Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.464/2007
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6B_464/2007 /rom

Urteil vom 12. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Harold Külling,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau.

Honorar der amtlichen Verteidigung,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 26. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte A.________ am 26. April 2007
wegen gewerbsmässigen Betrugs und verschiedener weiterer Delikte zu 4 1/2
Jahren Freiheitsstrafe. Dessen amtlichem Verteidiger, Fürsprecher X.________,
sprach es für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 29'090.75 zu
(Dispositiv-Ziffer 5).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, es "sei Ziff. 5 des
Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2007 aufzuheben,
und es sei die Obergerichtskasse anzuweisen, dem Beschwerdeführer als
amtlichem Verteidiger des Angeklagten das gerichtlich genehmigte Honorar für
die amtliche Verteidigung im Berufungsverfahren von Fr. 40'768.90,
richterliches Ermessen ausdrücklich vorbehalten, zu bezahlen".

C.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid die Kostennote des
Beschwerdeführers, mit welcher er seinen Aufwand als amtlicher Verteidiger im
Berufungsverfahren in Höhe von Fr. 40'768.90 geltend machte (169 Stunden und
20 Minuten à Fr. 220.-- plus Unkosten in Höhe von Fr. 636.-- plus 7,6 %
MwSt), auf Fr. 29'090.75 gekürzt. Es hat erwogen, der geltend gemachte
Zeitaufwand sei zu hoch; insbesondere erscheine der Zeitaufwand für die
Ausarbeitung der 39-seitigen Berufungsschrift von 128 Stunden auch angesichts
der umfangreichen Verfahrensakten und der Vielzahl der Deliktsvorwürfe als
überrissen. Für die Berufung erachte es einen Aufwand von 80 Stunden als
angemessen. Die Bemühungen des Verteidigers im Zusammenhang mit der
Zahnbehandlung seines Mandanten (1 1/2 Stunden) seien nicht im Rahmen seines
amtlichen Mandates zu entschädigen. Insgesamt erscheine ein Aufwand von
maximal 120 Stunden als angemessen.

Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die Kürzung sei willkürlich
erfolgt und unzureichend begründet; dadurch habe es Art. 9 und Art. 29 Abs. 2
BV verletzt.

2.
2.1 Der amtliche Anwalt erfüllt eine staatliche Aufgabe, welche das kantonale
öffentliche Recht regelt. Mit seiner Einsetzung entsteht zwischen ihm und dem
Staat ein besonderes Rechtsverhältnis. Gestützt darauf hat der Anwalt eine
öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Staat auf Entschädigung im Rahmen
der anwendbaren kantonalen Bestimmungen (BGE 131 I 217 E. 2.4; 122 I 1 E. 3a,
mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung kommt den Kantonen bei der Bemessung des Honorars des
amtlichen Anwalts ein weiter Ermessensspielraum zu. In Fällen, in denen die
kantonale Behörde den vom Anwalt in Rechnung gestellten Arbeitsaufwand als
übersetzt bezeichnet, greift das Bundesgericht nur mit grosser Zurückhaltung
ein. Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher
Bemühungen zu beurteilen, wobei sie über ein beträchtliches Ermessen verfügt.
Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise
überschritten worden ist und Bemühungen nicht honoriert werden, die
zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers gehören. Für
die Annahme einer Verletzung von Art. 9 BV genügt es nicht, wenn die
kantonale Behörde, welche die Entschädigung festzusetzen hat, einen in
Rechnung gestellten Posten irrtümlich würdigt oder sich auf ein unhaltbares
Argument stützt. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Festsetzung des
Honorars ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt
geleisteten Diensten steht und in krasser Weise gegen das
Gerechtigkeitsgefühl verstösst (BGE 122 I 1 E. 3a; 118 Ia 133 E. 2b, d, mit
Hinweisen).

Die zuständige Behörde ist dabei allerdings verpflichtet, ihren Entscheid
wenigstens summarisch zu begründen. Hat der amtliche Verteidiger eine
detaillierte Kostennote eingereicht, genügt sie der von Art. 29 Abs. 2 BV
geforderten Begründungspflicht nicht, wenn sie einfach einzelne Posten aus
der Kostennote akzeptiert, hingegen andere herabsetzt, ohne zu jeder
Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die
Aufwendungen oder Auslagen als unnötig betrachtet werden (E. 2b des
Entscheids 1P.38/1998 vom 24. März 1998, auszugsweise in: plädoyer 3/98 S. 60
f.).

Bei der Beurteilung der konkreten Honorarfestsetzung ist auf die Umstände des
Einzelfalles abzustellen. Obwohl die Entschädigung des amtlichen Anwalts
gesamthaft gesehen angemessen sein muss, darf sie tiefer angesetzt werden als
bei einem privaten Rechtsanwalt (BGE 132 I 201 E. 7.3.4 S. 209; 122 I 1 E.
3a). Sie ist allerdings so zu bemessen, dass es den Rechtsanwälten möglich
ist, einen bescheidenen - nicht bloss symbolischen - Verdienst zu erzielen
(BGE 132 I 201 E. 8.5 ff.).
2.2 Unbestritten ist, dass der vom Obergericht vergütete Stundenansatz von
220 Franken den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

3.
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid die Kürzung des vom
Beschwerdeführer in Rechnung gestellten Zeitaufwandes um 1 1/2 Stunden mit
dem Hinweis begründet, die Bemühungen für die Zahnbehandlung seines Klienten
seien vom amtlichen Mandat nicht gedeckt. Diese Begründung ist ohne weiteres
ausreichend. Fraglich könnte dies allenfalls für die Kürzung des Aufwandes um
40 Stunden sein. Das Obergericht hält dazu fest, auch angesichts der
umfangreichen Akten und der zahlreichen Deliktsvorwürfe erscheine der geltend
gemachte Zeitbedarf von 128 Stunden für die 39-seitige Berufungsschrift als
überrissen. Zudem hat es den Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 28.
Juni 2007, in welchem es ihm die Kürzung in Aussicht stellte und zur
Vernehmlassung einlud, darauf hingewiesen, dass sein den Parallelfall
vertretender Kollege für die Berufungsschrift einen Aufwand von unter 100
Stunden geltend gemacht habe. Damit wusste der Beschwerdeführer immerhin in
groben Zügen, aus welchen Gründen das Obergericht den geltend gemachten
Zeitaufwand als übermässig betrachtete, und er war damit in der Lage, sich
effektiv gegen die Kürzung zur Wehr zu setzen. Die Begründung des
Obergerichts für seine Kürzungen erweist sich somit zwar als etwas knapp,
vermag den verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen aber noch zu genügen.
Die Gehörsverweigerungsrüge ist unbegründet.

4.
4.1 Der amtliche Verteidiger hat seinem Mandanten im Strafverfahren
beizustehen und ihn gegen die Vorwürfe der Anklagebehörde zu verteidigen.
Damit ist sein Mandat an sich klar umrissen und begrenzt. Zwar ist die Grenze
zwischen Strafverteidigung in diesem engen Sinn und weiterer persönlicher und
sozialer Betreuung eines Untersuchungshäftlings, wie sie vom Verteidiger in
beschränktem Umfang regelmässig geleistet wird und teilweise auch
erforderlich ist, um das Verteidigungsmandat erfolgreich ausüben zu können,
naturgemäss fliessend. Die zahnmedizinische Notversorgung des
Untersuchungsgefangenen ist allerdings durch die zuständigen
Strafvollzugsbehörden zu gewährleisten, und der Direktor der
Justizvollzugsanstalt Lenzburg hat dem Mandanten des Beschwerdeführers mit
Schreiben vom 23. März 2007 mitgeteilt, dass die JVA Lenzburg
Kostengutsprachen für Notfallbehandlungen zur Erstellung der Schmerzfreiheit
leistet, dass indessen die von ihm gewünschte, Fr. 8'700.-- bzw. 17'400.--
Franken teure Zahnsanierung nicht von der öffentlichen Hand übernommen werde.
Unter diesen Umständen ist die obergerichtliche Auffassung, die Bemühungen
des Beschwerdeführers um die Zahnsanierung seines Mandanten würden vom
amtlichen Mandat nicht gedeckt, jedenfalls nicht unhaltbar. Die Rüge ist
insoweit unbegründet.

4.2 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid erwogen, ein Zeitaufwand
von 80 Stunden für die Erarbeitung der Berufungsschrift sei angemessen. Was
der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, diese
Einschätzung im Ergebnis als willkürlich erscheinen zu lassen. Sein Einwand,
der Gerichtsschreiber habe 40 Tage gebraucht, um das erstinstanzliche Urteil
zu begründen, geht an der Sache vorbei, da sich das Verfassen von Urteilen
und Rechtsschriften nicht direkt vergleichen lässt. Zwar sind, was das
Obergericht keineswegs verkannt hat, die Akten relativ umfangreich und die
Zahl der Delikte gross. Die einzelnen Vorwürfe sind indessen keineswegs
besonders komplex, teilweise sogar eher banal. Vor allem aber hatte der
Beschwerdeführer seinen Mandanten bereits vor erster Instanz verteidigt. Ihm
waren somit die Akten wie auch die spezifischen Rechtsprobleme beim Verfassen
der Berufungsschrift bereits vertraut, er musste weder beim Aktenstudium noch
bei der rechtlichen Beurteilung von vorne anfangen, sondern konnte gezielt
und damit zeitsparend vorgehen. Im Vergleich zu seiner anstandslos
akzeptierten Kostennote vor der ersten Instanz, mit welcher er ab Eingang der
Anklageschrift (8. Mai 2006) bis zur Hauptverhandlung (9. Juni 2006) für
Aktenstudium und Vorbereitung des Plädoyers (einschliesslich
organisatorischer Vorkehren, Besprechungen etc.) rund 70 Stunden einsetzte,
erscheint der für das Verfassen der Berufungsschrift geltend gemachte Aufwand
von 128 Stunden tatsächlich unverhältnismässig. Mit seinem Entscheid, ihm
dafür 80 Stunden zuzugestehen, hat das Obergericht seinen Ermessenspielraum
jedenfalls nicht verletzt. Die Willkürrüge ist unbegründet.

5.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: