D.________ zwar insoweit
überein, als beide den Beschwerdeführer in der Tatnacht bis ca. 02:00 Uhr im
Restaurant gesehen haben, und als beide ausserstande sind, Gäste zu benennen,
die dies bestätigen könnten, was D.________ damit begründet, dass es "neue
Gesichter" gewesen seien, während es sich nach C.________ um Stammgäste
handelte (was ohnehin nicht einleuchtet, da sie als Wirtin diese wohl kennen
müsste). Beide begnügen sich mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe
sich zur Tatzeit im Restaurant aufgehalten, eine lebensnahe Schilderung
dieses Aufenthaltes (Wo sass er? Mit wem war er am Tisch? Hat er als
Teilhaber bei der Gästebetreuung mitgeholfen?), welche für ihre
Glaubhaftigkeit sprechen würde, geht beiden Aussagen völlig ab. Mit dem
Zeitablauf lässt sich die auffällige Farblosigkeit der Aussagen entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers nicht erklären, jedenfalls C.________ wusste
bereits wenige Tage nach dem Vorfall, dass er ein Alibi benötigte. Es ist
nachvollziehbar und keineswegs unhaltbar, dass das Obergericht diese beiden
Aussagen für nicht überzeugend und den Alibibeweis im Ergebnis als
gescheitert einstufte.

2.3.2 Unbestritten ist, dass der Tatort beleuchtet war, umstritten ist nur,
wie gut. Selbst wenn man von einer eher schwachen Beleuchtung ausgeht und der
Zeuge B.________ möglicherweise die Gesichtszüge des Täters nicht mit der für
eine sichere Identifizierung nötigen Schärfe sehen konnte, so kann doch nicht
ernsthaft in Betracht gezogen werden, dass eine andere Person mit ähnlicher
Silhouette wie der Beschwerdeführer mit einem roten Smart vorgefahren ist,
dessen Haus betreten und kurz darauf mit einem Pitbull oder einem ähnlichen
Hund das Haus wieder verlassen hat. Auf eine Distanz von rund 20 m ist es
zudem auch bei schummriger Beleuchtung möglich zu erkennen, wie eine Person
an einem Fahrzeug vorbeigeht und wie sie dabei ihre Hand hält, ebenso wie es
keineswegs ausgeschlossen ist, das beim Zerkratzen einer Karosserie
entstehende Geräusch wahrzunehmen. Davon konnte das Obergericht in haltbarer
Würdigung der Zeugenaussage B.________ ausgehen und somit den vom
Beschwerdeführer beantragten Augenschein des Tatortes und weitere Abklärungen
über die beim Zerkratzen von Karosserien entstehende Geräusche in
willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung abweisen. Die
Gehörsverweigerungsrüge ist unbegründet.

2.3.3 Die Nachbarin E.________ hat gegenüber der Polizei bestätigt, zur
Tatzeit nach Hause gekommen zu sein und das Gartentürchen des
Beschwerdeführers gehört zu haben. Das Obergericht sieht dadurch die Aussage
von B.________ bekräftigt. Der Beschwerdeführer rügt, es sei willkürlich, auf
die polizeiliche Befragungsnotiz abzustellen, ohne dass Frau E.________ als
Zeugin unter Wahrheitspflicht befragt worden sei.

Das Eintreffen der Familie E.________ war vor Obergericht vorab deshalb ein
Thema, weil der Beschwerdeführer geltend machte, diese hätte ihn bemerken
müssen, wenn sie tatsächlich gleichzeitig mit ihm nach Hause gekommen wäre.
Das Obergericht hat dies plausibel widerlegt (E. 4.2.5 S. 9), und der
Beschwerdeführer rügt dies nicht als willkürlich. Die Aussage von Frau
E.________, sie habe das Gartentürchen des Beschwerdeführers gehört, steht
somit zwar mit der Aussage von B.________ in Einklang, belastet den
Beschwerdeführer indessen nicht direkt, da sie zum Tatgeschehen keine
Beobachtungen machte. In diesem Sinne konnte sie das Obergericht ohne
Verfassungsverletzung als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage von
B.________ werten, ohne sie - was der Beschwerdeführer im Übrigen vor
Obergericht auch gar nicht beantragt hatte - formell als Zeugin zu befragen.
Eine entscheidende Bedeutung mass das Obergericht dieser Protokollnotiz nicht
zu.

2.3.4 Das Obergericht hat den Grundsatz "in dubio pro reo" weder als
Beweislastregel noch als Beweiswürdigungsregel verletzt. Es hat ihn nicht
deshalb verurteilt, weil er seine Unschuld nicht bewies, sondern weil es ihn
aufgrund einer willkürfreien Würdigung insbesondere des
Hauptbelastungsbeweises, der Zeugenaussage B.________, für überführt hielt.
Es kann auch keine Rede davon sein, es habe die Vorbringen des
Beschwerdeführers nicht ernsthaft geprüft. Dass es die Beweise anders
würdigte, als dies der Beschwerdeführer tut, bedeutet keineswegs, dass es den
Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzte. Die Rüge
ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt
der Beschwerdeführer dessen Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: