Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.498/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_498/2007, 6B_499/2007, 6B_500/2007, 6B_501/2007/bri

Sitzung vom 3. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Favre, Mathys,
Gerichtsschreiber Näf.

Parteien
6B_498/2007
1. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner,

6B_499/2007
2. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner,

6B_500/2007
3. C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Andermatt,

6B_501/2007
4. D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Andermatt,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nötigung (Art. 181 StGB),

Beschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
2. Kammer, vom 25. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 4. November 2002 führte die (damalige) Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI)
einen nationalen Streiktag der Bauarbeiter durch. Dabei ging es um die
Durchsetzung des flexiblen Altersrücktritts im Bauhauptgewerbe ab dem 60.
Altersjahr. Zum Abschluss des Streiktages fanden an verschiedenen Orten, unter
anderem in Genf, Bern und Buchs/SG, Schlusskundgebungen statt. Eine
Schlussdemonstration wurde unter der Organisation der GBI auch auf der Autobahn
A1 durchgeführt. Dabei wurden mit insgesamt zirka 30 Autobussen und zahlreichen
Personenwagen von rund 2000 Demonstranten in der Zeit von 14.50 bis 16.10 Uhr
die beiden Tunnelröhren des Bareggtunnels beidseitig, am Ost- und am
Westportal, blockiert. Als Folge dieser nicht im Voraus angekündigten
Blockadeaktion kam der Verkehr vollständig zum Erliegen. Es bildeten sich auf
der Autobahn A1 am Baregg-Ostportal auf der Fahrbahn Richtung Bern und am
Baregg-Westportal auf der Fahrbahn Richtung Zürich sowie auf der A3 Richtung
Zürich Staus, die um zirka 16.45 Uhr Längen von rund 10, 9 respektive 3
Kilometern erreichten und sich erst um 19.15 Uhr respektive um 17.47 Uhr
beziehungsweise um 17.43 Uhr auflösten. Die Ausweichrouten auf den
Kantonsstrassen waren überlastet, und die Rettungsachsen für Sanität, Feuerwehr
und Polizei waren abgeriegelt.

B.
B.a Der Präsident 3 des Bezirksgerichts Baden verurteilte A.________,
B.________, C.________ und D.________ am 22. August 2006 wegen Nötigung im
Sinne von Art. 181 StGB zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von 14 Tagen
und zu Bussen von 500 Franken. Die Verurteilten waren als Mitglieder der
Geschäftsleitung der GBI massgeblich an der Planung und Vorbereitung der Aktion
am Bareggtunnel beteiligt und, mit Ausnahme von C.________, auch an der Aktion
selbst vor Ort anwesend.

Vom Vorwurf der Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB) wurden die
vier Angeklagten freigesprochen. Das Verfahren wegen Verletzung von
Verkehrsregeln durch Behinderung und Gefährdung des Verkehrs durch
Abstellenlassen von Fahrzeugen auf der Fahrbahn einer Autobahn sowie durch das
Betreten der Autobahn als Fussgänger wurde eingestellt. Der Freispruch vom
Vorwurf der Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB) wurde von der
ersten Instanz damit begründet, dass zwar der objektive, nicht aber der
subjektive Tatbestand erfüllt sei. Die Angeklagten hätten glaubhaft versichert,
dass das Organisationskomitee im Rahmen seiner Möglichkeiten alles unternommen
habe, um Unfälle zu verhindern. Damit fehle es an dem gemäss Art. 237 Ziff. 1
StGB ("... wissentlich...") erforderlichen direkten Vorsatz der konkreten
Gefährdung mindestens eines Menschen. Ob allenfalls fahrlässige Störung des
öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) vorliege, hat die erste Instanz -
möglicherweise mangels einer entsprechenden Anklage - nicht geprüft. Das
Verfahren gegen die vier Angeklagten wegen Verletzung von Verkehrsregeln wurde
von der ersten Instanz mit der Begründung eingestellt, es liege keine grobe
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG vor, da die
Angeklagten alles ihnen mögliche unternommen hätten, um Unfälle zu verhindern.
Somit liege lediglich eine einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art.
90 Ziff. 1 SVG vor, die aber als Übertretung verjährt sei.
B.b Die Verurteilten erhoben Berufung und beantragten darin ihre Freisprechung
vom Vorwurf der Nötigung.

Das Obergericht des Kantons Aargau wies mit Urteilen vom 25. Mai 2007 die
Berufungen ab. Es änderte von Amtes wegen den erstinstanzlichen Entscheid im
Strafpunkt, indem es die vier Angeklagten in Anwendung des am 1. Januar 2007 in
Kraft getretenen neuen, milderen Rechts zu bedingten Geldstrafen von 14
Tagessätzen und zu Bussen von 500 Franken verurteilte, wobei die Tagessätze auf
200, 125, 190 respektive 250 Franken festgesetzt wurden.

C.
Die Verurteilten führen Beschwerden an das Bundesgericht mit den Anträgen, der
Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und sie seien von Schuld und Strafe
freizusprechen.

D.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben unter
Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführer fechten einzig den Schuldspruch an, und ihre Beschwerden
sind inhaltlich identisch. Daher rechtfertigt es sich, entsprechend ihren
Anträgen die Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht zu vereinigen (vgl. Art.
24 BZP i.V.m. Art. 71 BGG; BGE 113 Ia 390 E. 1 mit Hinweisen).

2.
Die Beschwerdeführer bezeichnen ihre Eingabe an das Bundesgericht ohne nähere
Präzisierung als "Beschwerde". Es handelt sich dabei offensichtlich um eine
Beschwerde in Strafsachen im Sinne von Art. 78 ff. BGG. Auf die Beschwerde in
Strafsachen kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie in Berücksichtigung
des Fristenstillstands (Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in
ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von der letzten kantonalen
Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
78 Abs. 1 BGG) richtet. Die Beschwerdeführer rügen, ihre Verurteilung wegen
Nötigung verletze Art. 181 StGB und verstosse gegen das Streikrecht (Art. 28
Abs. 3 BV, Art. 8 Abs. 1 lit. d UNO-Pakt I) sowie die Versammlungsfreiheit
(Art. 22 BV, Art. 11 EMRK, § 17 KV/AG). Diese Rügen der Verletzung von
Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten sind
zulässig (Art. 95 lit. a - c BGG).

3.
3.1 Die Vorinstanz geht im angefochtenen Urteil davon aus, dass im Zeitpunkt
der Aktion zwischen dem Schweizerischen Baumeisterverband und der Gewerkschaft
Bau und Industrie kein Gesamtarbeitsvertrag in Kraft war und daher keine
Friedenspflicht im Sinne von Art. 357a OR bestand, weshalb sich die
Beschwerdeführer bezüglich des Streiktages grundsätzlich auf das Streikrecht
gemäss Art. 28 Abs. 3 BV berufen können (angefochtenes Urteil S. 15 f. E.
6.3.3.1). Vorliegend gehe es indessen einzig um die strafrechtliche Beurteilung
der Schlussdemonstration am Bareggtunnel und damit lediglich um einen Teil des
Streiktages. Aus dessen Verfassungsmässigkeit ergebe sich nicht automatisch die
Rechtmässigkeit beziehungsweise der Ausschluss der Rechtswidrigkeit der
Nötigung in Bezug auf die Schlusskundgebung am Bareggtunnel. Die Legalität des
Arbeitskampfes sei kein Freibrief für alle möglichen Handlungen. Massgebend sei
die Art und Weise, wie der Arbeitskampf geführt werde. So sei ohne Zweifel
beispielsweise eine Brandstiftung am Gebäude eines Arbeitgebers im Namen eines
Arbeitskampfes nicht tolerierbar und vom Schutzbereich des verfassungsmässigen
Rechts klarerweise nicht erfasst. Auch verfassungsmässig garantierte Rechte
unterlägen bekanntermassen gewissen Beschränkungen (angefochtenes Urteil S. 16,
E. 6.3.3.2). Die Vorinstanz hält sodann fest, die Beschwerdeführer hätten es in
erster Linie darauf angelegt, den Verkehr am wichtigen Nadelöhr Baregg zu
blockieren, was auch gelungen sei. Sie hätten von Anfang an beabsichtigt,
unbeteiligte Dritte zu treffen. Davon hätten sie sich - zu Recht - eine grosse
Medienwirksamkeit erhofft. Die Beschwerdeführer seien aber nicht dazu
berechtigt gewesen, mitten auf der Autobahn anzuhalten und den Verkehr
vollständig zu blockieren. Das angewandte Mittel sei in diesem Sinne
rechtswidrig gewesen (angefochtenes Urteil S. 17 f. E. 6.3.3.3). Den
Beschwerdeführern sei es primär um den öffentlichen Aufruhr durch die
Totalblockade gegangen. Sie hätten die Menschen im Stau - ähnlich wie die
Beschuldigten im BGE 119 IV 301 zugrunde liegenden Fall - bloss als Marionetten
für eine Medieninszenierung missbraucht. Es sei den Beschwerdeführern mit
dieser Aktion gar nicht oder mindestens nicht hauptsächlich darum gegangen, vor
Ort inhaltliche Diskussionen zu führen, sondern sie hätten vor allem den
öffentlichen Aufruhr gewollt. Für eine öffentliche Debatte hätten aber im
Rahmen des nationalen Streiktages zahlreiche andere Möglichkeiten bestanden. So
hätten etwa bei einer Aktion am Bareggtunnel Transparente über den
Tunneleinfahrten oder neben der Autobahn angebracht werden können. Dadurch
wären nicht zahlreiche Menschen über Stunden ihrer Fortbewegungsfreiheit
beraubt worden. Auch ohne die fragliche Aktion wäre es möglich gewesen,
genügend Druck auf die Arbeitgeber auszuüben und die Öffentlichkeit auf die
Anliegen der streikenden Bauarbeiter aufmerksam zu machen. In den Medien sei
denn auch landesweit über den nationalen Streiktag insgesamt und keineswegs
einzig beziehungsweise vorrangig über die Blockade am Bareggtunnel berichtet
worden. Dass die kurze Zeit nach dem Streiktag zustande gekommene Einigung
zwischen dem Schweizerischen Baumeisterverband und der Gewerkschaft Bau und
Industrie massgeblich auf die fragliche Blockadeaktion zurückzuführen sei,
erscheine mehr als zweifelhaft. Doch sei dies für die Beurteilung der
Rechtswidrigkeit der Aktion unerheblich, da die Eignung eines Mittels für einen
bestimmten Zweck nicht zugleich auch dessen Rechtmässigkeit begründe. Im
Übrigen sei im Zeitpunkt des Streiktages die Einführung des flexiblen
Altersrücktritts ab 60 Jahren im Bauhauptgewerbe im Grundsatz unbestritten
gewesen; streitig seien nur ihr Zeitpunkt sowie einige Details gewesen. Aus
allen diesen Gründen sei die Blockadeaktion am Bareggtunnel auch
unverhältnismässig gewesen (angefochtenes Urteil S. 18 f. E. 6.3.3.4). Gemäss
den weiteren Erwägungen der Vorinstanz ist der aussergesetzliche
Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen nicht gegeben. Dessen
Voraussetzungen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung seien nicht
erfüllt. Das ultimative Mittel der Blockade eines der wichtigsten
Verkehrspunkte der Schweiz sei zur Erreichung eines berechtigten Ziels weder
notwendig noch der einzig mögliche Weg gewesen. Man hätte sich auf weniger
einschneidende Weise ebenfalls wirksam Gehör verschaffen können (angefochtenes
Urteil S. 23 E. 6.3.4).

3.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz stelle mit ihrem
"Verhältnismässigkeitsprüfungsgemisch" die Verhältnisse auf den Kopf. Nicht die
Wahrnehmung des Rechts habe verhältnismässig zu sein, sondern der Eingriff in
die Rechtsausübung. Allenfalls wäre eine übermässige Schädigung oder
Vernichtung des Arbeitskampfgegners unzulässig. Die gewerkschaftlichen Aktionen
vom 4. November 2002 seien so spektakulär wie nötig und so beschränkt wie
möglich, somit verhältnismässig (und erfolgreich) gewesen (Beschwerde S. 6, 7).
Alle Voraussetzungen für einen zulässigen Streik nach Art. 28 Abs. 3 BV seien
erfüllt gewesen, was ausdrücklich festzuhalten sei. Streik sei immer Ausübung
von Druck. Diese Druckausübung auf den Arbeitskampfgegner sei verfassungsmässig
als zulässig garantiert. Streik sei diesbezüglich keine Nötigung, der
Arbeitskampf sei "keine Sonntagsschule". Jeder grössere "Arbeitsaufstand" sei
mit Versammlungen und "Volksaufläufen" verbunden. Diese gehörten
notwendigerweise zum Streik und seien daher wie dieser verfassungsmässig
geschützt und somit nicht rechtswidrig (Beschwerde S. 8). Der Streik sei ein
öffentliches Kampfmittel. Nicht nur werde die Arbeit niedergelegt, sondern
gleichzeitig regelmässig in der Öffentlichkeit über die Anliegen der
Streikenden informiert und um Sympathie geworben. Gegen die öffentliche Meinung
sei ein Arbeitsausstand in einer grossen Branche nicht erfolgreich
durchzuführen. Demonstrationen, Kundgebungen und "weitere Aktionen" gehörten -
wie auch die Geschichte zeige - zum Arbeitskampf. Dritte hätten Belästigungen
hinzunehmen. Die Streikgarantie in der Verfassung umfasse auch derartige
Aktionen (Beschwerde S. 9). Die Beschwerdeführer machen im Weiteren geltend,
die durch Art. 181 StGB geschützte Freiheit sei relativ. Nur wenn die durch die
inkriminierte Handlung angeblich beschränkte Freiheit überhaupt rechtlich
garantiert sei und dann noch vorgehe, sei Nötigung zu prüfen. Welche
begründeten Ansprüche Automobilisten auf immer währende freie Fahrt hätten und
weshalb deren Willensbetätigung unter Art. 181 StGB besser geschützt sei als
diejenige der Arbeitgeber, sei nicht ersichtlich (Beschwerde S. 9). Ein
Anspruch auf ungehinderte freie und flüssige Fahrt bestehe nicht. Verkehrsstaus
seien üblich und kämen aus den verschiedensten Gründen vor. Die
Verkehrsteilnehmer seien stauerprobt. Gerade auch am Bareggtunnel sei es vor
der Fertigstellung der dritten Röhre regelmässig zu Staus gekommen. Nach
wichtigen Fussballspielen verursachten die Anhänger der siegreichen Mannschaft
durch Fahrzeugumzüge häufig Verkehrszusammenbrüche, was vom Publikum und von
der Polizei toleriert werde. Auch die durch die Aktion am Bareggtunnel
entstandenen Staus seien von den Betroffenen offensichtlich toleriert worden,
was sich unter anderem daraus ergebe, dass kein Verkehrsteilnehmer
Zivilforderungen anhängig gemacht habe (Beschwerde S. 9 f.). In Anbetracht des
Streikrechts gemäss Art. 28 Abs. 3 BV oblägen Art und Durchführung von
Arbeitskampfmassnahmen autonom allein den Gewerkschaften. Die Aktionen seien
arbeitskampfrechtlich nicht justiziabel, sondern verfassungsmässig garantiert
(Beschwerde S. 10/11). Die Vorinstanz unterstelle, es sei ausschliesslich um
eine Verkehrsblockade am Bareggtunnel gegangen. Die Sperrung des Tunnels sei
aber das Ergebnis der grossen Versammlung der Bauarbeiter an einer grossen
Baustelle gewesen, welche die Gewerkschaft für ihre Schlusskundgebung
ausgewählt habe und auch habe auswählen dürfen (Beschwerde S. 11). Der
vorinstanzliche Hinweis auf BGE 119 IV 301 betreffend den Missbrauch von
Verkehrsteilnehmern als Marionetten für eine Medieninszenierung gehe fehl. Die
Vorinstanz verkenne einen massgeblichen Unterschied. Bei der in BGE 119 IV 301
beurteilten Aktion habe kein Zusammenhang zu den wartenden Automobilisten
bestanden. Demgegenüber sei am Baregg den Verkehrsteilnehmern und dem Publikum
demonstriert worden, dass ohne die harte Schichtarbeit von Bauarbeitern und
Mineuren keine Autobahntunnels gebaut werden können. Es sei auch darum
gegangen, der Öffentlichkeit zu zeigen, welche für sie wichtigen Tätigkeiten
die Bauarbeiter verrichten. Der Kontext von Tunnelbau, Bauarbeitern und
vorzeitiger Pensionierung habe am 4. November 2002 am dafür symbolischen Baregg
auf der Hand gelegen (Beschwerde S. 11).

4.
Gemäss Art. 181 StGB wird wegen Nötigung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung
ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit
nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.

4.1 Die in der Rechtsprechung als "gefährlich weit" bezeichnete
Tatbestandsvariante der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" in Art.
181 StGB ist aus rechtsstaatlichen Gründen restriktiv auszulegen (BGE 119 IV
301 E. 2a; 107 IV 113 E. 3b). Das Zwangsmittel der "anderen Beschränkung der
Handlungsfreiheit" muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise
geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie
es für die im Gesetz ausdrücklich genannten Zwangsmittel der Gewalt und der
Androhung ernstlicher Nachteile gilt (BGE 129 IV 6 E. 2.1; 119 IV 301 E. 2a mit
Hinweisen).

Die weite Umschreibung des Nötigungstatbestands von Art. 181 StGB hat zur
Folge, dass nicht jedes tatbestandsmässige Verhalten bei Fehlen von
Rechtfertigungsgründen auch rechtswidrig ist. Vielmehr bedarf die
Rechtswidrigkeit bei Art. 181 StGB einer zusätzlichen, besonderen Begründung.
Eine Nötigung ist unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist
oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht
oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem
erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 129 IV 6 E.
3.4; 119 IV 301 E. 2b; 108 IV 165 E. 3, je mit Hinweisen). Bei der Beurteilung
der Rechtswidrigkeit ist den verfassungsmässigen Rechten der Beteiligten
Rechnung zu tragen (BGE 129 IV 6 E. 3.4 mit Hinweisen).

4.2 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich schon verschiedentlich mit
Blockadeaktionen unter dem Gesichtspunkt der Nötigung befassen müssen. BGE 108
IV 165 betraf den Fall der Bildung eines sog. "Menschenteppichs" durch 24
Demonstranten vor dem Zugang zu einer militärischen Ausstellung, wodurch
während ca. 15 Minuten die Wegfahrt eines Motorfahrzeugs verhindert worden war.
In BGE 119 IV 301 ging es um drei Personen, welche an einem Bahnübergang ein
Transparent gegen den Golfkrieg aufgestellt und zur Unterstützung der Aktion
die geschlossenen Bahnschranken manipuliert hatten, so dass diese bis zum
Einschreiten der Polizei nicht geöffnet werden konnten, wodurch der
Strassenverkehr während zehn Minuten aufgehalten worden war. Das Urteil 6S.671/
1998 vom 11. Dezember 1998 betraf den Fall von Aktivisten, welche aus Protest
gegen die Planung eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle während etwa
anderthalb Stunden, bis zum Eintreffen der Polizei, den Haupteingang zum
Verwaltungsgebäude einer Kraftwerkgesellschaft blockiert hatten. In BGE 129 IV
6 ging es um Aktivisten, die an mehreren Tagen die Zufahrten beziehungsweise
die Werksgeleise zu verschiedenen Kernkraftwerken blockiert hatten, um gegen
den Transport von nuklearen Brennelementen zum Zwecke der Wiederaufbereitung zu
protestieren. In allen diesen Fällen hat das Bundesgericht Nötigung bejaht und
damit die letztinstanzlichen kantonalen Schuldsprüche bestätigt.

Aktionen und Bummelfahrten auf Autobahnen wurden vom Bundesgericht (in
Bestätigung der letztinstanzlichen kantonalen Entscheide) auch schon als grobe
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG (BGE 111 IV 167; 120
Ib 285) beziehungsweise als (fahrlässige) Störung des öffentlichen Verkehrs
gemäss Art. 237 StGB (Urteil 6S.312/2003 vom 1. Oktober 2003) qualifiziert,
wobei aus prozessualen Gründen nicht zu prüfen war, ob allenfalls (auch)
Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB hätte vorliegen können.

4.3 Die Rechtsprechung zur Nötigung durch Blockadeaktionen findet in der Lehre
teilweise, zumindest im Ergebnis, Zustimmung und stösst teilweise auf Ablehnung
(siehe etwa betreffend BGE 108 IV 165 zustimmend Hans Schultz, ZBJV 120/1984 S.
13; ablehnend Niccolò Raselli, Menschenteppich: Grundrecht oder Nötigung?
Plädoyer 6/1990 S. 44 ff.; betreffend BGE 119 IV 301 grundsätzlich zustimmend
Marcel A. Niggli, AJP 1994 S. 518 ff.; ablehnend Marc Spescha, Nötigung gemäss
Art. 181 StGB - Maulkorb für Politisches?, Plädoyer 6/1994 S. 30 ff.;
betreffend BGE 129 IV 6 teilweise zustimmend Guido Jenny, ZBJV 141/2005 S. 369
f.). Die kritischen Stimmen beanstanden, dass sich das Bundesgericht zwar
verbal zur restriktiven sowie zur verfassungskonformen Auslegung von Art. 181
StGB bekennt, in Wahrheit aber den Tatbestand nicht einschränkend auslegt und
die in Betracht fallenden Grundrechte der Beteiligten nicht in der gebotenen
Weise berücksichtigt (statt vieler Jonas Peter Weber/René Wiederkehr, AJP 2003
S. 432 ff., 433, 435). Es wird unter anderem die Auffassung vertreten, Art. 181
StGB schütze bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht jede
(erlaubte) Handlung, welche ein Mensch nach seinem freien Willen vornehmen
will, sondern nur grundrechtlich geschützte Handlungen (Weber/Wiederkehr,
a.a.O., S. 434). Es wird darauf hingewiesen, dass unter den
Kommunikationsbedingungen in der heutigen informationsgesättigten Gesellschaft
das Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit vielfach auf verstärkende
Begleitumstände angewiesen sei, um sich im öffentlichen Raum überhaupt noch
wirksam entfalten zu können (Marc Spescha, a.a.O., S. 33).
4.4
4.4.1 Beim Tatbestand der Nötigung gemäss Art. 181 StGB sind die Gewalt, die
Androhung ernstlicher Nachteile und die andere Beschränkung der
Handlungsfreiheit die Nötigungsmittel. Das Verhalten, zu dem der Betroffene
durch den Einsatz eines solchen Mittels genötigt wird, d.h. etwas zu tun, zu
unterlassen oder zu dulden, ist im strafrechtlichen Sinne der Nötigungszweck.
Von diesem Nötigungszweck ist das Fernziel der Nötigung zu unterscheiden.
Insbesondere Verkehrsblockaden werden in der Regel, aber nicht
notwendigerweise, im Hinblick auf ein Fernziel veranstaltet. Die Blockade wird
durchgeführt, um auf dieses Fernziel hinzuweisen und ihm allenfalls näher zu
kommen; darin liegt das Motiv der Täter für die Aktion. Das Fernziel und das
Motiv sind im Unterschied zum Nötigungsmittel und zum Nötigungszweck keine
Elemente des Tatbestands der Nötigung.
4.4.2 Im vorliegenden Fall wurden im Rahmen der von den Beschwerdeführern
geplanten, vorbereiteten und organisierten Aktion zirka 30 Busse und zahlreiche
weitere Motorfahrzeuge auf der Fahrbahn der Autobahn abgestellt und auf diese
Weise ein Hindernis errichtet. Dies ist das Nötigungsmittel. Durch die
Errichtung des Hindernisses wurden die übrigen Verkehrsteilnehmer genötigt,
etwas zu tun, zu dulden und zu unterlassen, nämlich anzuhalten, zu warten und
nicht weiterzufahren. Dies ist im strafrechtlichen Sinne der Nötigungszweck.
Die Blockadeaktion wurde im Hinblick auf die Forderung nach der Einführung
eines flexiblen Altersrücktritts ab dem 60. Altersjahr durchgeführt. Dies ist
nicht der Nötigungszweck im strafrechtlichen Sinne. Die betroffenen
Verkehrsteilnehmer wurden nicht zur Einführung des flexiblen Altersrücktritts,
sondern zum Anhalten und Warten genötigt. Die geforderte Einführung des
flexiblen Altersrücktritts ist im vorliegenden Fall das Fernziel der Nötigung.
Die Blockadeaktion wurde von den Beschwerdeführern organisiert, um auf dieses
Fernziel aufmerksam zu machen und ihm allenfalls etwas näher zu kommen. Darin
liegt das Tatmotiv der Beschwerdeführer.
4.4.3 Geschütztes Rechtsgut von Art. 181 StGB ist nach der Rechtsprechung die
Handlungsfreiheit beziehungsweise die Freiheit der Willensbildung und
Willensbetätigung des Einzelnen (BGE 129 IV 6 E. 2.1 mit Hinweisen). Diese
Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung ist strafrechtlich unabhängig
von der Art der (legalen) Tätigkeit geschützt, welche der Betroffene nach
seinem frei gebildeten Willen verrichten will. Geschützt ist damit auch die
Freiheit des Einzelnen, den Willen der automobilen Fortbewegung zu betätigen.
Durch die inkriminierte Aktion wurden indessen die Verkehrsteilnehmer für die
Dauer von anderthalb Stunden und mehr nicht allein an dieser Fortbewegung,
sondern vielmehr auch daran gehindert, ihren vielfältigen Verpflichtungen
namentlich auch beruflicher Art nachzugehen.
4.4.4 Allerdings kommt es auf den schweizerischen Strassen täglich aus
verschiedenen Gründen zu Verkehrsbehinderungen und Staus. Solche können zum
einen etwa wegen Verkehrsüberlastung, Baustellen, Unfällen und besonders hohem
Verkehrsaufkommen bei Grossveranstaltungen entstehen. Zum andern kommt es in
jüngerer Zeit vermehrt nach Sportveranstaltungen, namentlich nach wichtigen
Fussballspielen, zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, weil die Anhänger der
siegreichen Mannschaft spontan gleichzeitig in grosser Zahl mit ihren
Fahrzeugen etwa in den Innenstädten umherfahren und dabei gelegentlich auch
anhalten, um mit den Insassen von anderen Fahrzeugen ihre Freude auszutauschen.
Im erstgenannten Fall ist der Tatbestand der Nötigung offensichtlich schon
deshalb nicht erfüllt, weil es keinen Täter gibt. Im zweitgenannten Fall
handeln die feiernden Anhänger der siegreichen Mannschaft zwar mit Wissen und
Willen, aber nicht zum Zweck, die andern Verkehrsteilnehmer zu behindern. Das
Verhalten der feiernden Anhänger lässt sich nicht als ein bewusst eingesetztes
Mittel zum Zwecke der Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer verstehen. Davon
unterscheidet sich der inkriminierte Fall wesentlich. Die Beschwerdeführer
verfolgten mit der von ihnen geplanten, vorbereiteten und organisierten Aktion
den Zweck, einen Verkehrsstau zu provozieren. Damit sollte nach den
Vorstellungen der Beschwerdeführer unter anderem dargestellt werden, wie
wichtig die Autobahntunnels und damit die Bauarbeiter sind, deren Tätigkeit im
Tunnelbau besonders anstrengend ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass
einzig gegen die für die Planung, Vorbereitung und Organisation der
Blockadeaktion verantwortlichen Gewerkschaftsfunktionäre Strafverfahren
eröffnet wurden. Gegen die zahlreichen Bauarbeiter und anderen Personen, die in
den von der Gewerkschaft gemieteten Bussen sowie in ihren privaten Fahrzeugen
an der Aktion teilnahmen, wurden keine Strafverfahren eingeleitet.
4.4.5 Die Beschwerdeführer haben somit durch die von ihnen verantwortete Aktion
den Tatbestand der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB erfüllt.

4.5 Die Blockadeaktion dauerte von 14.50 bis 16.10 Uhr. Sie war nicht im Voraus
angekündigt worden. Infolge der Aktion kam der Verkehr auf den im fraglichen
Abschnitt ohnehin stark verkehrsbelasteten Autobahnen A1 und A3 vollständig zum
Erliegen. Es bildeten sich Staus von maximal zehn Kilometern Länge, die sich
teilweise erst nach 19.00 Uhr auflösten. Die Verkehrsteilnehmer hatten auf der
Autobahn keine Möglichkeit, auszuweichen oder zu wenden. Die von der Aktion
betroffenen Menschen waren für die von den Beschwerdeführern beklagten
Missstände weder verantwortlich noch konnten sie etwas zu deren Beseitigung
beitragen. Es ging nicht darum, die Bevölkerung aufzurütteln, um etwa auf ein
erhebliches Fehlverhalten staatlicher Organe hinzuweisen. Die Aktion war nicht
ein Akt des zivilen Ungehorsams. Es ging einzig um die von einer Gewerkschaft
definierten Interessen einer bestimmten Berufsgruppe. In Anbetracht dieser
Umstände sind das Nötigungsmittel und der Nötigungszweck unrechtmässig.

Daran ändert die gebotene Berücksichtigung der hier in Betracht zu ziehenden
verfassungsmässigen Rechte der Beteiligten, nämlich des Streikrechts, der
Versammlungsfreiheit und der Meinungsäusserungsfreiheit, aus nachstehenden
Gründen (siehe E. 5) nichts.

5.
5.1 Gemäss Art. 28 Abs. 3 BV sind Streik und Aussperrung zulässig, wenn sie
Arbeitsbeziehungen betreffen und wenn keine Verpflichtungen entgegenstehen, den
Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen. Nach Art. 8
Abs. 1 lit. d UNO-Pakt I (SR 0.103.1) verpflichten sich die Vertragsstaaten zur
Gewährleistung des Streikrechts, soweit es in Übereinstimmung mit der
innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird.
5.1.1 Streik ist die kollektive Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung
zum Zwecke der Durchsetzung von Forderungen nach bestimmten Arbeitsbedingungen
gegenüber einem oder mehreren Arbeitgebern (BGE 125 III 277 E. 3a). Ein Streik
ist rechtmässig, wenn er von einer tariffähigen Organisation getragen ist,
durch Gesamtarbeitsvertrag regelbare Ziele verfolgt, nicht gegen die
Friedenspflicht verstösst und verhältnismässig ist (BGE 125 III 277 E. 3b; 132
III 122 E. 4.4; Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November
1996, BBl 1997 I 1 ff., 179 f.). Ein Streik wirkt sich nicht nur auf die
Arbeitgeber, gegen die er sich richtet, sondern in mehr oder weniger
ausgeprägtem Umfang auch auf Dritte aus. Das Ausmass dieser Auswirkungen hängt
unter anderem davon ab, welcher Branche die Streikenden angehören. Ein Streik
von Lokomotivführern beispielsweise wirkt sich sofort und in erheblichem
Ausmass auch auf beliebige Dritte aus. Demgegenüber hat ein Streik von
Bauarbeitern für Dritte weniger unmittelbar einschneidende Auswirkungen.

Im Rahmen von Streiks werden in der Regel, aber nicht notwendigerweise auch
Kundgebungen und Demonstrationen durchgeführt, die meist auf öffentlichem Grund
stattfinden. Diese haben unter anderem den Zweck, eine breitere Öffentlichkeit
über die Gründe und Ziele des Streiks zu informieren und auf diesem Wege auch
Verständnis und gar Sympathie für die Anliegen der Streikenden zu gewinnen,
wodurch zusätzlicher Druck auf den Arbeitskampfgegner, d.h. die Arbeitgeber,
ausgeübt werden kann.

Durch Demonstrationen im öffentlichen Raum werden Dritte, insbesondere
Verkehrsteilnehmer, in mehr oder weniger ausgeprägtem Umfang behindert, wobei
das Ausmass der Behinderung unter anderem vom Ort der Demonstration abhängt. Es
ist naheliegend, dass Kundgebungen im Rahmen von Streiks an Orten durchgeführt
werden, zu denen die Streikenden einen bestimmten Bezug haben. Es ist daher
nachvollziehbar, dass Demonstrationen von streikenden Bauarbeitern gerade in
Baustellenbereichen oder in deren Nähe stattfinden, weil hier der Zusammenhang
mit dem Streikzweck auch für unbeteiligte Dritte sinnfällig zum Ausdruck kommt.
Die daraus für Dritte resultierenden Behinderungen sind grundsätzlich
hinzunehmen und in der Regel nicht als Nötigung strafbar.
5.1.2 Es kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführer keine Rede davon sein,
dass "die Aktionen", welche eine Gewerkschaft im Rahmen eines rechtmässigen
Streiks "autonom" beschliesst und durchführt, "verfassungsmässig garantiert"
und somit rechtmässig sind. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob eine bei
Gelegenheit eines rechtmässigen Streiks ergriffene Massnahme überhaupt ein
Mittel des Arbeitskampfes und gegebenenfalls verhältnismässig und rechtmässig
ist. So ist es etwa im Rahmen eines rechtmässigen Streiks den Streikposten
erlaubt, arbeitswillige Arbeitnehmer auf friedliche Weise davon zu überzeugen
zu versuchen, nicht zur Arbeit zu gehen (sog. "peaceful picketing"). Es ist den
Streikposten aber auch im Rahmen eines rechtmässigen Streiks nicht gestattet,
arbeitswilligen Arbeitnehmern, die sich nicht überzeugen lassen, den Zutritt
zur Arbeit zu versperren (siehe BGE 132 III 122 E. 4.5.4 mit Hinweisen). Somit
sind selbst die im Rahmen eines rechtmässigen Streiks gegen den
Arbeitskampfgegner gerichteten Massnahmen nur rechtmässig, wenn sie
verhältnismässig sind. Die Blockadeaktion am Bareggtunnel war nicht gegen den
Arbeitskampfgegner, sondern gegen unbeteiligte Dritte gerichtet, die im Übrigen
nichts zur Erfüllung der Forderung nach einem flexiblen Altersrücktritt
beitragen konnten. Die Blockadeaktion stellt daher keine Arbeitskampfmassnahme
dar, die unter der gebotenen Berücksichtigung des verfassungsmässigen
Streikrechts rechtmässig sein könnte.

5.2 Gemäss Art. 22 BV ist die Versammlungsfreiheit gewährleistet. Jede Person
hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen
oder Versammlungen fernzubleiben. Die Versammlungsfreiheit wird auch in § 17
Abs. 1 KV/AG gewährleistet.
5.2.1 Die von den Beschwerdeführern zu verantwortende Aktion am Bareggtunnel
fand nicht auf dem Areal der Baustelle der dritten Röhre statt. Vielmehr wurde
zielgerichtet der Verkehr auf den Fahrbahnen am Ost- und am Westportal der
beiden bestehenden Tunnelröhren unter Einsatz von rund 30 eigens zu diesem
Zweck gemieteten Bussen und durch weitere Motorfahrzeuge von insgesamt etwa
2000 Personen blockiert. Was sich am Ort des Geschehens im Einzelnen abspielte,
wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Aus dem angefochtenen
Entscheid geht aber hervor, dass keine Kundgebung in dem Sinne stattfand, dass
vor den Teilnehmenden Ansprachen gehalten wurden. Nach den Aussagen eines
Beschwerdeführers im kantonalen Verfahren sollte die Aktion gemäss Plan
lediglich 30 Minuten dauern. Leider habe sie dann länger gedauert. Die
Organisatoren hätten ihre Kräfte darauf konzentriert, dass sich keine Unfälle
ereigneten. Sie hätten aber zu wenig überlegt, was am Baregg mit den
Bauarbeitern geschehe. Unter den Bauarbeitern habe eine grosse Freude
geherrscht. Sie hätten sich treffen wollen, was dann halt spontan im Tunnel
passiert sei. Damit hätten die Organisatoren nicht gerechnet; dies sei nicht
geplant gewesen. Daher habe das Ganze länger gedauert.
5.2.2 Das Zusammentreffen der Bauarbeiter am und im Bareggtunnel kann
allenfalls auch unter derartigen Umständen als eine Versammlung im weiten
verfassungsrechtlichen Sinne qualifiziert werden. Daraus folgt aber nicht, dass
die Aktion rechtmässig war. Die Behinderung der Verkehrsteilnehmer war nicht
eine von den Beschwerdeführern bloss in Kauf genommene, mehr oder weniger
unvermeidliche Folge einer Versammlung von Bauarbeitern im öffentlichen Raum.
Sie war nach dem Plan der Beschwerdeführer vielmehr die angestrebte Folge einer
gezielten Blockadeaktion, indem durch das Abstellen der zirka 30 gemieteten
Busse und der weiteren Fahrzeuge auf der Autobahn medienwirksam ein
unüberwindliches Hindernis errichtet und dadurch auf dem stark befahrenen
Autobahnabschnitt kilometerlange Staus provoziert wurden. Damit tritt die
allfällige Versammlung der Bauarbeiter im Rahmen der gesamten von den
Beschwerdeführern geplanten und organisierten Aktion in den Hintergrund. Die
Blockade ist daher auch unter der gebotenen Berücksichtigung des Grundrechts
der Versammlungsfreiheit unrechtmässig.

5.3 Gemäss Art. 16 BV ist die Meinungsfreiheit gewährleistet. Jede Person hat
das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu
verbreiten.
5.3.1 Die Beschwerdeführer berufen sich nicht ausdrücklich auf dieses
Grundrecht. Sie machen aber geltend, am Baregg sei den Verkehrsteilnehmern und
dem Publikum demonstriert worden, dass ohne die harte Schichtarbeit von
Bauarbeitern und Mineuren keine Autobahntunnels gebohrt werden. Es sei darum
gegangen, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, welche für sie wichtigen Tätigkeiten
die Bauarbeiter verrichten. Der Kontext von Tunnelbau, Bauarbeitern und
vorzeitiger Pensionierung habe am 4. November 2002 am dafür symbolischen Baregg
auf der Hand gelegen. Mit diesen Ausführungen machen die Beschwerdeführer unter
anderem geltend, dass durch die Aktion den Verkehrsteilnehmern und dem Publikum
respektive der Öffentlichkeit eine Botschaft vermittelt werden sollte. Sie
berufen sich damit implizit auch auf die Meinungsäusserungsfreiheit.
5.3.2 Die meisten im Stau festsitzenden Verkehrsteilnehmer konnten aufgrund
ihrer Entfernung vom Ort des eigentlichen Geschehens weder allfällige Parolen
wahrnehmen noch überhaupt den Grund für den Stau erkennen. Die Blockadeaktion
am Bareggtunnel war - im Unterschied zu anderen am Streiktag durchgeführten
Aktionen - gar nicht geeignet und konnte daher auch nicht bezwecken, Dritte im
öffentlichen Raum über die Anliegen der Streikenden zu informieren. Die in den
Staus festsitzenden Verkehrsteilnehmer waren in ihrer überwiegenden Mehrheit
bloss Statisten für die von den Beschwerdeführern organisierte spektakuläre
Aktion, die im Wesentlichen eine erhöhte Medienaufmerksamkeit für das Anliegen
der Streikenden bezweckte, worauf jedoch kein verfassungsrechtlicher Anspruch
besteht.

6.
Die weiteren Einwände der Beschwerdeführer sind ebenfalls unbegründet.

6.1 Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter
Interessen kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angerufen
werden, wenn die Tat ein notwendiges und angemessenes Mittel ist, um ein
berechtigtes Ziel zu erreichen, die Tat also insoweit den einzigen möglichen
Weg darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, die der
Täter zu wahren sucht (BGE 127 IV 122 E. 5c, 166 E. 2b; 126 IV 236 E. 4b mit
Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Blockadeaktion
war nicht ein notwendiges Mittel und der einzige Weg, um den flexiblen
Altersrücktritt ab 60 Jahren im Bauhauptgewerbe möglichst rasch durchzusetzen.

6.2 Dass andere Schlussdemonstrationen am nationalen Streiktag nicht zu
Verurteilungen geführt haben, weil überhaupt keine Strafverfahren eingeleitet
oder eröffnete Strafverfahren eingestellt beziehungsweise aufgehoben wurden,
ist unerheblich. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig die Aktion
am Bareggtunnel. Diese unterscheidet sich im Übrigen von der in Buchs/SG
durchgeführten Schlussdemonstration unter anderem darin, dass dort tatsächlich
eine Kundgebung stattfand, an welcher Ansprachen vor etwa 500 (zu Fuss)
versammelten Teilnehmern gehalten wurden. Dieser Unterschied ist entgegen einem
Einwand in der Beschwerde keine von der Vorinstanz "fabrizierte Differenz", die
"gestelzt" wirkt. Allerdings fand die Kundgebung in Buchs/SG an einer Baustelle
an einem Verkehrskreisel in der Nähe eines Autobahnzubringers statt, weshalb es
zu einer Blockierung beziehungsweise Behinderung des Verkehrs während zirka 45
Minuten kam. Ob die Strafuntersuchung von der Staatsanwaltschaft des Kantons
St. Gallen zu Recht aufgehoben wurde, ist hier nicht zu prüfen.

6.3 Aus dem Entscheid des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 12. Juni
2003 (Rechtssache C-112/00, Rec. 2003, S. 1-05659) können die Beschwerdeführer
nichts zu ihren Gunsten ableiten. Gegenstand jenes Urteils war eine 30-stündige
Blockade der Brenner-Autobahn durch Umweltschützer und unter anderem die Frage
des Verhältnisses zwischen dem Grundsatz des freien Warenverkehrs und den
Grundrechten der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. Jener Fall
unterscheidet sich vom vorliegenden in tatsächlicher Hinsicht wesentlich unter
anderem darin, dass die Blockade der Brenner-Autobahn bereits rund einen Monat
vorher angekündigt worden war. Demgegenüber wurde die Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens bildende Blockade nicht im Voraus angekündigt und lag
ihr Zweck gerade auch darin, möglichst grosse und damit spektakuläre
Verkehrsstaus zu provozieren.

6.4 Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass keine Zivilklagen eingereicht
worden seien. Auch dies mache deutlich, dass der durch die Aktion bewirkte Stau
von den betroffenen Verkehrsteilnehmern toleriert worden sei. Der Einwand ist
unbehelflich. Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB setzt keinen Schaden voraus.
Im Übrigen kann aus mehreren, ganz unterschiedlichen Gründen von Zivilklagen
abgesehen worden sein.

6.5 Die Beschwerdeführer machen sinngemäss geltend, die Durchführung des
nationalen Streiktages am 4. November 2002 sei eine "ultima ratio" und daher
zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig und verhältnismässig gewesen.
Ob der nationale Streiktag als "ultima ratio" bezeichnet werden kann, ist in
Anbetracht der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz betreffend den
Verlauf der Verhandlungen vor dem 4. November 2002 zweifelhaft. Wie es sich
damit verhält, kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens sind weder der Streik als solcher noch die mehreren am
Streiktag an verschiedenen Orten durchgeführten Kundgebungen. Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens ist allein die von den Beschwerdeführern geplante,
vorbereitete und organisierte Blockadeaktion am Bareggtunnel. Diese Aktion kann
indessen schon deshalb nicht als eine "ultima ratio" dargestellt werden, weil
sie am nationalen Streiktag selbst und somit an dem Tag durchgeführt wurde, an
welchem zur Erreichung des angestrebten Ziels erstmals landesweit gestreikt
worden ist.

6.6 Die Beschwerdeführer behaupten, gerade auch wegen der Aktion am
Bareggtunnel habe wenige Tage später der Arbeitgeberverband eingelenkt. Daraus
ziehen sie den Schluss, dass die Aktion notwendig und verhältnismässig gewesen
sei. Der behauptete Kausalzusammenhang ist gemäss den Ausführungen im
angefochtenen Entscheid mehr als zweifelhaft und nach der zutreffenden
Auffassung der Vorinstanz jedenfalls rechtlich unerheblich. Eine Straftat, auch
eine Nötigung, wird nicht dadurch rechtmässig, dass die Täter das damit
angestrebte und grundsätzlich nachvollziehbare Fernziel erreichen.

7.
Da die Beschwerden somit abzuweisen sind, haben die Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese sind
auf insgesamt Fr. 4'000.-- zu bestimmen. Die vier Beschwerdeführer haben die
Gerichtskosten zu gleichen Teilen, d.h. je zu Fr. 1'000.--, unter solidarischer
Haftung zu tragen (Art. 66 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerden werden abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 4'000.-- werden zu je einem Viertel den
Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Näf