Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.543/2007
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6B_543/2007

Urteil vom 19. Dezember 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Stohner.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alois Kessler,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Alfred Haldimann,
Staatsanwaltschaft I des Kantons Uri, Marktgasse 6, 6460 Altdorf UR,
Beschwerdegegnerin.

Fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB); grobe Verletzung
von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 2 SVG),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche
Abteilung, vom 14. Februar 2007.
Sachverhalt:

A.
Am 17. Mai 2002 ereignete sich auf der Klausenpassstrasse in Spiringen eine
Frontalkollision zwischen dem bergwärts fahrenden Personenwagen von
X.________ und dem talwärts fahrenden Motorrad von A.________. Dieser erlitt
bei der Kollision schwere Verletzungen. An beiden Fahrzeugen entstand
Totalschaden.

B.
Das Obergericht des Kantons Uri befand X.________ am 14. Februar 2007
zweitinstanzlich der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2
StGB) und der groben Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 2 SVG)
schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à Fr.
110.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu
einer Busse von Fr. 1'500.--.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Uri vom 14. Februar 2007 sei aufzuheben, und er sei
freizusprechen. Eventualiter beantragt er die Aufhebung des angefochtenen
Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz.
Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der gesetzlichen
Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in ihren Anträgen
unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG)
eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz
(Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in Strafsachen
(Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet.

2.
2.1 Es ist erstellt, dass der Beschwerdeführer in einer Rechtskurve eine
Vollbremsung einleitete. Sein Auto bewegte sich in der Folge mit blockierten
Rädern nach links auf die andere Fahrbahn zu, auf welcher der
Beschwerdegegner mit seinem Motorrad entgegenkam. Dieser wich der drohenden
Gefahr mit einem Schlenker nach links aus und kollidierte mit dem Wagen des
Beschwerdeführers. Umstritten ist, weshalb der Beschwerdeführer bremste.

2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige bzw.
unvollständige Feststellung des Sachverhalts, denn der dem angefochtenen
Entscheid zugrunde gelegte Sachverhalt sei in willkürlicher Beweiswürdigung
sowie unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und der
Unschuldsvermutung erhoben worden (Beschwerde S. 3 f.).

Der Beschwerdeführer präzisiert, die Vorinstanz habe ihn verurteilt, obwohl
der Grund für seine Vollbremsung nicht eruiert worden sei. Wie sich aus dem
von ihm eingereichten Gutachten des renommierten Unfallexperten B.________
ergebe, sei nicht sein eigenes Fehlverhalten, sondern die Fahrweise von
C.________, welcher auf seinem Motorrad unmittelbar vor dem Beschwerdegegner
talwärts gefahren und dabei auf die falsche Fahrbahn abgekommen sei,
ursächlich für seine Vollbremsung gewesen. Konsequenterweise hätte ihn die
Vorinstanz deshalb freisprechen müssen. Zumindest aber wäre die Einholung
eines umfassenden Obergutachtens unabdingbar gewesen (Beschwerde S. 5 ff.).
2.3 Die Vorinstanz hat namentlich unter Bezugnahme auf den Rekonstruktions-
und Untersuchungsbericht (inklusive Ergänzungen) des Wissenschaftlichen
Diensts (WD) der Stadtpolizei Zürich vom 17. Juni 2003 und 25. September 2003
(erstinstanzliche Akten 1/2 act. 79 und act. 92) erwogen, der
Beschwerdeführer habe den Entschluss für seine Vollbremsung zu einem
Zeitpunkt gefasst, als er das ihm entgegenkommende Motorrad des
Beschwerdegegners noch gar nicht habe erkennen können. Daraus sei zu
schliessen, dass nicht ein Drittverschulden, sondern sein eigenes
Fehlverhalten den Beschwerdeführer zur Einleitung einer Vollbremsung bewogen
habe. Ob das Bremsmanöver auf unangepasste Geschwindigkeit oder mangelnde
Aufmerksamkeit zurückzuführen sei, sei in Bezug auf die Schuldfrage
unerheblich. Der Beschwerdegegner jedenfalls sei, als er das Fahrzeug des
Beschwerdeführers mit blockierten Rädern und mutmasslich übersetzter
Geschwindigkeit auf ihn habe zukommen sehen, reflexartig nach links
ausgewichen, was auch erkläre, weshalb der Kollisionspunkt auf der Fahrbahn
des Beschwerdeführers gelegen sei. Dieses Verhalten des Beschwerdegegners sei
als vertretbare Notreaktion zu werten (angefochtenes Urteil S. 18 und S. 21).

Für eine überhöhte Geschwindigkeit des Beschwerdeführers sprächen auch die
Aussagen des Zeugen D.________, welcher zu Protokoll gegeben habe, der
Beschwerdeführer habe ihn kurz vor der Unfallstelle mit sicherlich 70 km/h
überholt, mithin die im betreffenden Streckenabschnitt erlaubte
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h deutlich überschritten (angefochtenes
Urteil S. 22 mit Hinweis auf die erstinstanzlichen Akten 2/2 act. 15 S. 2
f.).

Die Vorinstanz hat des Weiteren ausgeführt, das Vorbringen des
Beschwerdeführers, wonach ein Fehlverhalten des Motorradfahrers C.________
für die Kollision ursächlich gewesen sei, lasse sich weder auf Partei- oder
Zeugenaussagen noch auf das Spurenbild abstützen. Vielmehr würde diese
Behauptung durch die eigenen Aussagen und jene seiner Beifahrerin - seine
Cousine E.________ - widerlegt. So habe der Beschwerdeführer vor der Polizei
ausgesagt, C.________ sei auf der korrekten Fahrbahn gefahren, und er habe
seine Vollbremsung wegen des Motorrads des Beschwerdegegners eingeleitet
(angefochtenes Urteil S. 15 mit Hinweis auf die erstinstanzlichen Akten 1/2
act. 12 S. 2). Ebenso habe E.________ anlässlich der polizeilichen
Einvernahme, als sie den Unfallhergang beschrieben habe, einzig das Motorrad
des Beschwerdegegners, nicht aber jenes von C.________ erwähnt (angefochtenes
Urteil S. 15 mit Hinweis auf die erstinstanzlichen Akten 1/2 act. 13 S. 1).
Zudem habe der Zeuge F.________, welcher knapp oberhalb der Unfallstelle in
die Klausenpassstrasse eingebogen sei, zu Protokoll gegeben, die beiden
Motorradfahrer, d.h. C.________ und der Beschwerdegegner, seien normal,
korrekt und langsam gefahren (angefochtenes Urteil S. 16 und S. 21 mit
Hinweis auf die erstinstanzlichen Akten 2/2 act. 16 S. 1). Gleiches ergebe
sich ferner aus den Aussagen von C.________ (angefochtenes Urteil S. 17 mit
Hinweis auf die erstinstanzlichen Akten 1/2 act. 14 S. 1 f.).
2.4 Dem Sachgericht steht bei der Würdigung der Beweise ein grosser
Ermessensspielraum zu. Willkür ist nur zu bejahen, wenn das Gericht
offensichtlich den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels verkannt, ohne
vernünftigen Grund ein wichtiges und erhebliches Beweismittel
unberücksichtigt gelassen oder aus den vorhandenen Elementen offensichtlich
unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 mit Hinweisen).

Wie jedes Beweismittel unterliegen auch Gutachten der freien richterlichen
Beweiswürdigung. In Sachfragen weicht das Gericht jedoch nur aus triftigen
Gründen von einer gerichtlichen Expertise ab. Privatgutachten dagegen
besitzen per se nicht den gleichen Stellenwert wie gerichtliche Gutachten,
denn ein Privatgutachter ist nicht unabhängig und unparteiisch wie der
amtliche Sachverständige, sondern ein Be-auftragter einer Partei, welcher
nicht der Strafdrohung von Art. 307 StGB untersteht (vgl. BGE 127 I 73 E. 3f;
siehe auch Marianne Heer, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, 2. Aufl.,
Basel 2007, Art. 56 StGB N. 50).

2.5 Die Vorinstanz hat sich eingehend mit sämtlichen Partei- und
Zeugenaussagen auseinandergesetzt. Sie hat zudem ausführlich dargelegt,
weshalb sie den Rekonstruktions- und Untersuchungsbericht des WD der
Stadtpolizei Zürich als überzeugend beurteilt hat, und weshalb aus ihrer
Sicht aus dem eingereichten Privatgutachten von B.________ keine ernsthaften
Einwände an der Schlüssigkeit dieses Berichts hervorgehen. Im Ergebnis hat
sie - ohne in Willkür zu verfallen - gefolgert, der Unfall sei auf ein
Nichtbeherrschen des Fahrzeugs und damit auf ein Selbstverschulden des
Beschwerdeführers zurückzuführen (angefochtenes Urteil S. 21).

Die Vorinstanz konnte willkürfrei aufgrund der bereits abgenommenen Beweise
schliessen, ihre Überzeugung würde durch weitere Beweiserhebungen nicht
geändert. Der bundesgerichtlichen Rechtskontrolle Stand hält insbesondere die
Argumentation im angefochtenen Urteil, ein allfälliges Obergutachten würde
gegenüber dem Rekonstruktions- und Untersuchungsbericht des WD der
Stadtpolizei Zürich keinen Erkenntnisgewinn versprechen, weil mehrere Jahre
nach dem Unfall keine aussagekräftigen Spuren mehr vorhanden seien (vgl.
angefochtenes Urteil S. 17). Der in antizipierter Beweiswürdigung erfolgte
Verzicht auf die Einholung eines Obergutachtens verletzt mithin den Anspruch
des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht (vgl. BGE 124 I 241 E. 2).

Schliesslich ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht
näher substantiiert, weshalb seine Verurteilung gegen die  Unschuldsvermutung
verstossen sollte. Die Auffassung der Vorinstanz, es bestünden bei objektiver
Würdigung des Beweisergebnisses keine offensichtlich erheblichen bzw.
schlechterdings nicht zu unterdrückenden Zweifel an der Schuld des
Beschwerdeführers, ist nicht unhaltbar (angefochtenes Urteil S. 13 f.; vgl.
auch BGE 127 I 38 E. 2 und 4 mit Hinweisen).

2.6 Die Beschwerde ist demnach vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri,
Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner