Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.522/2007
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6B_522/2007/bri

Urteil 11. Dezember 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Mehrfaches Erleichtern des rechtswidrigen Aufenthaltes in der Schweiz (Art.
23 Abs. 1 al. 5 ANAG),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, vom 13. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ am 13. Juni 2007 im
Berufungsverfahren wegen mehrfachen Erleichterns des rechtswidrigen
Aufenthalts in der Schweiz im Sinne von Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG zu einer
bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à je Fr. 180.-- sowie zu einer Busse
von Fr. 1'200.-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen). Wie bereits das
Bezirksgericht hielt auch das Obergericht für erwiesen, dass er Zimmer seines
Hotels bzw. Dancingbetriebs "A.________" vom 3. März bis 15. Mai 2002 an
ausländische Prostituierte aus Drittstaaten vermietete, die nicht über die
erforderlichen Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen verfügten. Einer
Verurteilung wegen Beschäftigens ohne Bewilligung stand die Verjährung
entgegen.

B.
X.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er
beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 13. Juni 2007 sei aufzuheben, und
er sei vom Vorwurf des mehrfachen Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthalts
freizusprechen.

C.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichten
unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

2.
Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers verletzt die Verurteilung wegen
Erleichterns des rechtswidrigen Verweilens gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG
Bundesrecht. Zwar bestreitet er nicht, dass die in seinem Hotelbetrieb als
Prostituierte arbeitenden Ausländerinnen über keine Aufenthaltsbewilligungen
verfügten. Er macht aber geltend, die acht Frauen hätten als
Selbständigerwerbende ihrer Erwerbstätigkeit während der achttägigen
Anmeldefrist ohne Bewilligung nachgehen dürfen. Da die Frauen nicht mehr als
acht Tage gearbeitet hätten, habe er ihren Aufenthalt nicht rechtswidrig
erleichtert. Zudem habe er kein Unrechtsbewusstsein gehabt. Denn aufgrund der
bis September 2005 geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere
aufgrund von BGE 128 IV 117, habe er davon ausgehen dürfen, sich nicht wegen
Erleichterns des rechtswidrigen Verweilens gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG
strafbar zu machen. Die Vorinstanz habe das Vorliegen eines Rechtsirrtums
insofern zu Unrecht verneint. Schliesslich habe er nicht vorsätzlich
gehandelt.

3.
3.1 Wer im In- oder Ausland die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das
rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtert oder vorbereiten hilft, wird mit
Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Mit dieser Strafe kann eine Busse
bis zu 10'000 Franken verbunden werden; in leichten Fällen kann auch nur auf
Busse erkannt werden (Art. 23 Abs. 1 al. 5 und 6 ANAG).

Nach Art. 23 Abs. 4 ANAG wird zusätzlich zu einer allfälligen Bestrafung nach
Abs. 1 der Norm für jeden rechtswidrig beschäftigten Ausländer mit einer
Busse bis zu 5000 Franken bestraft, wer vorsätzlich Ausländer beschäftigt,
die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten. Handelt der Täter
fahrlässig, so beträgt die Busse bis zu 3000 Franken. In besonders leichten
Fällen kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden. Nach Art. 3 Abs. 3
ANAG darf der nicht niedergelassene Ausländer eine Stelle erst antreten und
von einem Arbeitgeber zum Antritt nur zugelassen werden, wenn ihm der
Aufenthalt zum Stellenantritt bewilligt ist.

Wer eine Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nur beschäftigt,
erleichtert ihr das rechtswidrige Verweilen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1
al. 5 ANAG nicht und erfüllt lediglich den Übertretungstatbestand des
rechtswidrigen Beschäftigens von Ausländern gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG (BGE
118 IV 262). Ein Vergehen nach Absatz 1 der Norm liegt erst vor, wenn der
Arbeitgeber einem Ausländer über die Beschäftigung hinaus das rechtswidrige
Verweilen im Lande erleichtert, indem er ihn zum Beispiel beherbergt, d.h.
etwa Zimmer an ihn vermietet (BGE, a.a.O, E. 4).

3.2 Gemäss Art. 1a ANAG ist der Ausländer zur Anwesenheit auf Schweizer Boden
berechtigt, wenn er eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt
oder wenn er nach diesem Gesetz keiner solchen bedarf. Nach Art. 2 Abs. 1
ANAG hat sich der Ausländer vor Ablauf des dritten Monats seiner Anwesenheit
in der Schweiz bei der Fremdenpolizeibehörde des Aufenthaltsortes zur
Regelung der Bedingungen seiner Anwesenheit anzumelden. Ausländer, die zur
Übersiedlung oder zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit eingereist sind, haben
diese Anmeldung binnen acht Tagen, auf jeden Fall jedoch vor Antritt einer
Stelle, vorzunehmen. Gemäss Art. 1 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1.
März 1949 zum ANAG (ANAV; SR 142.201) darf sich der rechtmässig eingereiste
Ausländer während der für ihn geltenden Anmeldefrist ohne besondere
behördliche Bewilligung in der Schweiz aufhalten, ebenso nach richtig
erfolgter Anmeldung bis zum Entscheid über das mit ihr einzureichende Gesuch
um Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung.

Der Aufenthalt in der Schweiz wird - selbst bei rechtmässig erfolgter
Einreise - mit der Aufnahme einer nicht gemeldeten bzw. bewilligten
Erwerbstätigkeit rechtswidrig, sofern nicht die besonderen Bestimmungen des
Freizügigkeitsabkommens gelten (BGE 131 IV 174 E. 3.2 und 4.4)

4.
4.1 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz betreibt der
Beschwerdeführer das Hotel "A.________". Als Hauptverantwortlicher des
Betriebs hat er darüber entschieden, welche Personen in seinem Etablissement
der Prostitution nachgehen konnten und welche nicht. Die Zimmer hat er dabei
vom 3. März bis 15. Mai 2002 zu 150 Franken pro Nacht an die dort
anschaffenden acht Ausländerinnen vermietet (angefochtenes Urteil, S. 7 f.).

"Beschäftigen" im Sinne von Art. 23 Abs. 4 ANAG bedeutet, jemanden eine
Erwerbstätigkeit ausüben zu lassen, ohne dass es auf die Natur des
Rechtsverhältnisses ankommt (BGE 128 IV 170 E. 4.1). Das Bundesgericht hat
bisher bei einem angestellten Geschäftsführer eines Massagesalons angenommen,
dass er die dort auf eigene Rechnung und weisungsfrei arbeitenden
Prostituierenden im Sinne von Art. 23 Abs. 4 ANAG beschäftigte (BGE 128 IV
170). Es hat dies auch für die Besitzer und Geschäftsführer von solchen
Etablissements bejaht, die in ihrem Betrieb Prostituierte anschaffen liessen
und sich die Bereitstellung der Räume finanziell entschädigen liessen (BGE
128 IV 117; 129 IV 176).
Indem der Beschwerdeführer die acht Ausländerinnen im von ihm geführten
Hotelbetrieb als Prostituierte hat arbeiten lassen, hat er sie im Sinne von
Art. 3 Abs. 3 ANAG zum Antritt einer Stelle zugelassen und sie gemäss Art. 23
Abs. 4 ANAG beschäftigt. Die acht Ausländerinnen hätten sich deshalb gemäss
Art. 2 Abs. 1 ANAG vor Antritt der Stelle, d.h. vor Aufnahme ihrer
Erwerbstätigkeit als Prostituierte, anmelden müssen. Keine der Frauen ist
dieser gesetzlichen Anmeldepflicht jedoch nachgekommen (angefochtenes Urteil,
S. 8 mit Verweis auf das erstinstanzliche Urteil, E. 3.4.4, S.10). Damit
wurde ihr Aufenthalt - gleichgültig, ob sie legal in die Schweiz eingereist
sind oder nicht - spätestens mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit
rechtswidrig (BGE 131 IV 174 E. 3.2 und 4.4). Dieses rechtswidrige Verweilen
im Lande erleichterte der Beschwerdeführer, indem er die Frauen (über die
Beschäftigung hinaus) in seinem Hotel beherbergte und sich dafür entschädigen
liess (BGE 118 IV 262 E. 4.; zuletzt 131 IV 174 E. 3.1). Die Vorinstanz hat
daher den objektiven Tatbestand von Art. 23 Abs. 1 al 5 ANAG zu Recht als
erfüllt erachtet.

4.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz habe den
subjektiven Tatbestand zu Unrecht bejaht, erweist sich die Beschwerde
ebenfalls als unbegründet. Im angefochtenen Entscheid wird festgestellt, der
Beschwerdeführer habe für möglich gehalten und zumindest in Kauf genommen,
dass die Ausländerinnen über keine Arbeitsbewilligung verfügten bzw. sich
illegal in der Schweiz aufhielten und habe sie dennoch beschäftigt und
beherbergt. Die Vorinstanz begründet ihre Annahme namentlich mit den
einschlägigen Erfahrungen des Beschwerdeführers im Milieu und seiner früheren
Verurteilung wegen Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG und Art. 23 Abs. 4 ANAG bei
gleicher Sachverhaltskonstellation (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 18.
Februar 2003, 1P.566/2002). Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz ohne
Bundesrecht zu verletzen von einer eventualvorsätzlichen Tatbegehung ausgehen
dürfen.

4.3 Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer auf Rechtsirrtum. Wer bei
Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig
verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das
Gericht die Strafe (Art. 21 StGB). Nach der bisherigen Rechtsprechung zu Art.
20 aStGB liegt ein Rechtsirrtum nicht schon vor, wenn der Täter sein
Verhalten bloss für straflos hält, sondern nur, wenn er meint, kein Unrecht
zu tun (BGE 104 IV 217 E. 2; 98 IV 303). Der Beschwerdeführer hat
Ausländerinnen in seinem Etablissement der Prostitution nachgehen lassen und
sie dort beherbergt, ohne sich zu vergewissern, ob diese über die
erforderlichen Bewilligungen verfügen. Nachdem ihn das Bezirksgericht Baden
am 16. Januar 2002 in einer anderen Angelegenheit aufgrund gleichgelagerter
Sachverhaltsumstände bereits wegen Art. 23 Abs. 1 al. 5 und Art. 23 Abs. 4
ANAG schuldig gesprochen hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar
2003, 1P.566/2002), hatte der Beschwerdeführer zur Zeit der inkriminierten
Taten jedenfalls keine zureichenden Gründe für die Annahme, er tue nichts
Unrechtes. Daran vermag auch der von ihm angerufene publizierte Entscheid des
Bundesgerichts vom 29. April 2002 nichts zu ändern (BGE 128 IV 117 E. 9).
Denn selbst unter Zugrundelegung dieses inzwischen berichtigten Entscheids
(vgl. BGE 131 IV 174) hätte sich der Beschwerdeführer nach Art. 23 Abs. 1 al.
5 StGB strafbar gemacht, da die von ihm beherbergten mindestens zwei
Ausländerinnen aus der Dominikanischen Republik ohne das erforderliche Visum
in die Schweiz einreisten, was ihren Aufenthalt hier von Anfang an
rechtswidrig machte (angefochtenes Urteil, S. 2 und 9 mit Verweis auf die
erstinstanzlichen Ausführungen E. 3.4.4, zweiter und letzter Absatz). Daraus
folgt, dass jedenfalls nicht die vermeintliche Rechtslage für den
Beschwerdeführer handlungsbestimmend war.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill