Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.436/2007
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6B_436/2007 /bri

Urteil vom 9. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Urs Rudolf,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Diebstahl; Sachbeschädigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 20. April 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ durfte seit 1981 über den Weg auf dem Grundstück von A.________
vom gemeinsamen Garagenplatz zu seinem anliegenden Grundstück mit
Einfamilienhaus gelangen. Eine Dienstbarkeit für die Benutzung des Weges
bestand jedoch nicht. Im Jahre 2001 wollte A.________ das Grundstück seiner
Tochter überschreiben, weshalb er die Benutzung des Weges mit X.________
regeln wollte. Dabei kam keine einvernehmliche Lösung zustande. Im Jahre 2003
kam X.________ der schriftlichen Aufforderung von A.________, einen neuen
Zugangsweg auf dem eigenen Grundstück zu errichten und den bestehenden Weg zu
entfernen, nicht nach. Der Gemeinderat von Kriens erteilte X.________ am 13.
August 2003 die Baubewilligung für die Erstellung eines neuen Weges auf
seinem Grundstück. In den Bedingungen wurde festgehalten, dass A.________
seine Zustimmung für den Abbruch des Weges auf seinem Grundstück nicht
gegeben hat. Als X.________ am 6. Dezember 2004 durch Arbeiter einen neuen
Weg erstellen liess, wurde der alte Weg auf dem Grundstück von A.________
demoliert und darauf gelegene Natursteine entfernt. A.________ forderte die
Arbeiter auf, die Arbeit einzustellen. Auf gegenteilige Anweisungen von
X.________ wurde die Arbeit jedoch fortgesetzt.

B.
Das Amtsgericht Luzern-Land sprach X.________ mit Entscheid vom 20. September
2006 des Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB sowie der Sachbeschädigung
gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Tagen, verbunden mit einer Busse von
Fr. 4'000.--. Die von X.________ dagegen erhobene Appellation wies das
Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 20. April 2007 ab. In Anwendung
des neuen Rechts bestrafte es X.________ mit einer Geldstrafe von
5 Tagessätzen zu je Fr. 290.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2
Jahren, sowie mit einer Busse von Fr. 4'000.--.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Luzern vom 20. April 2007 sei aufzuheben, und er sei
vom Vorwurf des Diebstahls und der Sachbeschädigung freizusprechen. Eventuell
sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

3.
Am 1. Januar 2007 ist der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in
Kraft getreten. Dieses neue Recht gelangt jedoch auf Taten, welche noch unter
Geltung des alten Rechts begangen wurden, nur zur Anwendung, wenn es für den
Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Im vorliegenden Fall ist das neue
Recht das mildere, womit dieses anwendbar ist (vgl. angefochtenes Urteil
Ziff. 6.1 S. 9).

4.
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Feststellung, wonach er sich nicht in
einem Sachverhaltsirrtum befunden habe, sei willkürlich. Ausserdem habe das
Obergericht das Prinzip der Unschuldsvermutung und die sich aus dem Grundsatz
"in dubio pro reo" ergebende Beweislast- und Beweiswürdigungsregel verletzt.
Weiter macht der Beschwerdeführer die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95
BGG) geltend. Weil er sich in einem Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB
befunden habe, habe das Obergericht Art. 139 Ziff. 1 StGB und Art. 144 Abs. 1
StGB zu Unrecht und falsch angewendet.

4.1 Das Obergericht verweist im angefochtenen Urteil auf die Bedingungen der
Baubewilligung, wonach A.________ seine Einwilligung für den Abbruch des
Weges nicht gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe auch nicht von einer
solchen Einwilligung ausgehen dürfen. Zwar habe A.________ den
Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. April 2003 zum Abbruch des Weges
aufgefordert. Diese Einwilligung datiere jedoch mehr als anderthalb Jahre vor
dem tatsächlichen Abbruch. Schon deshalb hätte sich der Beschwerdeführer vor
dem Abbruch nochmals bei A.________ informieren müssen. Die Korrespondenz
zwischen den Parteien sei sowieso wenig aussagekräftig, sei es doch
A.________ unbenommen, seine Meinung zu ändern. Relevant sei in erster Linie,
dass A.________ am 6. Dezember 2004 die Arbeiter des Beschwerdeführers
unmissverständlich aufgefordert habe, mit dem Abbruch aufzuhören. Der
Beschwerdeführer habe an jenem Tag den Befehl zum Abbruch gegeben bzw.
erneuert. Deshalb habe der Beschwerdeführer gewusst, dass A.________ an
diesem Tag mit seinem Vorgehen nicht einverstanden war. Demnach habe er sich
zum Zeitpunkt der Vornahme der strafbaren Handlung nicht in einem
Sachverhaltsirrtum befunden (angefochtenes Urteil Ziff. 3.2.1. S. 4 f.).
4.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Obergericht halte im angefochtenen
Urteil fest, er habe am 6. Dezember 2004 den Abbruchbefehl erneuert, obschon
er durch das Telefonat eines Angestellten erfahren habe, dass A.________
opponiere. Das Obergericht schliesse daraus, dass er sich im Zeitpunkt der
Vornahme der strafbaren Handlung nicht in einem Sachverhaltsirrtum befunden
habe. Diese Sachverhaltsfeststellung sei willkürlich. Gemäss den Akten sei
der entsprechende Anruf erst nach 11.00 Uhr, also nach der Zerstörung des
Weges und der Wegnahme der Steine erfolgt. Danach hätten die Arbeiter das
Terrain wiederhergestellt und aufgeräumt, daher nicht mehr strafrechtlich
relevante Arbeiten verrichtet. Indem das Obergericht ausführe, dass er sich
ab dem Zeitpunkt des Telefonats nicht mehr auf einen Sachverhaltsirrtum habe
berufen dürfen, bejahe es das Vorliegen eines Sachverhaltsirrtums während der
Ausführung der strafbaren Handlungen. Die Feststellung des Obergerichts, dass
er nicht eine Einwilligung habe annehmen dürfen, sei deshalb offensichtlich
falsch (Beschwerde Ziff. 4.1 S. 5 f.). Zudem hätte nach dem Grundsatz "in
dubio pro reo" sowieso die für ihn günstigere Sachverhaltsversion, wonach er
den Weg bereits vor dem Anruf demoliert habe, massgeblich sein müssen. Da das
Obergericht diesen Grundsatz missachtet habe, beruhe die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung auf einer Rechtsverletzung (Beschwerde Ziff. 4.2 S.
6). Er habe weder den Tatbestand der Sachbeschädigung noch den Tatbestand des
Diebstahls erfüllt, da er sich vor dem Anruf in einem Sachverhaltsirrtum
befunden habe und nach dem Anruf keine strafbaren Handlungen mehr vorgenommen
habe. Das Obergericht habe Bundesrecht verletzt, indem es Art. 139 Ziff. 1
StGB und Art. 144 Abs. 1 StGB zu Unrecht angewendet habe (Beschwerde Ziff. 3
S. 5).

4.3 Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Überdies muss die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die
Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art. 97 Abs. 1 BGG und für
eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach Art. 105 Abs. 2 BGG
stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage geht, ob der
Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung einer
kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge Anforderungen
an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt. Entsprechende
Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG genannten
Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der
Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen darzulegen,
inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer
verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.3, S. 245 f., mit Hinweis).

4.4 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Feststellung des Obergerichts,
wonach er nach dem Telefonanruf den Befehl zum Abbruch erneuert habe, sei
willkürlich. Er behauptet, dass nach dem Telefonanruf um 11.00 Uhr keine
Zerstörungs- und Wegnahmehandlungen und somit keine strafbaren Handlungen
mehr vorgenommen worden seien. Er legt jedoch nicht substantiiert dar,
weshalb und inwiefern die vorinstanzliche Feststellung willkürlich ist. Seine
Vorbingen erschöpfen sich in einer appellatorischen Kritik an der
Beweiswürdigung, die zur Begründung der Willkürrüge nicht genügt. Weil auf
die Willkürrüge nicht einzutreten ist, ist davon auszugehen, dass die
Arbeiter nach dem Telefonat die strafrechtlich relevanten Handlungen
fortgesetzt haben. Der Beschwerdeführer kann sich daher auch nicht darauf
berufen, dass gemäss dem Grundsatz "in dubio pro reo" die für ihn günstigere
Sachverhaltsversion massgeblich sein müsse. Auf die Rüge der unrichtigen
Feststellung des Sachverhalts ist demnach nicht einzutreten.

4.5 Somit ist in tatsächlicher Hinsicht erstellt, dass sich der
Beschwerdeführer spätestens nach der Intervention von A.________ nicht mehr
in einem Sachverhaltsirrtum befunden hat und trotzdem die Arbeiter zur
Fortsetzung der Arbeiten aufgefordert hat. Deshalb erweist sich auch die
Rüge, wonach das Obergericht Art. 139 Ziff. 1 StGB und Art. 144 Abs. 1 StGB
zu Unrecht angewendet habe, als unbegründet.

5.

Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: